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Wie Schlafmangel ängstlich macht

Gesellschaft|Psychologie

Wie Schlafmangel ängstlich macht
Schlafmangel beeinträchtigt offenbar die emotionale Bremsfunktion im Gehirn. (Bild: Graphic by Eti Ben Simon and Matthew Walker.)

Schlechter Schlaf macht nicht nur schlapp und unkonzentriert, verdeutlicht eine Studie: Schlafstörungen können auch die Neigung zu übertriebenen Angstreaktionen um bis zu 30 Prozent steigern. Die Forscher haben zudem Einblicke gewonnen, welche Mechanismen im Gehirn zu dieser emotionalen Schwächung führen. Der Förderung des Tiefschlafs sollte im Rahmen der Behandlung von Angststörungen mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden, lautet ihr Fazit.

Schlaf ist Balsam für die Seele, heißt es und viele Studien bestätigen diese Volksweisheit: Schlechte Schlafqualität scheint demnach ursächlich mit verschiedenen psychischen Problemen verknüpft zu sein. So haben Studien bereits ergeben, dass Schlafentzug die Neigung zu Ängstlichkeit bei ansonsten gesunden Personen erhöht. Zudem sind Schlafstörungen bekanntermaßen mit Angststörungen verknüpft. Dabei handelt es sich um die weltweit häufigsten psychischen Problematiken: Das Spektrum reicht von Beeinträchtigungen der Lebensqualität durch übertriebene Ängstlichkeit bis hin zu den drastischen Formen wie bei der posttraumatischen Belastungsstörung oder der generalisierten Angststörung. Obwohl der Zusammenhang zwischen Schlafproblemen und Angst als gut dokumentiert gilt, gibt es noch immer Unklarheiten über das Ausmaß und die zugrunde liegenden Mechanismen.

Die Angstbremse im Gehirn braucht Tiefschlaf

Der Erforschung dieses Themas haben sich nun Wissenschaftler der University of California in Berkeley intensiv gewidmet. Im Rahmen ihrer Studie haben sie die Hirnaktivität von zahlreichen Probanden mittels funktioneller Magnetresonanztomografie (fMRT) im ausgeschlafenen oder unausgeschlafenen Zustand untersucht. Während der Hirnscans wurden die Studienteilnehmer mit einem emotional aufregenden Videoclip konfrontiert. Zudem erfassten die Forscher das persönlich empfundene Angstniveau nach jeder Sitzung durch eine Befragung. Dabei zeigte sich: Eine schlaflose Nacht kann einen Anstieg des Angstniveaus um bis zu 30 Prozent auslösen. „Dies verdeutlicht erneut, wie wichtig Schlaf ist, um diesem Effekt entgegenzuwirken“, sagt Co-Autor Eti Ben Simon.

Die Untersuchung der Hirnaktivität enthüllte den Grund für die gestiegene Angst: Nach einer Nacht ohne Schlaf war der sogenannte mediale präfrontale Cortex des Gehirns auffallend inaktiv. Von dieser Hirnregion ist bekannt, dass sie eine Rolle bei der Kontrolle von Angst spielt. Stattdessen waren andere emotionale Zentren des Gehirns bei den übernächtigten Probanden überaktiv. „Bei Schlafmangel scheint es so, als läge der Druck allein auf dem emotionalen Gaspedal und die Bremsfunktion im Gehirn ist ausgeschaltet“, sagt Co-Autor Matthew Walker.

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Angst lässt sich klein schlafen

Aus den Studienergebnissen geht zudem hervor, dass der Tiefschlaf das ausschlaggebende Element für den emotional stabilisierenden Effekt darstellt. Aus Untersuchungen der Gehirnwellen schlafender Probanden ging hervor: Besonders dieser sogenannte NREM-Schlaf führt zu einer Unterdrückung von Ängstlichkeit am folgenden Tag. „Der Tiefschlaf scheint den präfrontalen Bremsmechanismus des Gehirns wiederherzustellen, der unsere Emotionen reguliert, die emotionale und physiologische Reaktivität senkt und damit die Eskalation der Angst verhindert“, sagt Simon. Sein Kollege Walker ergänzt: „Tiefschlaf scheint ein natürlicher Angsthemmer zu sein, solange wir ihn jede Nacht bekommen.“

Auf der Grundlage ihrer Ergebnisse plädieren die Wissenschaftler nun dafür, Schlaf konsequenter als ein natürliches, nicht-pharmazeutisches Mittel gegen Angststörungen zu betrachten. „Menschen mit Angststörungen berichten routinemäßig von Schlafstörungen, aber selten wird eine Verbesserung des Schlafes als geeignete Maßnahme zur Verringerung der Angst angesehen“, sagt Simon. Auch auf gesellschaftlicher Ebene deuten die Ergebnisse den Forschern zufolge darauf hin, dass die sinkende Schlafqualität und die Zunahme von Angststörungen möglicherweise ursächlich verknüpft sind. Walker meint in diesem Zusammenhang abschließend: „Die beste Brücke zwischen Verzweiflung und Hoffnung ist eine gute Nachtruhe“.

Quelle: University of California – Berkeley, Fachartikel: Nature Human Behaviour, doi: 10.1038/s41562-019-0754-8

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