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Auf dem Weg zur artübergreifenden Transplantation

Gesundheit|Medizin

Auf dem Weg zur artübergreifenden Transplantation
Können Menschen künftig auch Schweineherzen transplantiert werden? (Bild: Uchar/ istock)

Spenderorgane sind weltweit knapp. Eine Möglichkeit dieses Problem zu lösen wäre, nicht nur menschliche Organe für Transplantationen in Betracht zu ziehen – sondern auch die anderer Tiere. Auf dem Weg zu diesem Ziel ist Forschern nun ein entscheidender Erfolg geglückt: Sie transplantierten gentechnisch veränderte Schweineherzen in Paviane. Die Affen überlebten bis zu sechseinhalb Monate und damit so lange wie nie zuvor. Dies weckt neue Hoffnung, solche Xenotransplantationen in naher Zukunft auch beim Menschen durchführen zu können.

Für Menschen mit akutem Organversagen oder einer schweren chronischen Erkrankung ist eine Organtransplantation oftmals die letzte Hoffnung. Doch in Deutschland warten viele Patienten vergebens auf diese Möglichkeit – nur zwei Drittel schaffen es bis zum lebensrettenden Eingriff, weil es zu wenige Spenderorgane gibt. Dies gilt auch für Patienten mit Herzschwäche im Endstadium. Um diesen schwerkranken Menschen trotzdem helfen zu können, wird deshalb auch in Deutschland seit Jahren an einer Alternative geforscht: statt menschlicher sollen Schweineherzen für die Transplantation genutzt werden. Tatsächlich haben solche Xenotransplantationen bei Tieren bereits geklappt. So setzten Forscher mehrfach gentechnisch-veränderte Schweineherzen in Paviane ein. Bisher gab es dabei allerdings ein entscheidendes Problem: Die transplantierten Tiere überlebten nie länger als 57 Tage – ein Großteil von ihnen starb sogar binnen 48 Stunden. Das ist zu kurz, um eine echte Alternative oder zumindest Übergangslösung für auf ein Spenderherz wartende Patienten zu sein.

Nun ist Matthias Längin vom Universitätsklinikum München und seinen Kollegen ein entscheidender Durchbruch gelungen: Sie schafften es, die Überlebensdauer der Affen deutlich zu verlängern. Um dies zu erreichen, gingen die Mediziner die Sache im Vergleich zu vorherigen Versuchen in einigen Punkten anders an. Anstatt die Herzen wie auch bei menschlichen Transplantationen üblich auf Eis zu legen, versorgten sie das Organ während der Implantation über eine spezielle Herz-Lungen-Maschine alle fünfzehn Minuten mit Sauerstoff und einer speziellen Nährlösung. Durch diese Perfusion gaukelten sie dem Organ in gewisser Hinsicht vor, sich noch im Körper zu befinden – und konnten so eine bessere Konservierung sicherstellen. „Das Herz schlägt dann in den Pavianen von der ersten Sekunde gut und regelmäßig“, berichtet Längins Kollege Bruno Reichert.

Gesund noch nach sechs Monaten

Der zweite Schlüssel zum Erfolg: Die Wissenschaftler erkannten, dass das Herz im Affenkörper entsprechend der Größe von Schweinen wächst – zu stark für den Brustkorb eines Pavians . Als Folge wird die benachbarte Leber gestaucht und versagt. Als Gegenmaßnahme verabreichten Längin und seine Kollegen den tierischen Probanden blutdrucksenkende Mittel sowie Wirkstoffe, die das Zellwachstum kontrollieren. Wie in früheren Versuchen auch modifizierte das Team zudem das Erbgut der Spenderschweine: Unter anderem schalteten sie bestimmte Gene bei den Tieren aus und sorgten zudem dafür, dass deren Herzen bestimmte menschliche Proteine exprimieren – zum Beispiel das für die Blutgerinnung wichtige Thrombomodulin und das sogenannte CD46. Diese gentechischen Eingriffe sollten eine akute Abstoßungsreaktion gegen die artfremden Organe verhindern.

Längin und seine Kollegen verfeinerten ihr Verfahren sukzessive an insgesamt 16 Pavianen, die in drei unterschiedliche Gruppen eingeteilt wurden. Bei der letzten Gruppe mit fünf Affen gelang ihnen schließlich der größte Erfolg: Von den fünf Tieren überlebten vier bei bester Gesundheit mindestens drei Monate lang – eines von ihnen war sogar noch nach sechseinhalb Monaten mit Schweineherz topfit. „Die Überlebenszeit und die Funktion der Schweineherzen bis zu 195 Tage ist ein Meilenstein und wurde weltweit bislang nicht durch andere Forschergruppen erreicht“, kommentiert der nicht an den Transplantationen beteiligte Ralf Tönjes vom Paul-Ehrlich-Institut in Langen. Auch die Studienautoren selbst hoffen, dass ihre Resultate nun den Weg zu einer klinischen Xenotransplantation von Schweineherzen ebnen.

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Bald erste Tests am Menschen?

Laut den Richtlinien der International Society of Heart Lung Transplantation wären erste klinische Versuche am Menschen grundsätzlich dann zu rechtfertigen, wenn in Experimenten an Pavianen 60 Prozent der Tiere drei Monate überleben und die Versuchsreihe mindestens zehn Tiere umfasst. „Die aktuelle Studie kommt diesen Kriterien bereits sehr nahe“, schreibt Christoph Knosalla vom Deutschen Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung in Berlin in einem Kommentar in „Nature“. „Der erreichte Fortschritt ist so relevant, dass erste klinische Anwendungen von Organen aus genetisch veränderten Schweinen zu erwägen sind. Allerdings sind nach diesen ersten Ergebnissen in bisher kleinen Versuchsgruppen noch eine Reihe weiterer Entwicklungsschritte bis zur klinischen Reife zu machen“, ergänzt Gustav Steinhoff von der Universitätsmedizin Rostock.

Genau das haben die Wissenschaftler nun vor: Sie werden künftig daran arbeiten, die Spenderherzen und das Prozedere der Xenotransplantation weiter zu verbessern – und hoffen auf schnelle Erfolge. Auf die Frage, wann der erste Patient im Rahmen einer klinischen Studie mit einem solchen Herzen behandelt werden könnte, antwortet Reichert: „In drei Jahren sollten wir soweit sein.“

Quelle: Matthias Längin (Universitätsklinikum München) et al., Nature, doi: 10.1038/s41586-018-0765-z

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♦ Hy|grom  〈n. 11; Med.〉 bei Schleimbeutelentzündung entstehende, wasser– od. schleimartige Geschwulst

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