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ERFOLGSFAKTOR FRAU?

Gesellschaft|Psychologie

ERFOLGSFAKTOR FRAU?
Gehören Frauen zur Firmenspitze, steigt der Profit – glaubt man den Zahlen aus der Wirtschaft. Wissenschaftliche Studien haben geprüft, ob diese Rechnung aufgeht.

Frauen müssen leider draußen bleiben – das gilt immer noch für die weitaus meisten Chef-Etagen. Laut einer aktuellen Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin sind nur 2,5 Prozent aller Vorstandsmitglieder der 200 größten Unternehmen (ohne Finanzsektor) weiblich. Insgesamt besetzen Frauen hierzulande bloß 26,5 Prozent der Führungspositionen. Im europäischen Vergleich liegt Deutschland hinter Bulgarien und Litauen (siehe Grafik rechts „Wo Frauen führen”).

Ein Großunternehmen hat im Frühjahr als Erstes in Deutschland Flagge gezeigt: Die Telekom will eine Quote einführen. 30 Prozent der oberen und mittleren Führungspositionen soll in Zukunft mit Frauen besetzt werden, um den wirtschaftlichen Erfolg zu steigern. Denn mehrer Studien belegen, dass Unternehmen gewinnen, wenn sie mehr Chefinnen beschäftigen. Mit mehr Frauen steigen Produktivität, Profitabilität und Gewinn – zu diesem Ergebnis kam bereits 2003 die schwedische Agentur für wirtschaftliches Wachstum Nutuk, die 14 000 Unternehmen in Schweden analysierte. Das bestätigte ein Jahr später eine Studie der amerikanischen Non-Profit-Organisation Catalyst, die vom Finanzdienstleister BMO Financial Group unterstützt wurde. Sie hatte 353 Unternehmen der „ Fortune Global 500″ untersucht, einer jährlich aktualisierten Liste der umsatzstärksten Unternehmen weltweit. Ergebnis: Firmen mit einem hohen Frauenanteil im Top-Management erzielten zwischen 1996 und 2000 höhere Aktien- und Eigenkapitalrenditen – im Schnitt 35 Prozent mehr als die Konkurrenz. Die Analyse „Women Matter 1″ der Unternehmensberatung McKinsey kam 2007 zum selben Ergebnis.

EINE FRAU ALLEIN REICHT NICHT

Die besten Resultate stammen von Firmen mit drei oder mehr weiblichen Vorständen – und zwar in jeder der neun Kategorien, die McKinsey für Unternehmenserfolg als ausschlaggebend ansieht: Führung, Anweisung, Übernahme von Verantwortung, Koordination und Kontrolle, Innovation, Orientierung nach außen, Leistungsvermögen, Motivation, Arbeitsumfeld und Werte. Auffällig war, dass in einem Komitee mit durchschnittlich zehn Personen drei oder mehr Frauen sitzen müssen, um ein signifikantes Plus zu erzielen. Eine Frau allein reicht nicht aus, um etwas zu bewegen. Bleibt die Frage, was passiert, wenn Führungsrunden ausschließlich aus Frauen bestehen. Die Ergebnisse einer empirischen Studie, mit der die Münchner Psychologin Nathali Klingen promoviert hat, belegen, dass Frauen im Umgang miteinander sehr auf Gleichberechtigung und Demokratie in der Gruppe achten. Dementsprechend werden in einer reinen Frauengruppe im allgemeinen Stärke und Kompetenz einzelner Mitglieder sowie Konkurrenz untereinander tabuisiert und offene Machtkämpfe vermieden. Doch dadurch fällt es Frauen auch oft schwer, Konflikte offen auszutragen.

Unternehmen mit einer gemischten Führungsriege bekommen entsprechend eine bessere Bewertung als Unternehmen mit einer gleichgeschlechtlichen Geschäftsführung. Das stellten 2006 Wissenschaftler der Cornell University und der Georgia State University in einer Analyse der „Fortune 500″ für den Zeitraum von 1998 bis 2003 fest. Demnach schätzen Investoren etwa das Risiko von Klagen wegen geschlechtlicher Diskriminierung für Unternehmen mit mehr Frauen als geringer ein. Damit steigt der Wert des Unternehmens. Allerdings erklären die Studien nicht, was Ursache und was Wirkung ist: Also ob finanziell erfolgreiche Unternehmen mehr Frauen einstellen, oder ob umgekehrt mehr Frauen im Unternehmen zu größerem finanziellem Erfolg führen.

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Es ist nicht erwiesen, dass Frauen die besseren Managerinnen sind. Fest steht jedoch: Vielfalt nutzt einem Unternehmen. Martha Maznevski von der Business School IMD Lausanne weist im EU-Report „Women in Science and Technology – The Business Perspective” von 2006 darauf hin, dass dabei vor allem die Qualität der Teamführung eine Rolle spielt. Gut geführte gemischte Teams zeigen bessere Leistungen als homogene Gruppen. Am schlechtesten schnitten schlecht geführte gemischte Teams ab. Ein wichtiger Erfolgsfaktor ist nach Ansicht von Masznevski eine Kultur der „ Inclu- sion”, also der „Einbeziehung”: Die Individualität der Mitarbeiter soll nicht nur akzeptiert werden, sondern diese sollen sogar ausdrücklich ermutigt werden, ihre unterschiedlichen Sichtweisen zu äußern.

