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Verbleites Trinkwasser im alten Rom

Geschichte|Archäologie

Verbleites Trinkwasser im alten Rom
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Die römische Kanalisation mündete in den Tiber (historisch)
Das Trinkwasser im alten Rom war offenbar doch ziemlich bleihaltig. Darauf deuten jetzt Untersuchungen von Sediment aus dem antiken Hafen Roms und einem Tiberkanal hin. In den alten Ablagerungen fanden Forscher deutlich erhöhte Werte von Blei aus den Wasserleitungen der Stadt. Vor allem im frühen römischen Reich und im frühen Mittelalter lag die Bleibelastung demnach bis zum 100-Fachen über den natürlichen Werten. An einer spürbaren Bleivergiftung litten die Römer aber wohl dennoch nicht, meinen die Wissenschaftler. Die alte Theorie, nach der eine Bleivergiftung das römische Reich untergehen ließ, bleibt demnach widerlegt.

Blei ist ein tückisches Gift: Es kann sich über Jahre hinweg in unserem Körper anreichern und dann schleichend unsere Gesundheit unterminieren. Studien zeigen, dass bei Kindern schon sehr geringe Mengen genügen, um die Entwicklung ihres Gehirns zu beeinträchtigen. Störungen der Intelligenz und geistigen Leistungen sind die Folge. In Deutschland herrschen daher strenge Vorgaben für Blei im Trinkwasser: Maximal 0,1 Milligramm pro Liter Wasser sind zulässig. Ist mehr Blei im Wasser, dann kann dies an alten Bleirohren liegen, denn je nach Wasserhärte und Bauart können sie geringe Mengen Blei ans Wasser abgeben. Diese Tatsache führte einige Forscher vor gut 30 Jahren zu der Vermutung, dass die alten Römer unter chronischer Bleivergiftungen gelitten haben könnten. Denn immerhin ein Teil der Wasserleitungen im antiken Rom bestand aus dem Metall. Zusätzlich nutzten die Römer Gefäße mit Bleiglasuren, die bei Kontakt mit saurem Most Blei abgaben. Der US-Geochemiker Jerome Nriagu sah eine Bleivergiftung sogar als Mitgrund für den Untergang des römischen Reiches. Allerdings wurde diese Theorie relativ schnell widerlegt. Wie viel Blei das Leitungsnetz der Römer aber tatsächlich an ihr Trinkwasser abgab, war bisher unbekannt.

Hugo Delile von der Université Claude Bernard in Lyon und seine Kollegen haben diese Frage nun genauer untersucht. Dafür entnahmen sie Sedimentproben aus dem antiken römischen Hafen Portus Romae und dem Verbindungskanal dieses Hafenbeckens mit dem Tiber. In diese Gewässer mündeten viele Leitungen des römischen Wassersystems, wie die Forscher erklären. Zudem sind Hafenbecken sehr gute Sedimentfallen. In den Sedimenten sind daher Ablagerungen aus der Zeit des frühen römischen Reiches bis ins frühe Mittelalter erhalten. „Das gibt uns einen rund 1.000 Jahre langen Einblick in die Entwicklung der Bleimenge, die von Roms Wassersystem abgegeben wurden“, sagen die Wissenschaftler. Die Bestimmung der Bleiisotope in den Proben ermöglicht es zudem, einzuengen, woher das Blei stammt – ob aus den Leitungen oder aus natürlichen Quellen.

Blei-Anstieg ab 100 nach Christus

In den Sedimenten fanden sich zwei verschiedene Bleianteile, wie Delile und seine Kollegen berichten. Einer stammte aus natürlichen Quellen: Dieses Metall wurde mit dem Regenwasser aus dem Kalkstein der Apenninen und dem vulkanischen Untergrund der Albaner Berge südöstlich von Rom ausgewaschen. Ein zweiter Bleianteil im Sediment aber war menschlichen Ursprungs. Vor allem während des frühen römischen Reiches ab 100 nach Christus schnellten die Isotopenwerte dieses anthropogenen Eintrags stark in die Höhe, wie die Analysen zeigten. Der Bleigehalt im Trinkwasser Roms lag zu dieser Zeit rund 40 Mal höher als in Wasser aus natürlichen Quellen. In der Folgezeit sank dieser Wert aber schnell wieder. Die Forscher vermuten, dass die Römer entweder einen Teil der Bleileitungen austauschten oder sie weniger stark nutzten. Erst im frühen Mittelalter stiegen die Bleiwerte im Trinkwasser der Großstadt wieder drastisch an, bis auf das 100-Fache der lokalen Quellen, so die Ergebnisse der Analysen.

„Unsere Ergebnisse demonstrieren, dass die Bleirohre des römischen Wassersystems die Bleigehalte im Trinkwasser tatsächlich deutlich erhöhten“, konstatieren Delile und seine Kollegen. Die Werte lagen zeitweise immerhin um zwei Größenordnungen über dem von Quellwasser. Allerdings: Selbst diese Erhöhung sei wahrscheinlich nicht ausreichend gewesen, um den Bewohnern Roms zu schaden. Messbare Folgen für die öffentliche Gesundheit gab es nach Ansicht der Forscher damals wohl nicht. Die Theorie von einem bleibedingten Niedergang des römischen Reiches bleibt demnach weiterhin widerlegt.

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Quelle:

© wissenschaft.de – Nadja Podbregar
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