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Wie Ekel krank macht: Gefühl lähmt Immunabwehr und lässt Herpes ausbrechen

Geschichte|Archäologie

Wie Ekel krank macht: Gefühl lähmt Immunabwehr und lässt Herpes ausbrechen
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Ekel schwächt die Immunabwehr des Körpers. Dadurch werden Krankheiten auf den Plan gerufen, die sonst nicht ausbrechen würden. Das konnten deutsche Forscher in einer Untersuchung belegen. Herpesblässchen tauchen zum Beispiel beinahe zuverlässig ein bis zwei Tage nach einem Ekelgefühl auf.

Ein lautes „Iiiii“, das Gesicht verzerrt sich, die Mundwinkel rutschen entsetzt nach unten: Auf dem Teller kraucht eine speckige Made und wühlt sich durch den Reis. Der Appetit ist sofort verflogen und einem Ekelgefühl gewichen. Die Reaktion ist nichts Ungewöhnliches. Sie signalisiert, das Essen mit dem Wurm nicht anzurühren. „Ekel ist ein archaischer Instinkt, der unsere Vorfahren vor Erkrankungen bewahrte“, erklärt Uwe Gieler, Professor für Psychosomatische Medizin an der Universität Gießen.

Allerdings kann es passieren, dass sich das Ekelgefühl einen Tag später am eigenen Körper rächt: Herpesblässchen sprießen rund um den Mund. „Seit vielen Jahren ist der Zusammenhang zwischen Herpes und Ekel aus Patientenberichten bekannt“, sagt Gieler. Menschen, die häufig von den roten Fieberbläschen an den Lippen heimgesucht werden, beobachten, dass diese gerne ein bis zwei Tage nach einem Ekel erregenden Ereignis auftauchen.

Forscher der Universität Trier haben diese Beobachtung nun in einer Studie bestätigt: Über Zeitungsanzeigen suchten die Wissenschaftler Menschen aus, die besonders intensiv auf Ekel ansprechen. Diese wurden in zwei Gruppen eingeteilt. Der einen Gruppe wurden unästhetische Bilder gezeigt, beispielsweise verschmutzte Gläser oder besudelte Wäsche. Die anderen Personen sahen dagegen angenehme Darstellungen. „Während letztere gesund blieben, entwickelten die vom Ekel geplagten nach der Präsentation alle Herpesbläschen“, berichtet Gieler.

Blutuntersuchungen bestätigten den Verdacht: Die Wächterzellen des Immunsystems, die so genannten T-Lymphozyten, waren bei den Erkrankten im Vergleich zu den übrigen Probanden verringert. In Folge ist die Immunabwehr lahm gelegt. Sie lässt die Herpesviren aus ihren Verstecken kommen und sich vermehren, was schließlich zu den Krankheitssymptomen führt. Herpes tritt bei der kleinsten Schwäche des Immunsystems zu Tage, da die Viren im Körper immer latent vorhanden sind und nur auf ihre Chance lauern.

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„Die Studie der Universität Trier hat jedoch keinen Ekel erfasst, wie er in „freier Natur“ aufkommt. Das schränkt die Ergebnisse insofern ein, als sie gewissermaßen künstlich sind,“ gibt Ulrich Kropiunigg, Professor der Medizinischen Psychologie an der Universität Wien, zu bedenken. Zugleich stellt er klar: „Die Studie ist ein eleganter Nachweis, dass Stress erzeugender Ekel vermutlich nicht anders wirkt als Stress, der von anderen psychischen Belastungen kommt. Unlustgefühle können zum Beispiel ebenso zum Auftreten der Herpesblässchen führen.“

Im Gehirn werde durch die Ekelwahrnehmung eine Reaktion im Hypothalamus ausgelöst, so Kropiunigg gegenüber ddp. Der Hypothalamus ist die Zentrale der Stressreaktion. Hier wird die Ausschüttung wichtiger Hormone gesteuert. Nach einem Ekelgefühl werden auf Regieanweisung des Hypothalamus eine Reihe von Botenstoffen und Hormonen aktiviert. Insbesondere wenn der Ekel länger im Gedächtnis haftet, wird am Ende der Kaskade immer wieder das Stresshormon Cortisol in der Nebennierenrinde gebildet, was auf Dauer das Immunsystem schwächt. „Wenn das Immunsystem nicht mehr ausreichend arbeitet, werden auch keine Antikörper gebildet und so können sich die bis dahin
in Schach gehaltenen Viren vermehren“, fasst Kropiunigg zusammen.

Dieser Einfluss konnte in einer amerikanischen Studie auch bei Eppstein-Barr-Viren nachgewiesen werden, die das so genannte Pfeiffersche Drüsenfieber auslösen. Alle untersuchten Schüler hatten das Virus erst kürzlich eingefangen, doch vor allem bei denen, die ein schlechtes Jahresendzeugnis hatten und aus einem Elternhaus mit hohem Leistungsanspruch stammten, brach die Krankheit aus.

Stress und Ekel verpassen der Körperpolizei also in ähnlicher Weise einen Dämpfer.
Dennoch wird keine andere Krankheit durch Ekel derart auf den Plan gerufen wie Herpes. Für andere Leiden wird ein solcher Zusammenhang indes vermutet. „Wir gehen davon aus, dass dies zum Beispiel auch auf Neurodermitis oder die Schuppenflechte zutrifft“, so Gieler.

Ekel sei in der modernen Gesellschaft weniger ein angemessenes Warnsignal als ein fehlgeleitetes Gefühl. Schimmliges Brot, Würmer im Essen oder kotverschmierte Wäsche kommen kaum noch vor, stattdessen ekeln sich Menschen heute vor vermeintlich gefährlichen Bakterien, einer Handvoll Gartenerde oder eigenen Körperpartien. Doch egal, woher er rührt, schlecht fürs Immunsystem ist er allemal.

ddp/bdw – Susanne Donner
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