McKinsey fand in der Studie „Women Matter 2″ von 2008 heraus, dass weibliche Verhaltensweisen helfen, künftige Herausforderungen wie die fortschreitende Globalisierung zu meistern: Weibliche Führungskräfte vertrauen häufiger als Männer auf „Inspiration, partizipativer Entscheidungsfindung und Belohnung”. Männer setzen dagegen auf „Leistungskontrolle”, was laut der Studie während einer Krise und danach aber wenig nützt. In der neuen Studie „Women Matter 3″ belegt McKinsey, dass Unternehmen mit mehr weiblichen Führungskräften dank dieser Eigenschaften die aktuelle Wirtschaftskrise besser bewältigen.

Die Behauptung, dass Frauen wegen ihrer Kinder ihre Karriere nicht fortsetzen, entspricht offenbar nicht den Tatsachen. Denn das führte nur jede zehnte Managerin als Problem an, die Sonja Bischoff in ihrer Studie „Wer führt in (die) Zukunft?” befragte. Seit 1986 erforscht die Professorin für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre an der Universität Hamburg das mittlere Management in Deutschland. An der fünften Studie, die die Deutsche Gesellschaft für Personalführung unterstützte, beteiligten sich 2008 knapp 370 Führungskräfte – zur Hälfte Männer, zur Hälfte Frauen. Das erstaunliche Ergebnis: Das größte Hindernis für weibliche Chefs sind nach wie vor die Vorurteile, die man ihnen entgegenbringt. Ein Viertel der Managerinnen gab an, dass ihnen Führungskompetenzen schlicht abgesprochen werden. Das hat sich in den letzten 25 Jahren nicht geändert: „Die persönlichen Erfahrungen von Diskriminierung bei Managerinnen sind heute genauso häufig wie im Jahr 1986″, sagt Bischoff.

Das bestätigt auch eine aktuelle Studie des Sinus-Instituts in Heidelberg. Bei einer Befragung männlicher Führungskräfte ermittelte Carsten Wippermann, dass drei Mentalitätsmuster die „ gläserne Decke” absichern, die Frauen daran hindert aufzusteigen. Der konservative Typus lehnt Frauen qua Geschlecht ab und möchte sie nicht im Vorstand haben. Der zweite Typus hat eine emanzipierte Grundhaltung, meint aber, dass Frauen chancenlos seien, weil sie für das Top-Management zu wenig Härte besäßen. Der dritte Typus meint, das Geschlecht spiele bei der Besetzung keine Rolle, aber es gebe nicht genügend Frauen, die für eine Führungsposition authentisch und flexibel genug seien. Ebenso wenig wie die Vorurteile haben sich die Gehaltsunterschiede seit 1986 verändert. „Frauen brauchen nicht erst ihre Karriere zu unterbrechen, um weniger zu verdienen als Männer”, bringt es Bischoff auf den Punkt. Ihre Studie zeigt, dass es für das mittlere Management eine 75 000-Euro-Schwelle gibt: Die meisten Frauen liegen mit ihrem Verdienst darunter, die meisten Männer darüber. Die Einkommen der Männer sind zudem in den letzten Jahren explodiert, die der Frauen nur moderat gewachsen. Die Folge: Wer als Managerin bei gleicher Leistung weniger verdient, hat weniger Lust aufzusteigen. Natürlich sind auch Frauen durch Geld motivierbar, betont Sonja Bischoff.

ZU WENIG ELLENBOGEN

Frauen scheitern vor allem an mangelnder „Aufstiegseffizienz”, meint die Bonner Managementtrainerin Monika Henn. Sie stellte in einer empirischen Untersuchung fest, dass sich männliche Führungskräfte von ihren Mitarbeitern in Durchsetzungsstärke und Belastbarkeit unterscheiden, während weibliche Führungskräfte es in Flexibilität und hoher Teamorientierung tun. Diese Eigenschaften sind zwar hilfreich für eine Führungsrolle. Doch: Egal ob beim Selbstmarketing, Netzwerken, strategischen Kalkül oder Machtstreben – Frauen halten sich stärker zurück als Männer. Während unter Männern traditionell eine stabile Dominanzhierarchie herrscht, gilt unter Frauen eine instabile Geltungshierarchie, die ständig neu ausgehandelt wird. Das behindert den direkten Weg nach oben.

Auch Bischoff ist überzeugt, dass Managerinnen gezielter an ihrer Karriere arbeiten müssen. Ein knappes Drittel der Frauen erwägt eine Führungsposition erst gar nicht – gegenüber knapp einem Fünftel der Männer. Mit höherer hierarchischer Ebene wächst der Anteil aufstiegsorientierter Männer. Und: „ Spitzenführungskräfte sind auch Spitzenarbeiter”, meint Bischoff. Da viel mehr Frauen als Männer in Führungspositionen ihre Arbeitszeit reduziert haben und inzwischen 71 Prozent der Frauen weniger als 50 Stunden wöchentlich arbeiten (gegenüber 46 Prozent der Männer), sind Männer entsprechend häufiger da, wenn es darum geht, einen neuen oder frei gewordenen Posten zu besetzen.

