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So nah – und doch so mysteriös

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So nah – und doch so mysteriös
Der Mond gibt den Forschern nach wie vor viel zu tun. bild der wissenschaft hat die wichtigsten aktuellen Fragen und Antwortversuche sowie die neuen Erkenntnisse zum Erdtrabanten zusammengestellt.

Die auf dem Mond wohnende Göttin Chang’e der Chinesen, die Himmelsscheibe von Nebra und Fritz Langs Stummfilm-Opus „Frau im Mond” von 1929 – sie alle zeugen davon: Seit jeher fasziniert der Erdbegleiter die Menschen. Sein sanftes Licht verzaubert uns und nimmt unser Fühlen und Denken gefangen. Denn anders als die immer gleiche Sonne wechselt der Mond seine scheinbare Gestalt. Das runde Vollmondgesicht wird von Nacht zu Nacht immer schmaler, bis es verschwunden ist. Dann schwillt es erneut zur vollen Scheibe an.

Auf den ersten Blick wirkt unser Begleiter bestens erforscht: Astronauten sprangen schon 1969 auf ihm herum und hatten auf dem Heimweg zentnerweise Mondgestein im Gepäck. Jede Nation, die etwas auf ihre Raumfahrt hält, war inzwischen vor Ort. Die USA, Europa und Asien entsandten Satelliten, China will im kommenden Oktober eine Sonde weich landen lassen.

Doch trotz aller Anstrengungen: Der Mond gibt noch viele Rätsel auf. So wissen die Geologen noch immer nicht, ob der Trabant Beben auf der Erde auslösen kann. Auch den Planetologen brennen nach wie vor viele Fragen auf den Nägeln: Warum unterscheiden sich seine Vorder- und Rückseite so drastisch? Und überhaupt: Wie ist der Erdbegleiter einst entstanden? Ist er tatsächlich das Ergebnis eines kosmischen Auffahrunfalls? Wenn ja – was wurde aus dem anderen Unfallopfer? Zurzeit macht ein überraschender Fund großen Wirbel: Woher stammt das Wasser in der scheinbar knochentrockenen grauen Wüstenei? Während sich die Wissenschaftler die Köpfe zerbrechen, ist Frau Luna der Liebling der Buchhändler: Mond-ratgeber haben Hochkonjunktur. Mit Antworten auf Fragen wie: „Welche Mondstellung ist für einen Friseurbesuch besonders günstig?”, lässt sich offenbar Kasse machen. Trotz solchem Hokuspokus zweifelt heute kaum noch ein Wissenschaftler am lunaren Einfluss auf das irdische Leben. Über Jahrmillionen hat der Mond die Erdachse stabilisiert und unseren Heimatplaneten womöglich erst bewohnbar gemacht. Denn würde die Rotationsachse im Lauf der Jahrmillionen stark taumeln wie beim Mars, dann wäre das Leben immer wieder von gewaltigen Klimakatastrophen heimgesucht worden. Und die Evolution hätte einen ganz anderen Verlauf genommen. Unbestritten ist auch die Rolle des Mondes als Zeitgeber im Tierreich – wenngleich sie rätselhaft ist: Wie bringen es zum Beispiel Meereswürmer fertig, sich bei ihrer Fortpflanzung am Vollmond zu orientieren? Der mysteriöse Mond wird daher noch eine Weile im Fokus der Forscher stehen. ■

von Thorsten Dambeck

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Mondlauf und Moneten

Den Startschuss für das Mondfieber gab das Buch „Vom richtigen Zeitpunkt”, mit dem Johanna Paungger und Thomas Poppe 1991 einen Bestseller landeten. Seitdem ständig aktualisiert und vielfach von anderen Autoren kopiert, begründete es eine Art neue Bewegung von Mondgläubigen. Gesundheit, Garten und Wohlbefinden – überall soll der Mond demnach die Strippen ziehen. Ein Klappentext drückt es so aus: In vielen Bereichen „beeinflussen Mondphase und Mondstand im Tierkreis unser gesamtes Leben und entscheiden mit über Erfolg und Misserfolg”. Meinungsforscher haben die Neigung der Deutschen gemessen, solchen Vorstellungen zu folgen. In einer repräsentativen Erhebung ermittelte Forsa im Herbst 2003 eine Zustimmung von 88 Prozent, wenn nach dem Einfluss des Mondes auf die Nachtruhe gefragt wurde. 16 Prozent der Befragten gaben an, beim Umgang mit Obst und Gemüse zum Mondkalender zu greifen. Immerhin 9 Prozent holen sich lunare Tipps für geeignete Friseurtermine. Und 7 Prozent suchen Hilfe für den richtigen Zeitpunkt für Arztbesuche und Operationen. Ein solcher Markt musste früher oder später erschlossen werden: Allein dem Autorenpaar Johanna Paunggerund Thomas Poppe werden zweistellige Millionenauflagen mit ihren Ratgebern und Kalendern zugeschrieben.

VOM MITTELALTER ZUR ESOTERIK

Bereits vor Jahrhunderten brachten Mondkalender den Lauf des Nachtgestirns mit konkreten Handlungsempfehlungen in Zusammenhang. Auch der Aderlass und andere Maßnahmen aus dem Arsenal der mittelalterlichen Medikusse sollten nur zum korrekten Stand von Mond und Planeten praktiziert werden. Im Zeitalter der Aufklärung fielen die Mondkalender in Ungnade. Sie wurden als „ Bibeln des Aberglaubens” gescholten. Das halten Skeptiker und rationale Menschen bis heute so. Der „Wahrsager check-Blog” spricht sogar von „Zahlenwahn und Primitivnumerologie”. In der Romantik begann jedoch der Wiederaufstieg der Mondkalender.

