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Super, diese Erden!

Astronomie|Physik

Super, diese Erden!
Supererden sind die neuen Stars unter den extrasolaren Planeten. Doch ob sie der Erde tatsächlich ähneln und sogar Leben beherbergen können, ist keineswegs sicher.

Seit der Entdeckung des ersten Planeten außerhalb unseres Sonnensystems Ende 1995 hat sich die Palette dieser fernen Welten enorm erweitert. Die Spanne der mehr als 850 bekannten extrasolaren Planeten reicht von 1000 Grad heißen Gasriesen, deren Atmosphäre verdampft, bis zu Gesteinskugeln von der Größe der Erde. Astronomen mussten lernen, dass es Planeten und ganze Planetensysteme in einer weitaus größeren Vielfalt gibt als sie dachten.

Besonders eine neue Gruppe von Himmelskörpern macht zurzeit von sich reden: die Supererden. Das sind Gesteinsplaneten mit etwa zwei bis zehn Erdmassen und maximal dem doppelten Erddurchmesser. Entdeckt wurden mittlerweile knapp 60 Vertreter dieser Spezies.

Mit dem Weltraumteleskop Kepler fanden Astronomen kürzlich weitere 816 Kandidaten, deren genaue Eigenschaften allerdings erst durch Nachbeobachtungen ans Licht kommen werden. Im Sonnensystem gibt es keine Supererde. Unser Planet ist der größte Gesteinskörper, danach kommen die Gasriesen Uranus und Neptun mit jeweils etwa der 15-fachen Erdmasse.

Für Wissenschaftler wie Frank Sohl und Frank Wagner vom Institut für Planetenforschung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) sind Supererden außerordentlich faszinierend: „Auf ihnen könnte fremdes Leben existieren. Aber wegen ihrer Größe besitzen diese Planeten andere Eigenschaften als die Erde“, sagt Sohl.

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Die Vermutung, dass der 40 Lichtjahre entfernte Planet 55 Cancri e zu einem Drittel aus Diamant besteht, ist besonders kurios. Lebewesen könnten sich an diesem Reichtum allerdings nicht erfreuen – denn es ist dort über 2000 Grad Celsius heiß.

Leben bei Roten Zwergen

Bei der Suche nach einem Planeten mit Oberflächenbedingungen wie auf der Erde haben die Astronomen lange nach Sternen gefahndet, die der Sonne ähneln. Eine „zweite Erde“ sollte in vielerlei Hinsicht unserem Planeten entsprechen. Doch seit einiger Zeit konzentrieren sich die Suchprogramme vermehrt auf Rote Zwerge, auch M-Zwergsterne genannt. Sie machen etwa 80 Prozent aller Sterne aus. Allein in der Milchstraße sind das rund 160 Milliarden.

Rote Zwerge haben etwa ein Drittel der Masse unserer Sonne und sind mit einer Oberflächentemperatur zwischen 1700 und 3100 Grad Celsius nur etwa halb so heiß. Sie besitzen lediglich einen Bruchteil der Sonnenleuchtkraft. Ein Planet muss einen solchen Stern deshalb in viel geringerem Abstand umkreisen als die Erde die Sonne, damit auf ihm erdähnliches Leben existieren kann. Astrobiologen nennen den lebensfreundlichen Bereich um einen Stern die habitable („bewohnbare“) Zone. Sie liegt in einem Abstand, wo auf einem Planeten Temperaturen herrschen, die flüssiges Wasser ermöglichen. Es darf also weder zu heiß noch zu kalt sein. Während die bewohnbare Zone in unserem Sonnensystem heute den Bereich etwa zwischen 0,95 und 1,4 Erdbahnradien umfasst, liegt sie bei M-Zwergen zwischen 0,01 und 0,1 Erdbahnradien. Diese Werte hängen vor allem von der Leuchtkraft des Sterns ab.