Hat es eine Frau jedoch ganz nach oben geschafft, kann sie von den Vorurteilen ihr gegenüber profitieren – etwa dass sie zu einfühlsam und nicht so kompetent wie ein Mann sei. Das ergab eine Studie von Ashleigh Shelby Rosette, Assistenzprofessorin an der Fuqua School of Business der Duke University in Durham, North Carolina. Bei zwei Experimenten waren insgesamt über 400 Studenten dazu aufgefordert worden, fiktive Zeitungsartikel zu beurteilen, in denen weibliche und männliche Manager beschrieben wurden, außerdem fiktive Stellenbeschreibungen und Leistungsbewertungen. Rosette und Co-Autorin Leigh Plunkett Tost stellten fest, dass weibliche Führungskräfte in verantwortlichen Positionen anders wahrgenommen wurden. Plötzlich galt es als Stärke, dass sie einfühlsam und kompetent wirkten. Sie schnitten in der Beurteilung der Studenten sogar besser ab als männliche Führungskräfte. ■

ISABEL NITZSCHE, Journalistin und Karriereexpertin in München, findet, dass die meisten Frauen ihre Leistung besser vermarkten könnten.

von Isabel Nitzsche

WO FRAUEN FÜHREN

Deutschland liegt im Mittelfeld. Norwegen hat seit 2008 eine Quote verordnet: Die Chef-Etagen müssen dort zu mindestens 40 Prozent mit Frauen besetzt sein.

KOMPAKT

· Die Mischung der Geschlechter im Top-Management ist wichtig für den Erfolg eines Unternehmens.

· Frauen haben ebenso gute Führungsqualitäten wie Männer, doch sie halten sich oft beim Aufstiegsgerangel zurück.

· In Chef-Etagen profitieren Frauen von Vorurteilen.

UNFAIRE ARGUMENTE IGNORIEREN

Wie erleben Sie als Top-Managerin den Unterschied zu männlichen Führungskräften, Frau Stachelhaus?

Oft war ich unter 50 und mehr Männern die einzige Frau. Breite Schultern, tiefe Stimme und auf den Tisch hauen – das ist die gängige Vorstellung von Durchsetzungskraft. Frauen managen anders: hartnäckig, nachdrücklich und leiser. Sie entsprechen nicht dem gängigen Rollenklischee, sind aber deswegen nicht weniger erfolgreich.

Was müssen Frauen auf dem Weg nach oben beachten?

Sie sollten ihrem Stil treu bleiben, sich Unterstützung durch Mentoren suchen und planen, was sie erreichen wollen. Bei Job-Angeboten zweifeln sie oft, ob sie das können. Männer sagen: ‚ Klasse, mache ich‘ – und sind bereit, sich bei Konflikten durchzukämpfen. Mein Mann und ich haben uns früh entschieden, dass ich die Brötchen verdiene – das hat mir geholfen. Meinen ersten Job als Anwältin für Arbeitsrecht und Software-Lizensierung fand ich klasse, aber nicht für immer. Ich habe ziemlich bald meinen Chef gefragt: „Wie geht’s weiter?”

Was halten Sie von einer Quote für weibliche Führungskräfte?

Nichts, wenn sie staatlich verordnet wird. Aber Unternehmen müssen sich klare Ziele für den Managerinnenanteil setzen und eine Kultur schaffen, in der sich Frauen respektiert fühlen und in der auch leisere Töne gehört werden.

Müssen Frauen befürchten, als Quotenfrau abgestempelt zu werden?

Wenn der Staat eingreift, vielleicht zu Recht. Aber nicht, wenn Unternehmen ihre Kultur ändern. Unabhängig davon müssen Kandidaten immer qualifiziert für die jeweilige Position sein. Ich rate Frauen, Abwertungen, die sich auf das Geschlecht beziehen, mit Gelassenheit zu begegnen und cool zu ignorieren.

MEHR ZUM THEMA

LESEN

Sonja Bischoff WER FÜHRT IN (DIE) ZUKUNFT? Männer und Frauen in Führungspositionen der Wirtschaft in Deutschland Bertelsmann, Bielefeld 2010, € 39,–

INTERNET

Studie der Europäischen Kommission: WOMEN IN SCIENCE AND TECHNOLOGY The Business Perspective (WIST-Report) Office for Official Publications of the European Communities, Luxemburg 2006: ec.europa.eu/research/science-society/pdf/wist_report_final_en.pdf

Studien der Unternehmensberatung McKinsey zum Thema „Gender Diversity als Faktor für Unternehmenserfolg”: www.mckinsey.de/html/publikationen/women_matter/index.asp

Das 1984 gegründete Netzwerk „European Women’s Management Development International Network” (EWMD) setzt sich für mehr Beteiligung von qualifizierten Frauen in Führungspositionen in Wirtschaft und Gesellschaft ein: www.ewmd.org

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Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

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