Glaubt man den heutigen Ratgeber-Autoren, so schöpfen sie ihre Erkenntnisse aus tradierten Überlieferungen, weitererzählt von Generation zu Generation. Viele Wissenschaftler widersprechen, beispielsweise der Regensburger Kulturwissenschaftler Helmut Groschwitz. Für seine Doktorarbeit hat er jahrelang Ratgeber studiert, einschlägige Vorträge besucht, selber Kalender ausprobiert und Fragebögen zum neuen Mondglauben ausgewertet. Außerdem hat er akribisch historische Quellen studiert. So konnte er die Entstehung der modernen Mondkalender durch die Jahrhunderte zurückverfolgen: „Sie fußen auf einer spekulativen Theorie des Mittelalters: der Astrologie. Erst im 19. Jahrhundert wird ,altes Bauernwissen‘ als angebliche Quelle bemüht.” Die heutigen Mondkalender sind dagegen ein modernes Phänomen. Esoterik, Wellness und Lifestyle werden darin mit Ökologie, Alternativmedizin, Anthroposophie und astrologischen Versatzstücken verquirlt.

AnthroposophiSCHES ALLERLEI

Seit den 1920er-Jahren hat besonders Anthroposophie-Begründer Rudolf Steiner Einflüsse des Mondes auf die Pflanzenwelt verfochten. Er sah das irdische Geschehen in engem kosmischen Kontakt, der Mond vermittele dabei zwischen Erde und den Gestirnen. Seine Anhängerin Maria Thun ergänzte die mystische Lehre des Meisters um weitere Aspekte. Ihre seit 1963 jährlich publizierten Aussaatkalender, die Gärtnern nach dem Mond propagieren, sind auch Ideengeber für heutige Mondkalender, „ allerdings oft ohne dort als Quelle genannt zu werden”, wie Groschwitz auffiel.

Buchhändler beobachten, dass die Käufer der Lunarliteratur zu mindestens 80 Prozent Frauen sind, einschlägige Vorträge besucht vor allem die Generation ab 40. Das überrascht nicht: Teile der Frauenbewegung haben stets zum Mond aufgesehen. Ein Klassiker von 1974 ist das Buch „Lunaception” von Louise Lacey. Darin empfiehlt die US-Autorin Geburtenplanung nach dem Mondrhythmus. Lacey, die auf astrologische Begründungen verzichtet, behauptet: Vor der Elektrifizierung wäre der weibliche Menstruationszyklus mit dem Lichtwechsel des Mondes synchronisiert gewesen – eine heute nur schwer beweisbare These. Laceys Ratschlag: Man schlafe in einem völlig abgedunkelten Zimmer – in den drei Nächten um Vollmond jedoch tauche man die Schlafstätte mit einem schwachen Lämpchen in künstliches Mondlicht. Nach einigen Monaten stelle sich so der Eisprung auf die Vollmondnacht ein – günstig für spätere Wunschkinder. Wissenschaftlich nachgewiesen sind derart erfüllte Wünsche freilich nicht.

MENSTRUATION MIT DEM MONDZYKLUS

Zweifellos ist der weibliche Zyklus mit seinen meist 28 bis 30 Tagen dem Mondmonat frappierend ähnlich. Denn anders als die eigentliche Umlaufdauer von 27,3 Tagen währt der auf die Erde bezogene Umlauf des Trabanten gut zwei Tage länger (29,5 Tage), da die Erde währenddessen auf ihrem Sonnenumlauf ebenfalls ein Stück voranschreitet. Ob freilich Zyklus und Mondumlauf wirklich korreliert sind, kann die Forschung bis heute nicht sicher be- antworten: Es gibt zwar viele Studien, das Gesamtbild ist jedoch verworren.

Und wie steht es um die Nachtruhe bei Vollmond? Jürgen Zulley, Leiter des Schlafmedizinischen Zentrums der Universitätsklinik Regensburg glaubt nicht an einen Zusammenhang: „Wissenschaftliche Studien belegen, dass es keinen Einfluss der Mondphase auf den Schlaf gibt.” Allerdings: Wer dreimal bei Vollmond schlecht geschlafen habe und fest an einen Zusammenhang glaube, werde sich wohl einen Monat später erneut unruhig hin und her wälzen. Auch beim Thema Schlafwandeln winkt Zulley ab: „Es gibt Hinweise, dass Schlafwandler auf Licht zusteuern, doch das kann in den Städten die Leuchtreklame sein.” Eine Rolle des Mondlichts wäre also denkbar, aber ohne ohne jedes Geheimnis, „ein eher trivialer Effekt.” Geheimnisse sind natürlich spannend – und so haben die Autoren der Mondkalender bei der gläubigen Anhängerschaft leichtes Spiel. „Die apodiktischen Glaubenssätze werden meist kritiklos von ihren Anhängern aufgesogen”, sagt Groschwitz. Man kann es als Aberglauben brandmarken oder gelassen einem alten Sprichwort folgen: Was kümmert’s den Mond, wenn ihn die Hunde anbellen? ■

THORSTEN DAMBECK ist promovierter Physiker. Zuletzt schrieb der regelmäßige bdw-Autor im Mai-Heft über die Erforschung der Venus.

Von Thorsten Dambeck

Fossilien-Friedhof im Meer der Ruhe?

Der Mond beeinflusst nicht nur das irdische Leben, sondern birgt vielleicht sogar selbst Lebensspuren, die über Meteoriten einst von der Erde zu ihm gelangt sind. Denn die Erde wurde wie der Mond früher von Einschlägen heftig gebeutelt. So könnte sich der leblose Mond eines Tages als Archiv der ersten irdischen Mikro-Fossilien erweisen sowie von uraltem Gestein, das auf der Erde durch das beständige Recycling der Erdkruste längst zerstört ist. Der umgekehrte Weg ist freilich viel wahrscheinlicher – und bereits nachgewiesen, denn auch ohne Raumfahrt gibt es Mondgestein auf der Erde. Eine Liste der Washington University verzeichnet 136 solcher Meteoriten – vom Krümelchen bis zum 13-Kilogramm-Brocken. Chemische Zusammensetzung, Mineralien und auch Isotopenverhältnisse weisen die Steine als Mondfragmente aus, denn sie ähneln frappierend den Apollo-Proben. Bei Einschlägen wurden sie aus der Mondkruste gebrochen und auf Fluchtgeschwindigkeit beschleunigt. Das sind 2,4 Kilometer pro Sekunde – nur ein Fünftel des irdischen Werts. Wahrscheinlich reichen dafür schon kleinere Einschläge. Die „Reisezeiten” zur Erde schwanken stark. Trödler brauchen bis zu 20 Millionen Jahre, besonders fixe Exemplare überwinden die Distanz schon nach ein paar Jahrhunderten. Gefunden werden solche Trümmer bevorzugt in Afrika und der Antarktis.