Die Konzentration auf Rote Zwergsterne hat mehrere Gründe. So werden Exoplaneten fast ausschließlich indirekt nachgewiesen. Ein Planet und sein Zentral- stern ziehen sich gegenseitig mit ihrer Schwerkraft an. Beide Körper bewegen sich deshalb um den gemeinsamen Schwerpunkt, der außerhalb des Sternzentrums liegt. Dies hat zur Folge, dass der Stern eine periodische Bewegung um den Schwerpunkt ausführt. Je enger ein Planet seinen Stern umkreist und je größer das Massenverhältnis von Planet zu Stern ist, desto größer ist die Wirkung der Gravitation – was die Messung erheblich erleichtert. Ein Planet in der bewohnbaren Zone eines Roten Zwergsterns erzeugt einen rund siebenmal so starken Effekt wie derselbe Planet eines sonnenähnlichen Sterns.

Nach der Auswertung neuer Messdaten kam ein internationales Astronomenteam um Xavier Bonfils vom Observatoire des Sciences de l’Univers de Grenoble in Frankreich letztes Jahr zu einem erstaunlichen Ergebnis: „Unsere Beobachtungen zeigen, dass wohl etwa 40 Prozent aller Roten Zwerge von einer Supererde umkreist werden, die in der bewohnbaren Zone liegt.“ Das wären mehr als 60 Milliarden Planeten. Innerhalb von 30 Lichtjahren um das Sonnensystem sollte es etwa 100 Supererden in habitablen Zonen geben. Dazu kommen noch Supererden von sonnenähnlichen Sternen.

Das Rätsel der sechs Supererden

Bekannt sind derzeit nur sechs Supererden in habitablen Zonen. Ob sie eine Atmosphäre besitzen ist unklar, denn noch gibt es keine Teleskope, die diese Planeten direkt ins Visier nehmen können. Doch Computermodelle liefern Hinweise auf sie. Mit solchen Modellatmosphären beschäftigt sich Lisa Kaltenegger vom Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg seit Jahren.

Ein Beispiel für eine Supererde ist der 20 Lichtjahre entfernte und 7 Erdmassen schwere Planet Gliese 581d. Er umkreist seinen Stern am äußeren Rand der bewohnbaren Zone. Könnte er flüssiges Wasser beherbergen, müsste allein sein Kohlendioxid in der Luft einen Druck von 700 Kilopascal (7 Atmosphären) besitzen, damit der erzeugte Treibhauseffekt für ausreichend Wärme sorgt. Der 36 Lichtjahre entfernte HD 85512b mit 3,6 Erdmassen befindet sich hingegen am Innenrand der bewohnbaren Zone. Er müsste mindestens zur Hälfte ständig von dichten Wolken umgeben sein, die das Licht seiner Sonne weitgehend abblocken. „Die Wolken müssten den Planeten kühlen“, sagt Kaltenegger.

PLANET MIT DREI SONNEN

Aufsehen erregte auch der vier Erdmassen schwere Planet Gliese 667Cc. Gliese 667 ist ein 24 Lichtjahre entferntes Dreifach-Sternsystem. Darin umkreisen sich zwei Sterne (Gliese 667A und B) im sehr geringen Abstand von 12 Erdbahnradien, während der dritte Stern (Gliese 667C) diese beiden im großen Abstand von 230 Erdbahnradien umrundet. Dieser Stern wiederum besitzt drei Planeten, darunter Gliese 667Cc in der habitablen Zone.

Wenn es dort Bewohner gibt, bietet sich ihnen ein prächtiger Anblick am Himmel: Ihre Sonne ist etwa so hell wie unsere, strahlt jedoch rot. Ein Jahr dauert nur 28 Erdtage. Die beiden entfernten Sternbegleiter wären etwa so hell wie bei uns der Vollmond.

Wenn Gliese 667Cc ähnlich wie die Erde zusammengesetzt ist – mit einem Eisenkern und einem Gesteinsmantel –, dann herrscht an seiner Oberfläche die 1,65-fache Erdschwerkraft. Das würde sich auf Struktur und Form von möglichen Lebewesen auswirken. Sie wären beispielsweise kleiner und gedrungener als auf der Erde. Auch die rote Farbe der Sonne hätte Folgen, etwa für die Chemie der Photosynthese, die wohl mithilfe anderer und anders selektierter Moleküle ablaufen würde.

