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Warum uns Samba-Musik mitreißt

Hirnforschung

Warum uns Samba-Musik mitreißt
Forscher haben den Effekten von Samba-Rhythmen und ihrem neuronalen Echo eine Studie gewidmet. © Joa_Souza/iStock

Bei den berühmten Karnevalsumzügen in Rio de Janeiro lassen sich tausende von Menschen von den Samba-Rhythmen anstecken und fühlen sich dazu animiert, ausgelassen zu tanzen und zu feiern. Neurowissenschaftler haben nun untersucht, worauf diese mitreißende Wirkung des Sambas beruhen könnte. Hirnscans zeigen: Samba-Musik aktiviert Hirnareale, in denen Rhythmus und Bewegung verarbeitet werden und die an Vorhersagen beteiligt sind. Wichtig dabei ist die Synchronität, mit der die Musiker zusammenspielen. Manipulierten die Forscher Samba-Aufnahmen so, dass die Percussion leicht verschoben war, entfaltete die Musik eine deutlich schwächere Wirkung. Die Forscher gehen davon aus, dass sich die Beobachtungen auch auf andere Musikstile übertragen lassen.

Hunderte von Perkussionisten sorgen beim Karneval in Rio de Janeiro für berauschende Rhythmen, die Tänzer, Sänger und Zuschauer der Paraden in Ekstase versetzen. In ausgelassener Stimmung erleben die Menschen ein starkes Gefühl der Verbundenheit mit anderen und verspüren den Drang, sich zu den Rhythmen zu bewegen und zu tanzen. Eine Rolle dabei spielt neben der Musik zweifellos die Gesamtatmosphäre in Rio mit bunten Kostümen und feiernden Menschen. Doch selbst in einer Laborumgebung können allein die Trommelrhythmen den Impuls wecken, sich zur Musik zu bewegen.

Samba-Musik im Labor

Worauf diese starke Wirkung der Samba-Musik beruht, hat nun ein Team um Annerose Engel vom D’OR Institut für Forschung und Lehre in Rio de Janeiro neurowissenschaftlich untersucht. In Kooperation mit einem anerkannten Meister einer Samba-Trommeleinheit in Rio de Janeiro erstellten die Forscher ein typisches Musikstück mit neun typischen Percussion-Instrumenten. Im Anschluss manipulierten sie das Zusammenspiel der Instrumentengruppen, indem sie die Snare Drums, die einen stetigen Puls vorgeben, im Verhältnis zu den anderen Instrumenten leicht verzögerten.

Im ersten Teil der Untersuchung bekamen zwölf Probanden diese Aufnahmen zu hören – mal die Originalversion, mal manipulierte Versionen mit einer Verschiebung um 28, 55 oder 83 Millisekunden. Die Musik wurde ihnen laut (85 Dezibel) oder sehr laut (95 Dezibel) vorgespielt. Für jede Aufnahme beurteilten sie, wie angenehm sie die Musik empfanden und wie stark ihr „Groove-Gefühl“ war, also der Drang, sich dazu zu bewegen. Alle Probanden waren selbst musikalisch und gaben an, Samba zu mögen.

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Synchronität animiert zum Tanzen

Das Ergebnis: Die Originalaufnahme, bei der die Musiker synchron spielten, nahmen die Probanden als besonders angenehm und animierend wahr. Insbesondere, wenn die Musik sehr laut ertönte, verspürten die Probanden einen deutlichen Drang, sich dazu zu bewegen. Das galt allerdings nur, wenn die Instrumente synchron spielten. Wich die Snare Drum nur um einige Millisekunden vom gemeinsamen Rhythmus ab, erzeugte die Musik weniger Groove-Gefühl. Der Effekt war umso stärker, je besser das Rhythmusgefühl des jeweiligen Probanden war. Dieses hatten die Forscher zuvor mit einem standardisierten Test erhoben.

Zusätzlich zu der Verhaltensstudie führten Engel und ihre Kollegen eine neurologische Studie mit einer Gruppe von 21 neuen Probanden durch. Auch diese Studienteilnehmer hatten musikalische Vorerfahrung. Diese Probanden hörten die Samba-Aufnahmen, während ein Magnetresonanztomograph ihre Hirnaktivität aufzeichnete. Dabei zeigte sich: Je synchroner die Instrumente erklangen, desto aktiver war in ihrem Gehirn ein Netzwerk, das für Bewegungen und die Wahrnehmung von Rhythmen zuständig ist: das supplementär-motorische Areal, der linke prämotorische Cortex und der linke frontale Gyrus. Diese Hirnregionen treten nicht nur bei Bewegungen in Aktion, sondern auch, wenn etwas vorhergesagt werden soll – ein fundamentaler Prozess unserer Wahrnehmung.

Groove im Gehirn

„Die Aktivität im Netzwerk dieser motorisch assoziierten Regionen könnte die neuronale Grundlage für das Empfinden von Groove sein, insbesondere dem ausgeprägten Bewegungsdrang“, erklärt Engel. „Je synchroner die Instrumente zusammenspielen, desto klarer kann der zugrundeliegende Takt erfasst werden. Das vereinfacht vermutlich die Vorhersageprozesse.“ Auch für das Gefühl intensiver Emotionen und sozialer Verbundenheit, das einige Teilnehmer beim Hören der Musik beschrieben, fanden die Forscher ein neuronales Korrelat: Bei diesen Teilnehmern zeigte sich bei den synchronen Rhythmen eine verstärkte Aktivität im subgenualen cingulären Kortex – einer Hirnregion, in der soziale Bindung, prosoziales Verhalten und Gruppenidentifikation verarbeitet wird.

Die Forscher gehen davon aus, dass sich die Beobachtungen auch auf andere Musikstile wie Jazz oder elektronische Musik sowie auf rituelle Trommelmusik anderer Kulturen übertragen lassen. Je besser das Zusammenspiel zwischen den Instrumenten, desto klarer der Puls – und desto stärker das erzeugte Groove-Empfinden. „Diese Erkenntnisse könnten uns auch in der Neurorehabilitation helfen“, sagt Engel. Musiktherapie kommt unter anderem bei Schlaganfall-Patienten zum Einsatz, um durch die rhythmische Stimulation kognitive Fähigkeiten wie Aufmerksamkeit zu trainieren und Bewegungsabläufe wieder einzuüben. „Musik, die ein Groove-Erleben fördert, könnte sich dafür besonders eignen“, so Engel.

Quelle: Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften, Fachartikel: Annerose Engel (D’OR Institut für Forschung und Lehre, Rio de Janeiro, Brasilien) et al., Frontiers in Neuroscience, doi: 10.3389/fnins.2022.779964

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