Optimistisch ins All

Wird sich die Zukunft im Weltall abspielen, Herr Dr. Geppert?

Das ist eine verbreitete Vorstellung. Amerikanische Literaturwissenschaftler haben dafür den Begriff des Astrofuturismus geprägt.

Kam diese Idee denn erst mit der Raumfahrt auf?

Das begann schon früher. Schon in der Weimarer Republik sind solche Vorstellungen nachweisbar. Der Höhepunkt des damaligen Raketenfiebers war 1929 der UFA-Film „Die Frau im Mond”. Regisseur Fritz Lang hatte dazu Experten verpflichtet, darunter den Raketenpionier Hermann Oberth. Der Film sollte so realistisch wie möglich werden. Es gab sogar Geld für eine Werbe-Rakete, die der „Verein für Raumschiffahrt” in Berlin zur Premiere starten sollte. Die Rakete wurde jedoch nicht fertig. Die Anekdote zeigt, wie sich bereits damals „Science” und „Fiction” wechselseitig beeinflussten.

Was veranlassten später die USA, den Mond ins Visier zu nehmen?

Die Mondfahrt entsprang einer einmaligen historischen Situation. Es ging in erster Linie um nationales Prestige und technische Machbarkeit, Forschung war zweitrangig. Im Rückblick stellen sich die frühen 1960er-Jahre als die goldenen Jahre der NASA dar, kurz darauf ließ das Interesse stark nach. Mit den ersten Mondflügen gab es noch einmal einen kurzen Höhepunkt, dann ebbte die Aufmerksamkeit jedoch ab. Umfragen belegen: Ab Mitte der 1970er-Jahre setzte sich ein pessimistischeres, von gesellschaftlichen Problemen geprägtes Zukunftsbild durch. Der Weltraum spielt seitdem kaum noch eine Rolle.

MEHR ZUM THEMA

LESEN

Prächtiger, leicht verständlicher Bildband, von Experten verfasst: Ralf Jaumann, Ulrich Köhler Der Mond Entstehung – Erforschung – Raumfahrt Fackelträger, Köln 2009, € 49,90

Spektakulärer Fotoband über die Apollo-Flüge (deutscher Text): Michael Light Full Moon Frederking & Thaler, München 1999 (nur noch antiquarisch erhältlich)

Wissenschafts-Reportage zur Entstehung des Mondes: Dana Mackenzie The Big Splat Wiley, Hoboken 2003, € 26,99

Brillante Einführung in die Mondbeobachtung mit Fernglas und Amateurteleskop: Lambert Spix MoOnSCOUT Oculum Erlangen 2009, € 9,90

Wissenschaftliche Untersuchung zum Mondglauben: Helmut Groschwitz Mondzeiten Zu Genese und Praxis moderner Mondkalender Waxmann, Münster 2008, € 29,90

INTERNET

NASA-Website zum Lunar Reconnaissance Orbiter: www.nasa.gov/mission_pages/LRO/main/index.html

Mondspaziergänge am PC mit Google Moon: www.google.com/moon/

Wissenschaftliches zum Ringelwurm Platynereis dumerilii: www.uni-giessen.de/~gf1019/home/

ERLEBEN

Eindrucksvolle Ausstellung im Gasometer Oberhausen, darunter der größte Mond-globus auf der Erde Sternstunden – Wunder des Sonnensystems www.gasometer.de Eintritt: € 3,50 bis € 7,–

Wie entstand der Mond?

Als das sonnenfeuer vor viereinhalb Milliarden Jahren inmitten des solaren Urnebels zündete, begann die Gründerzeit der planetaren Ur-Körper: Kosmischer Staub wurde zu sogenannten Planetesimalen zusammengebacken, jenen Bausteinen, die nach und nach zu den Planeten heranwuchsen. Auch die junge Erde hatte schon fast ihre heutige Größe erreicht, als – nach der herrschenden Theorie – der Katastrophentag anbrach: Ein riesiger Körper, etwa so groß wie der Mars, streifte die Erde. Der „ Impaktor” wurde beim Aufprall völlig zerstört. Seine Brocken schwirrten zusammen mit Erdgesteinssplittern im Erdorbit. Das war die Geburtsstunde des Mondes, der sich aus den kreisenden Trümmern zusammenfügte.

Diese Theorie firmiert unter dem Namen „Giant Impact”. Planetenforscher erklären damit seit Mitte der 1980er-Jahre die Entstehung des Mondes. Denn das Szenario macht eine ganze Reihe von Eigenschaften des Systems Erde–Mond verständlich. Insbesondere kann es auffällige chemische Ähnlichkeiten zwischen Mond- und Erdgestein erklären, beispielsweise die fast identischen Isotopenverhältnisse des Sauerstoffs auf beiden Himmelskörpern. Diese Übereinstimmungen waren den Kosmochemikern bei der Analyse der Gesteinsproben vom Mond aufgefallen. Sie legen den Schluss nahe: Das Urmaterial von Erde und Mond war sehr ähnlich.

Der Urzeit-Crash konnte in Computersimulationen mit realistischen Ergebnissen nachvollzogen werden. Die Simulationen erklären auch eine Besonderheit, die den Mond von den Trabanten aller anderen Planeten unterscheidet: Im Vergleich zu seinem Mutterplaneten, also der Erde, ist er sehr groß. Die Dauer der Erdrotation und des Mondumlaufs können die Theoretiker mit ihren numerischen Simulationen ebenfalls gut reproduzieren. Und die Theorie erklärt auch den Mangel an „volatilen” Elementen wie Natrium und Kalium, die schon bei relativ niedrigen Temperaturen verdampfen. Sie sollen bei der hitzigen Kollision ins All entwichen sein.