Für die Existenz einer Biosphäre sind aber noch weitere Bedingungen entscheidend, zum Beispiel, ob es eine Plattentektonik gibt. Diese spielte in der Entwicklung der Erde und ihrer Atmosphäre eine bedeutende Rolle. Absinkendes Material einerseits und Vulkane andererseits sorgen bis heute für einen ständigen Austausch des Treibhausgases Kohlendioxid und üben so auf das Klima eine Pufferwirkung aus.

Verfügt ein Planet nicht über diesen Ausgleichsmechanismus, kann er schon bei geringer Änderung äußerer Einflüsse zu heiß werden – wenn etwa die Leuchtkraft seines Sterns zunimmt. Umgekehrt wäre die jugendliche Erde, als unsere Sonne noch nicht so hell schien wie heute, vollständig gefroren gewesen, wenn es damals noch keine Plattentektonik gegeben hätte.

Extreme Zustände

Die Frage, ob auch auf Supererden Plattentektonik möglich ist, beschäftigt Geophysiker erst seit Kurzem. Mit Computersimulationen stoßen sie in das Neuland vor: Der höhere Druck im Innern eines massereicheren Planeten verändert die Eigenschaften des Gesteins. Im Erdmantel beträgt der Druck bis zu 130 Milliarden Pascal (rund 1,3 Millionen Atmosphären), im Kern sogar 360 Milliarden. „Unter diesen Bedingungen lässt sich das Material gerade noch experimentell im Labor untersuchen“, sagt DLR-Forscher Frank Wagner. Im Innern von Planeten, die fünf- bis zehnmal so massereich sind wie die Erde, ist der Druck aber um diesen Faktor größer. Außerdem herrschen viel höhere Temperaturen. Die Materialeigenschaften können derzeit nur von den bekannten Daten aus extrapoliert werden. „Die Extrembedingungen wirken sich zum Beispiel auf die Wärmeleitfähigkeit des Gesteins aus und auch auf seine Viskosität, das heißt, wie zähflüssig es ist“, ergänzt Wagners Kollege Frank Sohl.

Das sind entscheidende Faktoren für großräumige Konvektionsbewegungen im Innern eines Planeten und damit auch für die Existenz von Plattentektonik und die Ausbildung von Magnetfeldern. Wahrscheinlich nimmt die Fähigkeit zur Plattentektonik mit steigender Masse eines Planeten ab, zeigte Vlada Stamenkovi´c vom Massachusetts Institute of Technology mit Computersimulationen, die er zusammen mit Kollegen von der Universität Münster und dem DLR ausführte. Doch das letzte Wort ist noch nicht gesprochen.

Vieles hängt auch von der chemischen Zusammensetzung des Planeten ab. Die ist zwar nicht direkt messbar, doch ein Trick hilft, einen Anhaltspunkt dafür zu finden: Ein Stern und seine Planeten entstehen im Innern einer Staubwolke. Ist sie gut durchmischt, dann sollten alle Körper des darin gebildeten Exoplanetensystems ungefähr dieselbe chemische Zusammensetzung haben. Die Zusammensetzung des Sterns lässt sich nun aus spektroskopischen Beobachtungen ermitteln. Und diese Messungen können als Grundlage für präzisere Planetenmodelle dienen. Auf diese Weise hatten amerikanische Forscher auch auf den hohen Diamantgehalt des Planeten 55 Cancri e geschlossen – denn sein Stern ist ungewöhnlich reich an Kohlenstoff.

Wagner und Sohl haben mit ihrem Modell ein Diagramm erstellt, in dem der Radius eines Planeten von seiner Masse abhängt (Grafik links). Trägt man den Messwert einer Supererde dort ein, so lässt dieser sich grob klassifizieren. Das sagt allerdings noch nichts über Plattentektonik, Magnetfeld und andere Eigenschaften aus.

