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Neue Datenbank zeigt die bedrohte Vielfalt der Sprachen

Gesellschaft|Psychologie

Neue Datenbank zeigt die bedrohte Vielfalt der Sprachen
Sprachenkarte
Die Farben der Punkte in dieser Sprachenkarte repräsentieren den Grad der grammatikalischen Ähnlichkeit. © MPI für evolutionäre Anthropologie

Welche gemeinsamen Muster liegen Sprachen zugrunde? Wieviel Variation ist möglich und wie beeinflussen sich benachbarte Sprachen gegenseitig? Diese und viele weitere Fragen lassen sich nun anhand der neu veröffentlichten Datensammlung Grambank beantworten. Mit über 400.000 Datenpunkten und 2.400 Sprachen ist Grambank die größte vergleichende grammatikalische Datenbank. Erste Analysen der Daten zeigen, wie vielfältig die Sprachen unserer Welt sind, und unterstreichen zugleich die Gefahr, dass zahlreiche einzigartige Sprachen von anderen verdrängt werden und verloren gehen.

Unsere Sprache ist ein wesentlicher Teil unserer Kultur. Sie bestimmt, wie wir uns ausdrücken und verständigen können und sogar wie wir denken. Sie gibt Auskunft über unser kulturelles Erbe und aus Sprachverwandtschaften lassen sich Rückschlüsse auf historische Völkerwanderungsbewegungen ziehen. Dabei unterliegen Sprachen einer ständigen Evolution. Sie werden kulturell vererbt und entwickeln sich weiter, auch beeinflusst von anderen Sprachen. Aktuell werden weltweit etwa 7.000 verschiedene Sprachen gesprochen. Bisher waren die globalen Muster der menschlichen Sprachvielfalt allerdings noch nicht systematisch beschrieben.

Grammatikalische Eigenschaften katalogisiert

Ein Team um Hedvig Skirgård vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig hat nun in Zusammenarbeit mit Forschenden von mehr als 60 Institutionen weltweit die bisher größte grammatikalische Datenbank zusammengestellt. Die neue Datenbank Grambank umfasst über 400.000 Datenpunkte und 2.400 Sprachen aus 215 Sprachfamilien von allen bewohnten Kontinenten. Das Team kodierte die erfassten Sprachen nach zahlreichen grammatikalischen Merkmalen, darunter beispielsweise die Wortstellung, die Art, wie Wörter gebeugt werden und die Frage, ob es geschlechtsspezifische Pronomen gibt.

„Den Fragebogen zum Eintragen der Sprachmerkmale mussten wir anfangs mehrfach überarbeiten, um möglichst viele der unterschiedlichen Strategien zu erfassen, die Sprachen zur Kodierung grammatikalischer Eigenschaften entwickelt haben“, sagt Skirgård. Insgesamt 195 einzelne grammatikalische Eigenschaften umfasst die Datenbank nun. Daraus ergibt sich eine enorme Anzahl an Kombinationsmöglichkeiten. Analysen der Grambank-Daten zeigen, dass auch die tatsächliche Variation sehr groß ist, allerdings gewissen Grenzen unterliegt. So sind die Sprachen der ursprünglichen Bewohner Amerikas, die sich über viele Jahrtausende isoliert vom Rest der Welt entwickelt haben, in ihrer Struktur dennoch relativ ähnlich zu anderen Sprachen der Welt. Das könnte darauf hindeuten, dass bestimmte kognitive Merkmale des Menschen bestimmte grammatikalische Strukturen wahrscheinlicher machen als andere.

Die ungewöhnlichsten Sprachen der Welt

„Wenn die Prozesse zur Evolution und Diversifizierung von Sprache noch einmal von vorne beginnen würden, gäbe es dennoch eine gewisse Ähnlichkeit mit dem, was wir heute haben“, sagt Skirgårds Kollege Russel Gray. „Den Zwängen der menschlichen Kognition zu unterliegen bedeutet, dass es bei der Organisation grammatikalischer Strukturen zwar ein hohes Maß an historischer Kontingenz gibt, dass aber auch feste Muster vorhanden sind.” Die Daten zeigen, dass die historische Verwandtschaft von Sprachen eine größere Rolle für ihre grammatikalische Ähnlichkeit spielt als die geografische Nähe der heutigen Verbreitungsgebiete. Sprachen sind also anderen Sprachen, mit denen sie einen gemeinsamen Vorfahren teilen, ähnlicher als Sprachen, mit denen sie lediglich durch die räumliche Nähe ihrer Verbreitungsgebiete in Kontakt stehen. „Genealogie übertrumpft im Allgemeinen die Geografie“, fasst Gray zusammen.

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Zudem begab sich das Team auf die Suche nach den ungewöhnlichsten Sprachen der Welt, also Sprachen, die eine möglichst einzigartige Kombination von grammatikalischen Merkmalen aufweisen. „Die ungewöhnlichsten Sprachen gehören in den meisten Fällen nicht zu den größten Sprachfamilien, oder wenn doch, dann befinden sie sich am geografischen Rande ihres Verbreitungsgebiets“, erklären die Autoren. Zu den ungewöhnlichsten Sprachen im Datensatz zählen Sprachen der amerikanischen Ureinwohner wie Movima sowie Sprachen in Papua Neuguinea wie Kuot und Yélî Dnye. Diese Sprachen werden nur noch von wenigen tausend Menschen gesprochen und sind stark bedroht. Doch auch viele weitere Sprachen, die zwar als weniger außergewöhnlich gelten, aber dennoch eine Reihe einzigartiger Merkmale aufweisen, könnten in Zukunft verschwinden.

Einzigartige kulturelle Quelle

„Die außerordentliche Vielfalt der Sprachen ist eine der größten kulturellen Errungenschaften der Menschheit“, sagt Co-Autor Steven Levinson vom Max-Planck-Institut für Psycholinguistik in Nijmegen in den Niederlanden. „Diese Vielfalt ist stark bedroht, insbesondere in einigen Regionen der Welt wie zum Beispiel in Nordaustralien und Teilen Süd- und Nordamerikas. Ohne nachhaltige Bemühungen um die Dokumentation und Wiederbelebung gefährdeter Sprachen wird unser Blick auf die menschliche Geschichte, Kognition und Kultur durch das Fenster, das die Linguistik uns bietet, zukünftig stark eingeschränkt sein.“

Die Grambank-Datenbank hilft dabei, gefährdete Sprachen zu identifizieren, zu dokumentieren und zu bewahren. „Jede einzelne Sprache birgt eine einzigartige und unersetzliche Quelle sprachlichen Wissens“, erklärt das Team. Mit Hilfe von Grambank lassen sich Verbindungen zwischen sprachlicher Vielfalt und anderen kulturellen und biologischen Merkmalen erforschen. „Das reicht von religiösen Überzeugungen über wirtschaftliche Verhaltensweisen und musikalische Traditionen bis hin zu genetischen Abstammungslinien“, sagt Gray. „Diese Verbindungen zu anderen Facetten menschlichen Verhaltens werden Grambank zu einer Schlüsselressource nicht nur für die Linguistik machen, sondern ganz generell für das multidisziplinäre Bestreben, menschliche Vielfalt zu verstehen.“

Quelle: Hedvig Skirgård (Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie, Leipzig) et al., Science Advances, doi: 10.1126/sciadv.adg6175

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