Glaskügelchen aus der Tiefe

Ist also das Thema Mondgeburt für die Forscher erledigt? Keineswegs, sagt der Geochemiker Carsten Münker von der Universität Köln: „Die Theorie hat einen Schwachpunkt: Über den Impaktor ist kaum etwas bekannt. Er ist eine Art freier Parameter, mit dem sich die Ergebnisse der Rechnungen an die Messwerte anpassen lassen.” Zudem verkündete das Wissenschaftsmagazin „nature” im Juli 2008: „Der frühe Mond war wasserreich”. In derselben Ausgabe publizierte ein Team um Alberto Saal von der Brown University im amerikanischen Providence, Rhode Island, neue Untersuchungen von Apollo-Proben. Die Forscher konzentrierten sich auf darin enthaltene winzige rote und grüne vulkanische Glaskügelchen. Sie stammen aus dem Mondinneren und geben Auskunft über die Verhältnisse im lunaren Mantel. Saal und seine Kollegen berechneten aus ihnen den einstigen Wassergehalt des Gesteins. Mit überraschendem Ergebnis: Die H2O-Werte sind demnach vergleichbar mit Einschlüssen aus dem Erdmantel, war in dem renommierten Wissenschaftsblatt zu lesen. Doch etliche Forscher, darunter Münker, sind skeptisch, ob diese Deutung korrekt ist.

Sollte die Analyse aber durch weitere Arbeiten untermauert werden, stellt sich eine wichtige Frage: Wie konnte das Wasser die heiße Mondgeburt überstehen? Einige Forscher spekulieren, dass die Erde und die sich formierende Trümmerwolke nach dem Crash noch flüchtige Substanzen ausgetauscht hätten – das könnte die fast identischen Isotopen-Verhältnisse beim Element Sauerstoff erklären. Bisher haben die Giant- Impact-Verfechter zwar viele Indizien zusammengetragen, doch ein unumstößlicher Beweis ist nicht dabei. „Die Suche geht weiter”, sagt Münker. ■

Warum hat die Rückseite kein Gesicht?

Der Mond wendet der Erde immer dieselbe Seite zu. Das ist an sich nicht ungewöhnlich, vielen anderen Planeten geht es mit ihren Trabanten ebenso. Die Mondrückseite war eines der vielen Terrae incognitae im Sonnensystem, bevor 1959 die sowjetische Sonde Lunik 3 sie erstmals ablichtete. Die Lunik-Fotos boten den Forschern dann eine handfeste Überraschung: Die Rückseite sah völlig anders aus als die Vorderseite. Auf der erdzugewandten Seite gibt es große dunkle Gebiete, von frühen Mondforschern „ Mare” genannt. Zusammen mit den hellen Hochländern bilden sie das vertraute Mondgesicht. Anders auf der gesichtslosen Rückseite: Dort fehlen die „Meere” fast völlig. Im Lauf der Jahrzehnte hatten insgesamt 73 bemannte und unbemannte Missionen den Erdbegleiter zum Ziel. Daher wissen die Planetologen, dass sich die beiden Seiten noch in anderen Eigenschaften unterscheiden. In weiten Teilen erscheint die Rückseite älter, denn sie ist stärker von Kratern zernarbt. Auch die chemische Zusammensetzung ist unterschiedlich: Radioaktive Elemente wie Thorium wurden vor allem auf der Vorderseite gefunden, und auch die vulkanische Aktivität ist dort stärker.

glühendes Meer aus Magma

Der Grund für diese Zweiteilung ist weitgehend unbekannt. Eine wichtige Rolle dürfte ein riesiger „Ozean” gespielt haben, der niemals Wasser führte: Als sich der Mond nämlich aus den Trümmern des Rieseneinschlags eines marsgroßen Himmelskörpers bildete, war er so heiß, dass seine äußerste Gesteinsschicht flüssig war. Der globale Ozean aus Magma reichte Schätzungen zufolge über 500 Kilometer tief. Da die Vorderseite durch die Zerfallswärme der radioaktiven Elemente langsamer abkühlte, erstarrte das steinerne Meer zuerst auf der Rückseite. Anfangs trieben dort kleinere „ Steinberge” umher – ähnlich wie Eisberge in irdischen Polarmeeren. Im Lauf der Zeit wuchsen diese Berge zu einem großen Kontinent zusammen, dem Herzstück der heutigen Rückseite.

Als die Kruste überall erstarrt war, schwirrten immer noch große Brocken aus der Entstehungszeit des Sonnensystems im All herum. Einige davon trafen die Mondoberfläche und erzeugten dabei die großen Einschlagsbecken, die man heute sieht. Der Riesenmeteorit, der das Aitken-Becken schuf, war ein besonders schwerer Schlag: Er stanzte ein etwa 2500 Kilometer weites und fast 13 Kilometer tiefes Loch in die Südpolregion.

IST DIE MONDKRUSTE HINTEN DICKER?

Auf der Vorderseite drang später Magma durch Risse im Untergrund nach oben und sammelte sich in den Becken. Noch heute prägt dunkles vulkanisches Basaltgestein das sichtbare Antlitz des Mondes. Warum dies nicht in gleichem Umfang auf der Rückseite passierte, ist selbst fünf Jahrzehnte nach dem ersten Luna-Foto noch ein Rätsel. „Vielleicht liegt es ganz simpel an der dickeren Kruste auf der Rückseite”, spekuliert der Planetologe Harald Hiesinger aus Münster. Klarheit schaffen könnten zwei für 2011 geplante Mondsatelliten der NASA. Sie sollen durch genaue Messungen des Schwerefelds unter anderem die Krustendicke erkunden. ■

Was macht den Mond magnetisch?

Die Felsen auf der grauen Mondoberfläche sind magnetisch. Das wissen Forscher durch Messungen aus dem Mondorbit und Analysen von Mondgestein im irdischen Labor. Zwar variieren die Magnetfelder beträchtlich, nirgends erreichen sie jedoch das von der Erde bekannte Niveau. Das liegt an einem fundamentalen Unterschied im Magnetismus von Erde und Mond: „Unsere Erde erzeugt tief in ihrem Innern ein globales Magnetfeld”, erläutert Ulrich Christensen, Direktor am Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Katlenburg-Lindau. „Beim Mond ist das anders. Dort geht der Magnetismus von der Kruste aus, also von seiner äußersten Gesteinsschicht.” Ein globales Magnetfeld ist bei den festen Körpern des Sonnensystems die Ausnahme. Neben der Erde haben lediglich Merkur und Jupiters Trabant Ganymed ein solches. In ihrer Frühzeit könnten aber noch weitere Himmelskörper über Magnetfelder verfügt haben. Christensen meint: „Beim Mars sind wir fast sicher, dass es dort einst ein globales Feld gab. Beim Mond ist das immerhin wahrscheinlich.” Der heute noch vorhandene Krusten-Magnetismus wäre dann einfach zu erklären: In der ehemals heißen Jugend des Erdbegleiters, als sein Inneres noch ein globales Magnetfeld erzeugte, wurde das Krustengestein bleibend magnetisiert.