Rotierende Rote ZWERGE

Bei Planeten in der habitablen Zone um Rote Zwergsterne gibt es noch eine weitere Besonderheit: Da sich die Trabanten sehr nahe an ihrem Stern befinden, kann ihre Rotation „gebunden“ sein, wie Astronomen sagen: Gezeiteneffekte verlangsamen die Eigendrehung so weit, bis der Planet sich während eines Umlaufs genau einmal um seine Achse dreht. Dieses Phänomen gibt es auch beim irdischen Mond, der uns stets dieselbe Seite zeigt. Für einen Exoplaneten bedeutet eine gebundene Rotation, dass auf der einen Hemisphäre stets Tag herrscht und auf der anderen stets Nacht. Auf der Nachtseite kann es dadurch so kalt werden, dass die meisten atmosphärischen Gase am Boden ausfrieren, wodurch sich schließlich die Lufthülle auflöst.

Dieses Schicksal ist aber nicht unausweichlich, wie Hauke Hußmann vom DLR mit Kollegen aus Brasilien kürzlich gezeigt hat. Mit Computersimulationen untersuchten die Wissenschaftler, wie sich die Eigenrotation und die Umlaufbahn durch die Schwerkraftwirkung des Sterns ändern. Entscheidende Faktoren hierbei sind die Größe des Planeten, seine Abweichung von der perfekten Kugelform und die Elliptizität der Umlaufbahn.

„Erstaunlicherweise müssen die Planeten nicht gebunden rotieren“, sagt Hußmann. Sie können aber unter Umständen in eine sogenannte Resonanz geraten. Dann dauert der Umlauf um den Stern zum Beispiel genau doppelt so lang wie die Eigenrotation, oder das Verhältnis ist drei zu zwei wie bei Merkur. Auch in diesen Fällen würden die Nächte auf dem Planeten mehrere Wochen dauern.

Leben trotz intensivem UV-Licht?

Hußmann ergänzt: „In einem realen System können auch die anderen Planeten mit ihrer Schwerkraft auf die Supererde einwirken und eventuell eine gebundene Rotation verhindern.“ Doch solche komplexeren Fälle sind bislang nicht untersucht worden. Noch ein anderes Argument spricht gegen die Existenz von Leben auf Supererden: „Wir wissen, dass Rote Zwergsterne zu Helligkeitsausbrüchen neigen. Diese ,Flares‘ setzen die Planeten einer intensiven UV- und Röntgenstrahlung aus“, sagt Stéphane Udry vom Observatorium Genf. Doch er hält es auch für möglich, dass die Natur effektive Schutzschilde für Organismen auf solchen Planeten entwickelt hat.

Astronomen wollen möglichst bald die Atmosphären von ausgewählten Supererden spektroskopisch studieren und nach Biomarkern suchen. Die Existenz von Methan und Sauerstoff oder Ozon würde nach heutigem Stand der Forschung auf einen Planeten hinweisen, der vergleichbares Leben trägt wie die Erde. Doch solche Biomarker in Atmosphären-Spektren zu identifizieren, ist enorm schwierig, weil die Lufthülle so dünn ist. Lisa Kaltenegger vergleicht einen Planeten und seine Atmosphäre mit einem Apfel und seiner Schale.

Selbst das James Webb Space Telescope, das ab 2018 im infraroten Spektrum forschen soll, wird trotz seines 6,5-Meter-Hauptspiegels hier ans Limit geraten. Kalteneggers Gruppe und andere internationale Forschungsteams haben für ein System vergleichbar mit der Erde und der Sonne abgeschätzt, dass man einen Planeten zehn Jahre lang immer dann spektroskopisch beobachten müsste, wenn er vor seinem Stern vorbeizieht, damit sich schwache Biosignaturen wie die von irdischen Organismen erkennen lassen. Und zehn Jahre sind mehr als die voraussichtliche Lebensdauer des James Webb Space Telescope.

Hier bieten wiederum die Roten Zwerge eine Chance. Planeten in ihrer habitablen Zone benötigen für einen Umlauf lediglich einige Wochen. Transits ereignen sich dort also wesentlich häufiger. Ein Problem ist allerdings die geringe Helligkeit der Roten Zwergsterne. „Deswegen ist es extrem wichtig“, betont Lisa Kaltenegger, „bis zum Start von James Webb einen oder mehrere optimale Kandidaten zu finden.“ ■

THOMAS BÜHRKE schreibt regelmäßig in bdw. In diesem Heft berichtet er ab S. 54 auch über Supervulkane: „Entwarnung vor dem Vulkan-GAU“.

von Thomas Bührke

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