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Durch unhörbare Tiefen zum Tanz animiert

Musik

Durch unhörbare Tiefen zum Tanz animiert
Bei „speziellen“ Zusatz-Frequenzen wurde im Rahmen einer experimentellen Studie besonders heftig getanzt. © PeopleImages/iStock

Das tiefe Dröhnen der Bässe in elektronischer Musik regt bekanntlich besonders intensiv zum Tanzen an. Dafür müssen die Frequenzen nicht einmal im hörbaren Bereich liegen, verdeutlicht nun eine experimentelle Studie: Obwohl Probanden einen zeitweise in die Musik eingespielten Extrem-Bass nicht hören konnten und ihn auch nicht bewusst wahrnahmen, animierte er sie dazu, um zwölf Prozent intensiver zu tanzen. Offenbar reichen demnach schon die vibrotaktilen Stimulationen und die Wirkung auf das Gleichgewichtsorgan aus, um das Rhythmusgefühl des Menschen anzusprechen, erklären die Forscher.

Der eine mehr, der andere weniger – doch grundsätzlich hat der Mensch Rhythmus im Blut: Wenn wir bestimmte Tonfolgen hören, neigen wir dazu, ihnen mit Bewegungen zu folgen – in ausgeprägter Form nennt man das dann tanzen. Tieffrequente Klänge in der Musik können Menschen dabei besonders stark zu Bewegungen animieren. Sie scheinen im Gegensatz zu hohen Tönen Vorteile bei der Wahrnehmung und dem Timing von Bewegungen zu bieten. Ein Aspekt ist dabei wohl, dass die niedrigen Frequenzen neben dem Hörsystem auch über induzierte Vibrationen und Effekte auf das Gleichgewichtsorgan auf uns wirken. Im Rahmen ihrer Studie sind die Forscher um Daniel Cameron von McMaster University in Hamilton nun der Frage nachgegangen, inwieweit auch nicht bewusst wahrgenommene Bassfrequenzen den Drang zum Tanzen beeinflussen können.

Spezieller Auftritt des Musikduos Orphx

Die Experimente fanden dabei im McMaster LIVELab statt – einer einzigartigen Forschungseinrichtung, die Untersuchungen bei Musik- und Tanzveranstaltungen ermöglicht. Das LIVELab ist mit Technik zur 3D-Bewegungserfassung und einem speziellen Soundsystem ausgerüstet, das verschiedene Konzertumgebungen nachbilden kann. Die Lautsprecher können dabei auch extrem niedrige Frequenzen erzeugen, die außerhalb des menschlichen Hörbereichs liegen. Für ihre Studie luden Cameron und seine Kollegen Fans der Musikrichtung Techno zu einem Konzert des kanadischen Musikduos Orphx ins LIVELab ein. Die Besucher waren dabei bereit, sich mit bewegungssensitiven Stirnbändern ausstatten zu lassen, um ihre Tanzbewegungen zu erfassen.

Während des etwa einstündigen Konzerts spielten die Forscher dann zusätzlich zum normalen Beat der Musik niederfrequente Bassklänge ein: Jeweils zwei Minuten waren sie ein oder ausgeschaltet. In begleitenden Experimenten konnten sie bestätigen, dass diese Bassklänge nicht hörbar waren, und außerdem, dass sie zumindest nicht bewusst wahrgenommen wurden: Probanden konnten bei Vergleichstests nicht sagen, wann die niederfrequenten Bassklänge in die Musik eingemischt wurden.

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Erhöhter „Groove“ in Zwei-Minuten-Fenstern

Doch wie die Auswertungen des Tanzverhaltens bei dem Orphx-Konzert dokumentierten, fand offenbar eine unterbewusste Wahrnehmung statt: Wenn die Lautsprecher eingeschaltet waren, wurden die Tanzbewegungen im Durchschnitt um zwölf Prozent intensiver, ergaben die Auswertungen. „Aus den Ergebnissen geht hervor, dass das Tanzverhalten durch niederfrequente Klänge in seiner Intensität gesteigert werden kann, ohne dass Menschen sich dessen bewusst sind“, resümieren die Wissenschaftler.

Sie führen dies auf die vibrotaktilen Effekte des Sounds und vor allem auf nicht auditive Effekte im Innenohr zurück. Denn der unter anderem für unser Gleichgewicht wichtige Vestibularapparat ist bekanntermaßen eng mit dem motorischen System im Gehirn verbunden. Dieses System erfasst offenbar die niedrigen Frequenzen und beeinflusst dann die Wahrnehmung von „Groove“ – dem Drang, sich rhythmisch zu bewegen. Cameron zufolge zeichnet sich dabei allerdings jetzt weiterer Forschungsbedarf ab: „Um die beteiligten Hirnmechanismen zu entschlüsseln, müssen die Auswirkungen niedriger Frequenzen auf die vestibulären, taktilen und auditiven Bahnen nun untersucht werden“, sagt der Neurowissenschaftler abschließend.

Quelle: Cell Press, Fachartikel: Current Biology, doi: 10.1016/j.cub.2022.09.035

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