Magnetfelder durch EisenSTRÖME

Ein solches Feld erklären die Wissenschaftler mit dem sogenannten Dynamo-Effekt. Bei der Erde spielt sich das Geschehen im flüssigen Teil des Eisenkerns ab, zwischen knapp 3000 und 5100 Kilometer Tiefe. Dort treiben die Strömungen des flüssigen Metalls den Dynamo-Prozess an. Die Physik ist ähnlich wie bei einem Fahrrad-Dynamo, beruht also auf Induktionsvorgängen. Zwar gibt es beim Dynamo des Drahtesels keine Strömungen, sondern die nötige Bewegung kommt vielmehr von der Drehung des Antriebsrädchens. Um den Geodynamo der Erde in Gang zu halten, würden allerdings selbst Heerscharen von Radfahrern nicht reichen, sondern es wären einige Hundert Kraftwerke nötig. Auch wenn aktive planetare Dynamos selten sind, die Liste der nötigen Zutaten ist kurz: Erstens ein flüssiger und elektrisch leitfähiger Kern und zweitens genügend schnelle Strömungen innerhalb der Kernflüssigkeit. Solche Strömungen werden beispielsweise durch Temperaturunterschiede ausgelöst, die zu einer Konvektion führen. Beide Anforderungen erfüllt der irdische Eisenkern. Hat auch der Mond einen flüssigen Kern? „Allgemein wird von einem metallischen Mondkern ausgegangen, endgültig bewiesen ist seine Existenz jedoch nicht, ganz zu schweigen davon, dass er flüssig ist”, meint Ulrich Christensen. Um hier Klarheit zu schaffen, sind bessere Daten von Seismometern auf der Mondoberfläche nötig.

Fest steht, dass der Mondkern, sofern er wirklich existiert, sehr klein sein muss. Die Planetenforscher gehen von einem Radius zwischen 300 und 425 Kilometern aus. Der Eisenkern der Erde ist mit 3470 Kilometern Radius dagegen riesig. Und kein Forscher weiß, wie der metallische Winzling im Zentrum des Mondes beschaffen ist: flüssig oder fest. ■

Wann erlosch der letzte Vulkan?

Auf der Erde sind Vulkane allgegenwärtig. Auf jedem Kontinent ragen Feuerberge in den Himmel, etwa 550 sind in historischer Zeit ausgebrochen. Und auf dem Mond? Große Schildvulkane, wie sie typisch für Erde und Mars sind, gibt es dort nirgendwo. Aber: „ Die meiste Zeit seiner Existenz war der Mond immer wieder vulkanisch aktiv”, sagt Harald Hiesinger vom Institut für Planetologie an der Universität Münster. Das begann vor mehr als vier Milliarden Jahren. Zeugnis davon gibt zum Beispiel das Mare Imbrium, das „Regenmeer”: Sein ovaler dunkler Fleck beherrscht die nördliche Vorderseite. „Dort gibt es Lavaströme, die viel länger sind als auf der Erde, trotz der geringeren Hangneigungen entlang der einstigen Fließrichtung”, sagt Hiesinger. Bis zu 1200 Kilometer weit pflügten die heißen Gesteinsmassen durch die Mondlandschaft. Die Lava muss viel dünnflüssiger gewesen sein als üblicherweise auf der Erde.

Hat der gewaltige Einschlag, der das Imbrium-Becken vor etwa 3,9 Milliarden Jahren schuf, den Vulkanismus dort verursacht? Es steht zwar fest, dass danach mindestens einige Hundert Millionen Jahre lang immer wieder Lava austrat. Doch Hiesinger ist skeptisch. Um als Erklärung für die jüngsten Imbrium-Lavaströme herzuhalten, liege das Impakt-Ereignis zu lange zurück. Gleichwohl, räumt der Mondexperte ein, dürfte der Einschlag die Kruste geschwächt und dem Magma den Weg nach oben erleichtert haben.

Heisse Lava in tiefen Schluchten

Seltsame mäandernde Schluchten, Rillen genannt, haben die Mondforscher lange Zeit genarrt: Viele spekulierten, dass dort einst Wasser floss. 1971 landeten die Astronauten von Apollo 15 dann direkt neben der 80 Kilometer langen und bis zu 300 Meter tiefen Hadley-Rille. Seit dieser Vor-Ort-Inspektion wissen die Planetologen: Dort floss niemals Wasser, sondern vielmehr sehr heiße, dünnflüssige Lava. Wie bei einem Flussbett grub sie sich in den Untergrund. Solche Rillen können auch „Dächer” aus erstarrter Lava besitzen. Darunter vermag die Lava noch einige Zeit weiter zu strömen. „Deshalb gibt es heute noch vulkanische Höhlen auf dem Mond”, sagt Hiesinger. Mehrere Eingänge wurden bereits aufgespürt. Der japanische Mondsatellit Kaguya fand im vergangen Jahr den ersten: ein 65 Meter großes pechschwarzes Loch, das mindestens 80 Meter tief in die lunare Unterwelt führt.

Am Westrand des Mare Imbrium ist ein anderes Beispiel für einen Mondvulkan zu besichtigen: Mons Gruithuisen Gamma. Der Berg erhebt sich sanft ansteigend bis zu 900 Meter hoch in den schwarzen Himmel. An seinem Gipfel öffnet sich ein Mini-Krater. Er steht für einen anderen Typus vulkanischer Erscheinungen: Dome. Sie sind kleinere Erhebungen, die manchmal allein, aber meist gruppenweise auftreten. „Wahrscheinlich drang dort silikatreiches Magma, das recht zäh ist, nach oben”, sagt Hiesinger. Das zähflüssige Gestein staute sich schneller an, als es abfließen konnte und türmte so allmählich den Vulkan-Dom auf.

