Die Antibiotika-Krise zeichnet sich schon lange ab: Durch den verschwenderischen Einsatz können sich Resistenzen ausbreiten und die Medikamente damit wirkungslos machen. Wie eine Studie nun dokumentiert, verschärft sich dieses Problem offenbar weiter deutlich: Zwischen 2000 und 2015 hat der weltweite Verbrauch von Antibiotika demnach noch einmal um 65 Prozent zugelegt. Dieser Anstieg ist vor allem auf die Zunahme in Ländern mit niedrigen und mittleren Einkommen zurückzuführen. Es sind nun dringend Maßnahmen gefragt, weltweit den übermäßigen Verbrauch von Antibiotika einzudämmen, sagen die Forscher.
Seit rund 100 Jahren bilden Antibiotika das Fundament der Behandlung bakterieller Infektionen und haben Millionen von Menschen das Leben gerettet. Doch es zeigte sich: Antibiotika sind Wunderwaffen mit Halbwertszeiten, denn die Krankheiterreger können gegen sie aufrüsten. Bakterien wappnen sich durch Resistenz-Gene gegen die Wirkstoffe und verbreiten diese Erbanlagen untereinander. Erneut können Infektionen dadurch zu lebensgefährlichen Bedrohungen werden. Man hält für diese Fälle sogenannte Reserveantibiotika zurück, die noch nicht so breit eingesetzt wurden. Doch die Resistenzentwicklung wird wohl auch diese Substanzen eines Tages erreichen.
Ein wichtiger Treiber dieser Resistenzentwicklung ist der teils verschwenderische Einsatz der Antibiotika in der Medizin und der Massentierhaltung: Der Mensch begünstigt durch eine „Hau drauf“-Mentalität die Entstehung widerstandsfähiger Bakterien. Oft werden die Medikamente schlicht präventiv verabreicht oder in Fällen, in denen sie völlig unnütz sind, wie beispielsweise bei Erkrankungen, die auf Viren zurückzuführen sind. Schon lange stufen Experten die durch den übermäßigen Einsatz verursachte Bildung von Resistenzen als eine globale Bedrohung der Gesundheit ein. Wie sich der Verbrauch seit der Jahrtausendwende weltweit entwickelt hat, hat nun ein internationales Forscherteam durch die Auswertung von Daten aus 76 Ländern untersucht.
Mehr Verbrauch – mehr Gefahr der Resistenzbildung
Es zeigte sich: Unterm Strich ist der weltweite Verbrauch von Antibiotika beim Menschen um 65 Prozent gestiegen und die durchschnittliche Antibiotikakonsumrate um 39 Prozent pro 1000 Einwohner pro Tag. Zurückzuführen ist diese Entwicklung vor allem auf Länder mit niedrigen bis mittleren Einkommen, berichten die Forscher. Dort lag der Zuwachs im Verbrauch zwischen 2000 und 2015 bei 114 Prozent und bei der Konsumrate bei 77 Prozent. Der Anstieg war in diesen Ländern mit der Zunahme des Bruttoinlandsprodukts pro Kopf gekoppelt, zeigten die Auswertungen. In Ländern mit hohem Einkommen, ist der Gesamtverbrauch hingegen nur moderat gestiegen und die Konsumrate sogar um vier Prozent gefallen, zeigten die Auswertungen. Überall auf der Welt ist hingegen ist der Einsatz von Reserveantibiotika im Untersuchungszeitraum stark angestiegen, betonen die Forscher.
Letztlich spiegelt sich im Zuwachs des Verbrauchs in einkommensschwächeren Ländern durchaus auch eine gute Entwicklung wider: Da diese Länder besonders von Infektionskrankheiten betroffen sind, ist der Zugang zu Antibiotika dort besonders wichtig. Allerdings muss der Einsatz auch hier sinnvoll sein. Wenn die Entwicklungen so weitergehen wie bisher, prognostizieren die Forscher, dass im Jahr 2030 der weltweite Verbrauch von Antibiotika noch einmal um 200 Prozent im Vergleich zum Niveau von 2015 gestiegen sein wird.
Bezüglich der Entwicklung von Antibiotikaresistenzen sind dies keine guten Aussichten. „Wir müssen nun entschlossen handeln, um die Wirksamkeit von Antibiotika zu erhalten“, sagt Co-Autor Ramanan Laxminarayan vom Center for Disease Dynamics, Economics & Policy in Washington. „Dazu gehören Maßnahmen, die den Konsum reduzieren, wie Impfstoffe oder Infrastrukturverbesserungen, insbesondere in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen. Neue Medikamente können wenig zur Lösung des Resistenzproblems beitragen, wenn sie unangemessen verwendet werden, sobald sie eingeführt sind“, so der Wissenschaftler.