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„F“ und „V“ dank weichem Essen

Gesellschaft|Psychologie

„F“ und „V“ dank weichem Essen
Ein für Jäger-Sammler-Kulturen typischer Biss (links) und ein moderner Überbiss (rechts), der für die Formung von labiodentalen Lauten günstig ist. (Bild: Tímea Bodogán)

Brot, Reis und Co haben die menschlichen Sprachen geprägt, sagen Forscher. Ihren Untersuchungen zufolge haben sich die Laute wie beim „F“ oder „V“  erst im Zuge der Ausbreitung der Landwirtschaft fest etabliert. Die Erklärung: Die Aussprache dieser sogenannten labiodentalen Laute wurde erst durch eine typische Zahnstellung begünstigt, die durch weiche Nahrung entsteht.

Über „m“ und „a“ bis hin zu den Schnalzlauten in einigen Sprachen im südlichen Afrika: Die Vielfalt der Laute in den unterschiedlichen menschlichen Sprachen ist ausgesprochen groß. Ihr Gebrauch ist dabei mit der Entwicklungsgeschichte der jeweiligen Sprache verknüpft. Die labiodentalen Laute, die durch Zähne und Lippen gebildet werden, sind in diesem Zusammenhang in etwa der Hälfte der menschlichen Sprachen verbreitet.  Bisher gingen Linguisten davon aus, dass die Grundlagen der Lauterzeugung früh in der Entwicklungsgeschichte des Homo sapiens entstanden sind und sich dann nicht mehr verändert haben. Doch die Studie der Forscher um Damián Blasi von der Universität Zürich widerspricht nun dieser Annahme und wirft neues Licht auf die Entwicklungsgeschichte der Sprachen.

Einem möglichen Zusammenhang auf der Spur

Die Motivation zu der Studie bildete eine Beobachtung, die bereits auf das Jahr 1985 zurückgeht: Dem US-amerikanischen Linguisten Charles Hockett war aufgefallen, dass es eine Häufung von labiodentalen Lauten in Sprachen von Bevölkerungsgruppen zu geben scheint, bei denen weiche Nahrung üblich ist. Im Gegensatz dazu sind sie bei den Sprachen von Jäger- und Sammlergesellschaften mit vergleichsweise kauintensiver Nahrung eher selten. Ob es allerdings tatsächlich einen Zusammenhang zwischen diesen Aspekten gibt, blieb jedoch fragwürdig. „Im Bereich der Sprache scheinen sich häufiger Korrelationen abzuzeichnen, die es aber nicht wirklich gibt“, erklärt Blasi. Ob an der Vermutung von Hockett wirklich etwas dran ist, haben er und seine Kollegen nun detailliert überprüft.

Für ihre Studie haben die Wissenschaftler Informationen und Methoden aus verschiedenen Disziplinen miteinander kombiniert: historische Linguistik, Phonetik und biologische Anthropologie. Sie konnten zunächst bestätigen, dass Sprachen, die Jäger-Sammler-Kulturen entstammen, tatsächlich deutlich weniger labiodentale Laute umfassen als Sprachen aus traditionell landwirtschaftlichen Gesellschaften. Es zeichnete sich zudem ab, dass sich die labiodentalen Laute erst spät durchgesetzt haben – mit zunehmender Tendenz: „In Europa finden wir in den letzten zwei Jahrtausenden einen drastischen Anstieg an labiodentalen Lauten in den Sprachen“, sagt Co-Autor Steven Moran.

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Übereinstimmende Befunde

Dass diese Entwicklungen mit Veränderungen des Mundes verknüpft waren, die durch die vergleichsweise weiche Nahrung landwirtschaftlicher Kulturen entstanden sind, konnten die Forscher durch anthropologische Untersuchungen und biomechanische Simulationen verdeutlichen. „Es war letztlich ein seltener Fall von übereinstimmenden Befunden“, so Blasi. Wie er und seine Kollegen erklären, entwickelten Menschen aus Jäger-Sammler-Kulturen durch die härtere und zähere Nahrung einen kräftigen Unterkiefer. Dies führt im Erwachsenenalter zu einem sogenannten Kopfbiss, bei dem die Schneidezähne des Ober- und Unterkiefers Kante auf Kante stoßen. Bei Menschen, die sich von weicher Kost ernähren, bildet sich hingegen eher ein sogenannter Überbiss aus, bei dem die oberen Schneidezähne leicht über die unteren hinausragen. Diese Gebissform begünstigt die Formung der labiodentalen Laute wie beim „F“, wie die biomechanischen Simulationen verdeutlichten.

Aus diesem Grund haben sich diese Sprachelemente in jenen Kulturen zunehmend durchgesetzt, in denen die Nahrung der Landwirtschaft und verfeinerten Zubereitungsverfahren entstammte, erklären die Wissenschaftler. „Der Einfluss unserer biologischen Voraussetzungen auf die Lautentwicklung wurde bisher also unterschätzt“, resümiert Moran.

Quelle: Universität Zürich, Science, doi: 10.1126/science.aav3218

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