Vulkanische Spuren sind auf dem Mond weit verbreitet. Heute bedecken die Basalte früherer Lavaströme rund 17 Prozent der gesamten Oberfläche. Wann endete diese hitzige Phase? „Das wird kontrovers diskutiert”, räumt Hiesinger ein. „Nach meinen Untersuchungen war in manchen Gegenden erst vor 1,2 Milliarden Jahren Schluss damit.” Warum der kleine Mond nicht schon viel früher erkaltet ist, darüber zerbrechen sich die Forscher bis heute den Kopf. ■

Woher stammt das Mondwasser?

Am 9. Oktober 2009 war der Mond in aller Munde. Die NASA hatte ihre LCROSS-Sonde (Lunar Crater Observation and Sensing Satellite) auf Kollisionskurs mit dem Erdbegleiter geschickt. Planmäßig schlug eine 2,3 Tonnen schwere Raketenstufe in den Cabeus-Krater am Mondsüdpol ein, die LCROSS-Sonde folgte kurz darauf. Bei dem doppelten Kamikaze-Manöver ging es um die Suche nach Wasser. Wer wollte, war live im Internet dabei. Das Kalkül der Weltraumbehörde: Sollte es in der aufgewirbelten Wolke aus Staub und Gestein Wasser geben, dürfte dessen Signatur den Sensoren der Sonde und den zahlreichen irdischen Teleskopen kaum entgehen.

Lange Zeit waren die Planetologen davon überzeugt, dass der Mond staubtrocken ist. Die Bodentemperaturen fallen zwar nachts weit unter minus 100 Grad, doch am Mond-tag steigen sie schnell wieder über den Gefrierpunkt. Jedes möglicherweise vorhandene Wasser müsste deshalb schnell ins Weltall verdunsten.

In den 1990er-Jahren keimten jedoch erste Zweifel: Über beiden Polen hatte das Neutronenspektrometer einer US-Sonde Anzeichen für Wasserstoff gefunden. Inzwischen interpretieren viele Wissenschaftler das als Spur der Eisvorkommen im Boden. Die Ultraviolett-Strahlung der Sonne sollte den Wasserstoff aus dem Molekülverbund des Wassers herausgeschlagen haben – und er hätte sich dann über den mutmaßlichen Eisvorkommen angesammelt. Aber ist der Wasserstoff wirklich ein Hinweis auf Eis im Mondboden? Am Grund einiger polnaher Krater herrscht ewige Nacht. Stellenweise beträgt die Temperatur dort nur 35 Grad über dem absoluten Nullpunkt – viel weniger als früher gedacht. Einige Planetenforscher haben spekuliert, das Eis sei mit Kometen dorthin gekommen und in den Kratern in eine Art Kältefalle geraten. Hat also ausgerechnet die lebensfeindliche lunare Polarnacht das Lebensmolekül konserviert?

Die Interpretation blieb umstritten. Bis heute wurde nirgendwo offen am Boden liegendes Eis ausgemacht. Doch neue Untersuchungen belegen, dass Wasser auf dem Mond weiter verbreitet ist als vermutet. Letztes Jahr widmete das Wissenschaftsmagazin Science den Resultaten eine Titelgeschichte: Wasser auf dem Mond, sogar außerhalb der Polgebiete! Die Autoren der Publikation stützten sich unter anderem auf Daten von Chandrayaan-1 („Reise zum Mond” ). An Bord dieser indischen Sonde hatte elf Monate lang ein NASA-Spektrometer die Mineralien der Mondoberfläche kartographiert. Die Messungen zeigten charakteristische Absorptionslinien in der vom Mond reflektierten Infrarotstrahlung: Bestimmte Wellenlängen wurden gleichsam verschluckt. Das lässt Rückschlüsse auf die Beschaffenheit der Mondoberfläche zu. Laut der Chef-Wissenschaftlerin Carle Pieters von der Brown University sind die gemessenen Spektraleigenschaften ein charakteristisches Zeichen für Mineralien, die H2O- und OH-Moleküle enthalten. Zwar ist dieser molekulare Fingerabdruck in den kalten Polregionen besonders deutlich, aber er lässt sich auch an vielen anderen Stellen nachweisen.

Wasserdampf am Südpol

Die Infrarotmessungen sagen nur etwas über den obersten Millimeter der Mondoberfläche aus. Gibt es also bloß eine winzig dünne wasserhaltige Schicht? Dagegen spricht der Befund bei jungen Einschlagskratern: Auch dort, wo die Wucht des Einschlags tiefere Gesteinsschichten an die Oberfläche gebracht hat, fanden die Forscher die Wassersignatur. Doch in welcher Form das Wasser vorliegt, ist unklar, ebenso seine Herkunft. Forscher wie Ralf Jaumann vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Berlin tippen auf einen kontinuierlichen Entstehungsprozess. Danach spielen die Wasserstoff-Atome des Sonnenwinds, der beständig über die Mondoberfläche weht, eine wichtige Rolle. Zusammen mit dem Sauerstoff im Mondgestein könnten sie zu Wasser reagieren, so die Vorstellung. In diesem Frühjahr berichteten allerdings US-Forscher auf einer Planetologen-Konferenz, dass sie solche Re-aktionen im Labor nicht nachvollziehen konnten. Sie favorisieren deshalb stetige Einschläge von eishaltigen Staubteilchen, „Microcomets” genannt.

Zurück zum großen Ereignis am 9. Oktober 2009: Die taumelnde Centaur-Stufe bohrte sich mit dem dreifachen Tempo einer Gewehrkugel in den Boden am Mondsüdpol. Zunächst war das Ergebnis enttäuschend, denn die Aufwallung fiel kleiner aus als erwartet. Experten taxieren den Durchmesser des Einschlagskraters auf 20 bis 30 Meter. Viel von der aufgewirbelten Wolke blieb hinter dem kilometerhohen Wall des Cabeus-Kraters verborgen. Schließlich gelangen im höchsten Teil der Wolke doch noch aufschlussreiche Messungen. Sechs Wochen später waren sich die NASA-Forscher sicher genug für eine Erfolgsmeldung: LCROSS hatte in der heißen Wolke Wasserdampf entdeckt, etwa 100 Kilogramm schätzen die Forscher. Wie viel Wasser im nachtschwarzen Dunkel von Cabeus noch schlummert, wissen sie allerdings nicht. ■

Lässt der Mond die Erde beben?

