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Wiege der Menschheit: Lückenhafte Überlieferung?

Geschichte|Archäologie

Wiege der Menschheit: Lückenhafte Überlieferung?
Kalksteinablagerungen aus einer Höhle in der "Wiege der Menschheit" (Foto: Robyn Pickering)

Von Australopithecus bis Homo: In der sogenannten Wiege der Menschheit in Südafrika finden sich zahlreiche Fossilien unserer homininen Vorfahren. Wissenschaftler haben sich nun an einer genaueren Datierung einiger dieser Funde versucht – und dabei eine interessante Entdeckung gemacht: Es scheint eine klimabedingte Lücke in der fossilen Überlieferung zu geben. Sterbliche Überreste von Frühmenschen blieben demnach nur aus Zeiten mit einem eher trockenen Klima erhalten. Unser Bild von der Geschichte der Menschheit in Südafrika könnte somit verzerrt sein, wie das Team berichtet.

Die Wiege der Menschheit stand in Afrika – so viel ist heute klar. Auch unsere eigene Spezies hat sich der gängigen Lehrmeinung nach auf diesem Kontinent entwickelt. Anthropologen gehen davon aus, dass der Sprung zum Homo sapiens in Ostafrika stattfand. Ebenso gibt es allerdings genetische Indizien für einen Ursprung des modernen Menschen in Südafrika. Dort liegt heute auch eine der ergiebigsten Fundstätten früher homininer Fossilien. Rund um Johannesburg und den rund 300 Kilometer entfernten Ort Taung wurden nahezu 40 Prozent aller bislang bekannten Fossilien unserer menschlichen Vorfahren entdeckt. Es verwundert daher nicht, dass dieses Gebiet UNESCO-Weltkulturerbe ist und gemeinhin als „Cradle of Humankind“ – also Wiege der Menschheit – bezeichnet wird.

Lokale Klimaänderungen

Doch so wichtig diese Fundstätte auch ist, so schwierig war bisher die genaue Datierung der dort gefundenen Fossilien. Viele der Überreste wurden in Höhlen entdeckt, in denen sich ausgerechnet die Fossilien-tragenden Sedimentschichten nur schwer einem präzisen Alter zuordnen lassen. Um dieses Problem zu umgehen, haben sich Robyn Pickering von der Universität Kapstadt und ihre Kollegen stattdessen nun jenen Schichten gewidmet, die zwischen den fossilreichen Sedimenten liegen. Konkret analysierten sie sogenannte Flowstones – Ablagerungen aus Kalk oder anderen Karbonatmineralien, die sich dort bilden, wo Wasser die Höhlenwände und -böden entlangfließt. Auf diese Weise entstehen beispielsweise die bekannten Stalagmiten und Stalagtiten.

Uran-Blei-Datierungen von 28 Schichten in acht Höhlen offenbarten: Alle Ablagerungen entstanden innerhalb von sechs kurzen Intervallen in der Zeitspanne vor 3,2 und 1,3 Millionen Jahren. Damit ist nun erstmals eine genauere Altersbestimmung von Fossilien aus mehreren Höhlen nach einer einheitlichen Methode gelungen. „Wir können nun Ergebnisse aus unterschiedlichen Höhlen miteinander verknüpfen und erhalten so ein besseres Bild über die Evolution und Geschichte der Menschheit im südlichen Afrika“, sagt Pickering. Gleichzeitig offenbaren die Kalkablagerungen, dass die in der Wiege der Menschheit lebenden Homininen damals drastische Veränderungen des lokalen Klimas erlebt haben müssen. „Die Flowstones bilden sich nur unter feuchten Bedingungen, wenn es außerhalb der Höhle viel regnet“, erklärt Pickering. Demnach wechselte das Klima in der Zeit vor drei und einer Million Jahren mindestens sechsmal von nass zu trocken.

Verzerrte Sicht

Dies hat sich auch auf die fossile Überlieferung ausgewirkt: Fossilien aus den nassen Phasen fehlen in den Höhlen völlig. Lediglich in den Schichten aus trockeneren Zeiten finden sich menschliche Überreste. Die Erklärung der Forscher: In regenreichen Zeiten war die Umgebung der Höhlen wahrscheinlich üppig mit Vegetation bewachsen, die auch die Eingänge zu den unterirdischen Räumen größtenteils verschloss. Wurde das Klima trockener, verschwanden diese Pflanzen dagegen und das machte die Oberfläche anfälliger für Erosion. Als Folge öffneten sich die Höhlen wieder, sodass Sedimente von außen nach innen gelangen konnten – und mit ihnen sterbliche Überreste früher Menschen. Damit ist nun klar: Die erhaltenen Fossilien aus Südafrika erzählen vermutlich nicht die ganze Geschichte, sondern nur eine lückenhafte. „Dies verzerrt unsere Sicht auf die Evolution der Homininen in Südafrika sowie auf ihre Lebensweise in dieser Region“, schließt das Team.

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Quelle: Robyn Pickering (Universität Kapstadt, Südafrika) et al., Nature, doi: 10.1038/s41586-018-0711-0

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