Geologisch ist der Mond tot, hieß es lange – doch das ist eindeutig widerlegt. Die Apollo-Astronauten hatten bei ihren Kurzbesuchen zahlreiche Messgeräte zurückgelassen, darunter auch Bebenmesser. Diese bildeten ein automatisches seismisches Netzwerk. Alle vier Instrumente waren auf der Mondvorderseite installiert. 1977 wurden die Messungen aus Kostengründen eingestellt. Rund 13 000 Mondbeben hatten die Forscher bei ihrem jahrelangen Lauschangriff bis dahin aufgespürt. Im Datenwust fanden die Planetologen schon bald auffällige Korrelationen: „ Mondbeben häufen sich in monatlichen Zyklen”, sagt Martin Knapmeyer vom Deutschen Zentrum für Luft und Raumfahrt. Dabei spielen der Abstand zur Erde sowie die Kreuzungspunkte zwischen Mond- und Erdbahnebene eine besondere Rolle. Ist damit auch bewiesen, dass die Mondbeben von den Gezeitenkräften der Erde bewirkt werden? So weit will der Berliner Bebenforscher nicht gehen: „Dieser Punkt gilt als offen. Es könnte sein, dass die Erde nur als Auslöser von Mondbeben fungiert, die ohne irdischen Einfluss auch irgendwann stattgefunden hätten.”

Der Mond verformt die Erdkruste

Verglichen mit den Beben auf der Erde sind die Mondbeben sehr schwach. Die meisten erreichen kaum Stufe 2 der Richterskala. Der Erdtrabant ist also zwar geologisch nicht tot, aber doch sehr, sehr ruhig. Anders unser Heimatplanet: „Auf der Erde entstehen viele Beben durch die Plattentektonik”, vergleicht Knapmeyer. Bei diesem Prozess verschieben sich die Platten der äußeren Gesteinsschichten gegeneinander und verzahnen sich dabei immer wieder. Spannungen bauen sich auf, die sich plötzlich entladen können – dann bebt die Erde. Aber hat auch der Mond etwas damit zu tun? Klar ist, dass die Gezeitenkräfte, an denen hauptsächlich der Mond, aber auch die Sonne mitwirken, nicht nur Ebbe und Flut verursachen. Die feste Erdkruste wird ebenfalls leicht verformt, allerdings wesentlich geringer als das Wasser der Ozeane. Die Stärke dieses Effekts ist ortsabhängig. Laut Jochen Zschau vom GeoForschungsZentrum Potsdam bewirkt er in Extremfällen einen Hub von fast einem halben Meter. Kann der kleine Mond wirklich die 81 Mal so massereiche Erde so stark beeinflussen, dass Erdbeben ausgelöst werden? Diese Frage verneinen die meisten Geophysiker. Manche Forscher haben zwar nach statistischen Korrelationen zwischen Gezeiten und Erdbeben gesucht. Doch ihre Resultate sind umstritten. „Das Problem ist, aus der Fülle der Erdbeben diejenigen herauszufiltern, bei denen der Mond einen Einfluss gehabt haben könnte”, meint Knapmeyer.

Doch jüngste Untersuchungen könnten eine Wende bedeuten: Analysen aus der Erdbebenzone vor Sumatra weisen auf einen Zusammenhang zwischen der Häufigkeit der Beben und den Gezeiten hin. Nach den Plattenverschiebungen, die das fatale Tsunami-Beben Ende 2004 – Stufe 9,0 auf der Richterskala – dort bewirkt hat, sind solche Korrelationen zwar nicht mehr feststellbar. Doch verdächtig ist der Mond weiterhin. ■

Wie stark ist der Einfluss auf das Leben?

Wer in NeumondNächten im Golf von Neapel mit einem Boot aufs Meer hinausfährt, sollte eine Lampe mitnehmen. Das Licht, in dunkler Nacht ohnehin zu empfehlen, ermöglicht auch einen Blick ins Wasser. Dort vollzieht sich bei dieser Mondphase ein Naturschauspiel: das Ausschwärmen des Meeresringelwurms Platynereis dumerilii. Eigentlich lebt der Wurm auf Algen am Meeresgrund, doch bei Neumond schwimmen die Tiere scharenweise zur Wasseroberfläche. Das Ziel des nächtlichen Ausflugs ist klar: Sex.

Von Botenstoffen angelockt, umkreisen die Männchen die Weibchen. „Spermien und Eizellen werden ins Meerwasser abgegeben” , erklärt Detlev Arendt. Der Heidelberger Biologe kultiviert die drei bis vier Zentimeter langen Würmer in seinem Labor am Europäischen Laboratorium für Molekularbiologie (EMBL). Laut Arendt ist die eigentümliche Fortpflanzung ein Relikt aus Urzeiten. „Die externe Befruchtung ist stammesgeschichtlich sehr alt. Die Befruchtung im Körper des Weibchens erfand die Evolution erst deutlich später”, meint der EMBL-Forscher. „Die alte Methode ist bei vielen wirbellosen Meeresbewohnern bis heute verbreitet.” Auch Quallen und Korallen sind Beispiele dafür. Damit die Fortpflanzung der Ringelwürmer erfolgreich ist, müssen genügend erwachsene Tiere zur gleichen Zeit aufeinander treffen – und dafür wird ein Zeitgeber gebraucht.

Das ist der Mond, genauer: sein Licht. Der Wurm hat lichtempfindliche Zellen, mit denen er dem lunaren Lichtwechsel folgt. Zwei Wochen vor dem Ausschwärmen registriert er die hellste Nacht des Monats: Vollmond. Dann beginnt eine umfangreiche Metamorphose, die „wie ein Uhrwerk” abläuft, so Arendt. Die Nahrungsaufnahme hört auf, Muskeln werden umgebildet und die Lichtorgane vergrößern sich zur nächtlichen Orientierung. Der aufwendige Körperumbau dauert 14 Tage, also bis zum Neumond. Beim Freisetzen der Eizellen reißt die Körperwand auf – die Nacht der Nächte ist die letzte Nacht des Wurms.

METAMORPHOSE UNTER DER GLÜHBIRNE

Nicht nur im Mittelmeer, auch in Biolaboren an Land ist Platynereis heute zu Hause. Als Modell-Organismus wird das lebende Fossil für stammesgeschichtliche Untersuchungen eingesetzt. In Arendts Labor simuliert eine schwache Glühbirne das Nachtgestirn. „Den künstlichen Mond muss man in den richtigen Nächten ein- und danach wieder ausschalten”, sagt er, „denn der Labormond ist für die Metamorphose entscheidend. Wenn die Lampe plötzlich zu Neumond leuchten würde, kämen die Tiere völlig durcheinander.” Will man die Ringeltierchen auf einen verschobenen Labor-Zyklus eichen, so geht das nur in bedächtigen kleinen Zeitschritten. Und nicht alle Würmer schwärmen gleichzeitig zur Fortpflanzung aus, es ist jeweils nur ein Teil der Population. „In einer Zuchtbox sind es höchstens 10 Prozent”, sagt Arendt.

Mondzyklisches Verhalten kennen Biologen auch von höheren Meeresorganismen. Der kalifornische Grunion, ein bis zu 20 Zentimeter langer Fisch, laicht bei Neu- und bei Vollmond. Bei diesen Springflut-Konstellationen lässt er sich zwischen März und August an den Strand spülen. Mit dem Schwanz voran gräbt sich das Weibchen bis zur Brustflosse in den Sand und legt dort die Eier ab. Mehrere Männchen winden sich um das Weibchen und befruchten das Gelege, indem sie ihre Samenmilch in den Sand fließen lassen. Mit den zurückweichenden Wellen gelangen die Fische wieder ins Wasser. Und einen halben Mondumlauf später, also zur nächsten Springflut, trägt die Tide auch den Nachwuchs ins Meer.

„Im Ozean ist eine Orientierung am Mondzyklus weit verbreitet” , sagt Arendt. Den „mondsüchtigen” Platynereis-Wurm sieht er deshalb in einem größeren Zusammenhang. „Eine der ersten Aufgaben des Nervensystems primitiver Organismen war es, die Lichtreize der Umwelt zu verarbeiten. Zu ihnen gehörte neben dem Tag-Nacht-Rhythmus auch der monatliche Lichtwechsel des Mondes.” Über lunar beeinflusstes Verhalten höherer Tiere, vielleicht bis hin zum Menschen, wundert sich Arendt deshalb nicht. Es könnte ein Überbleibsel aus Evolution des Nervensystems sein. ■

Ohne Titel

Alle waren US-Bürger, darunter nur ein Wissenschaftler: der Geologe Harrison Schmitt (1972).

Das sind 27,0 Prozent des Durchmessers der Erde. Die Mondmasse beträgt sogar nur 1,2 Prozent der Erdmasse.

Das ist das 3,7-Fache der Fläche des europäischen Kontinents.

In einigen ewig finsteren Südpolkratern ist es sogar noch kälter: minus 238 Grad Celsius.

Das ist die Dauer eines Mondtages .

Das sind 384 400 Kilometer, mit Schwankungen von 42 200 Kilometern.

Vergleichswert Erde: 5,52 Gramm pro Kubikzentimeter. Der Unterschied geht hauptsächlich auf den großen Eisenkern der Erde zurück .

Das sind 16,50 Prozent der Erdbeschleunigung (9,81 Meter pro Sekunde im Quadrat).

Die Gashülle ist extrem dünn. Sie enthält Argon, Helium und Wasserstoff, die genaue Zusammensetzung ist aber noch unbekannt . Die Stärke der lokalen Magnetfelder schwankt. Sie könnten das Relikt eines früheren globalen Feldes sein.

Ohne Titel

bislang 12

3476 Kilometer

37 932 330 Quadrat- kilometer

–160 bis +130 Grad Celsius

27,3 Erdtage

circa 60 Erdradien

3,34 Gramm pro Kubikzentimeter

1,62 Meter pro Sekunde im Quadrat

etwa 10 000 Kilogramm Gesamtmasse

etwa 0,1 Prozent des irdischen Feldes

Gut zu wissen: Der Erdmond in 10 Zahlen

1 Menschen auf dem Mond

2 Durchmesser

3 Mondoberfläche

4 Temperaturen am Boden

5 Erdumlauf

6 Distanz zur Erde

7 Dichte

8 Fallbeschleunigung

9 Atmosphäre

10 Feldstärke des Magnetfelds

Aus Trümmern geboren

So ist der Mond wahrscheinlich entstanden:

(1) Der Anfang war gewaltig: Die junge „Protoerde” kollidierte mit einem anderen heranwachsenden Planeten. Zu dieser Zeit hatte unser Heimatplanet durch frühere Kollisionen bereits 90 Prozent seiner endgültigen Größe erreicht. Der neue Crash war mehr ein Streifschuss. Doch der „Unfallgegner” wurde dabei völlig zerstört. Seine Ausmaße ähnelten dem heutigen Mars, er besaß ein Zehntel der Erdmasse.

(2) Eine Trümmerscheibe aus Magma, hauptsächlich aus den Fragmenten des fremden Protoplaneten, umkreiste die verwundete Erde. Durch die Hitze des Einschlags war deren Temperatur auf im Schnitt 4000 Grad angestiegen. Eisen und Gestein waren weitgehend flüssig, einige Silikate verdampften. Ein turbulenter Gasaustausch zwischen Erde und Scheibe verringerte die chemischen Unterschiede. Währenddessen sank flüssiges Eisen aus dem zertrümmerten Einschlagskörper durch das irdische Mantelgestein in die Tiefe und vereinigte sich mit dem Eisenkern.

(3) Die äußeren Teile der Trümmerscheibe kühlten schnell ab. Es dauerte nicht lange – zwischen einigen Hundert und einigen Tausend Jahren –, bis sie zum Erdtrabanten verklumpten. Die in der Scheibe weiter innen kreisenden Gesteinsbrocken stürzten auf die Erde zurück.

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See|war|te  〈f. 19〉 Institut zur Erforschung der Meere u. ihrer Bedingungen für die Schifffahrt

Rü|ben|flie|ge  〈f. 19; Zool.〉 hellgraue bis olivgrüne Blumenfliege, deren Larven in Rübenblättern minieren: Pegomya hyoscyami

Zwerg|kir|sche  〈f. 19; Bot.〉 verwilderte Kirsche: Prunus fructicosa

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