Anzeige
1 Monat GRATIS testen, danach für nur 9,90€/Monat!
Startseite »

Bakterien entwickeln Toleranz gegen Kupfer

Gesundheit|Medizin

Bakterien entwickeln Toleranz gegen Kupfer
Kupfer
Auf Kupferoberflächen halten sich Bakterien normalerweise nicht lange. (Bild: FactoryTh/ iStock)

Kuper gilt als natürliches Desinfektionsmittel, das unter normalen Umständen zuverlässig schädliche Keime abtötet. Daher werden beispielsweise die Türklinken in Krankenhäuser oft mit dem Edelmetall beschichtet. Nun aber haben Forscher nachgewiesen, dass Bakterien, darunter auch der multiresistente Krankenhauskeim MRSA, unter bestimmten Bedingungen Mutationen entwickeln können, die ihnen ermöglichen, auf der antimikrobiellen Oberfläche zu überleben. Für Krankenhäuser bedeutet das: Regelmäßige zusätzliche Desinfektionsmaßnahmen sind notwendig, um solchen Mutationen vorzubeugen.

Bakterielle Infektionen werden in der Regel mit Antibiotika behandelt. Viele krankheitserregende Bakterien haben in den vergangenen Jahrzehnten jedoch immer stärkere Resistenzen gegen gängige Medikamente entwickelt. Besonders gefürchtet sind sogenannte multiresistente Bakterien, die sich mit den meisten Antibiotika überhaupt nicht mehr bekämpfen lassen. Dazu zählt zum Beispiel der Keim Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus (MRSA), der für viele langwierige Krankenhausinfektionen verantwortlich ist. Als eine wirksame Maßnahme gegen die Ausbreitung solcher Bakterien gelten Kupferoberflächen, zum Beispiel bei Türklinken. Durch ihre antimikrobiellen Eigenschaften verhindern sie, dass Bakterien darauf überleben und bei der nächsten Berührung weitergegeben werden.

Toleranzentwicklung im Test

Ein Team um Pauline Bleichert vom Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr in München hat nun untersucht, inwieweit Bakterien auch solchen eigentlich tödlichen Oberflächen trotzen können. Dazu verwendeten sie zwei typische Bakterienarten: das Darmbakterium Escherichia coli und den Krankenhauskeim MRSA. Co-Autor Dietrich Nies von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg erklärt: „Kupferoberflächen sind regelrechte Bakterienkiller. Binnen weniger Minuten sterben die meisten Bakterien ab, wenn sie auf einer Kupferoberfläche landen.“

Im Labor haben die Forscher gezielt Bedingungen geschaffen, die zur Entwicklung von Resistenzen und Toleranzen geeignet sind: Sie setzten die Bakterien zunächst jeweils nur kurz auf die Oberflächen, nahmen sie wieder herunter und ließen sie sich in einem Nährmedium erholen. Diesen Vorgang wiederholten sie mehrmals, wobei die Überlebenden schrittweise immer länger der eigentlich für sie tödlichen Oberfläche ausgesetzt wurden.

Und tatsächlich: Innerhalb von drei Wochen entwickelten sich auf diese Weise Bakterien, die mehr als eine Stunde auf Kupfer überleben konnten. „Außerhalb des Labors sind die Bedingungen natürlich nicht so ideal“, sagt Nies. „Werden Kupferoberflächen aber nicht regelmäßig gereinigt, können darauf isolierende Fettschichten entstehen, die über einen längeren Zeitraum eine ähnliche Entwicklung ermöglichen könnten.“ Doch wie schafften es die Bakterien, auf der Kupferoberfläche zu überleben? Der Mechanismus beruhte offenbar nicht auf einer verringerten Aufnahme der tödlichen Kupfer-Ionen. Diese reicherten sich in den mutierten Bakterien ebenso an wie in ihren nicht toleranten Vorfahren. Doch nur bei den nicht-mutierten Bakterien waren die Kuper-Ionen in der Lage, die Zellstrukturen zu zerstören und so die Bakterien zu töten.

Anzeige

Bakterien im Schlafmodus

Um zu klären, was dieser Toleranz zugrunde liegt, analysierten Bleichert und ihre Kollegen das Erbgut der Bakterien auf Hinweise für mögliche Resistenzen. „Ein Gen für die Resistenz gegen die tödliche Wirkung von metallischen Kupfer-Oberflächen haben wir nicht gefunden“, berichtet Nies.
Stattdessen beobachtete das Team ein Phänomen bei den überlebenden Bakterien, das in ähnlicher Form bereits seit einiger Zeit bekannt ist: Sie fahren ihren Stoffwechsel auf das absolute Minimum herunter und verfallen in eine Art Winterschlaf.

Da Antibiotika meist darauf abzielen, den Stoffwechsel wachsender Bakterien zu stören, sind sie bei diesen speziellen Bakterien, die auch als Persister bezeichnet werden, nahezu wirkungslos. „Egal, wie gut ein Antibiotikum wirkt, in jeder Generation gibt es immer eine Hand voll Persister-Bakterien“, erklärt Nies. Dabei handele es sich jedoch nicht um antibiotikaresistente Bakterien, denn ihre Nachkommen seien sehr wohl wieder anfällig für die Medikamente. Normalerweise wird nur ein sehr kleiner Teil der Bakterien zu Persistern. Bei den im Experiment isolierten Bakterien war es jedoch die ganze Population. Diese konnten zwar genauso schnell wachsen wie ihre Vorfahren, sich jedoch unter widrigen Umständen schneller als diese in den Zustand der Persistenz retten. „Die Eigenschaft haben die Bakterien auch über 250 Generationen weitervererbt, obwohl diese nicht mehr in Kontakt mit Kupferoberflächen gekommen sind“, sagt Nies.

Das Team empfiehlt deshalb, Kupferoberflächen regelmäßig und gründlich mit speziellen Mitteln zu reinigen, damit sich keine Persister-Bakterien entwickeln können. Um gezielt und effektiv gegen schädliche Bakterien vorzugehen, seien Kupferoberflächen außerdem nur ein Mittel von vielen. Sie können Antibiotika und Hygienemaßnahmen ergänzen, aber nicht ersetzen.

Quelle: Pauline Bleichert (Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr, München) et al., Applied and Environmental Microbiology; doi: 10.1128/AEM.01788-20

Anzeige

Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

  • Wie kann die Wissenschaft helfen, die Herausforderungen unserer Zeit zu meistern?
  • Was werden die nächsten großen Innovationen?
  • Was gibt es auf der Erde und im Universum noch zu entdecken?

Hören Sie hier die aktuelle Episode:

Aktueller Buchtipp

Sonderpublikation in Zusammenarbeit  mit der Baden-Württemberg Stiftung
Jetzt ist morgen
Wie Forscher aus dem Südwesten die digitale Zukunft gestalten

Wissenschaftslexikon

Son|nen|fleck  〈m. 1; Astron.〉 dunkles Gebiet auf der Sonnenoberfläche, das kälter ist als seine Umgebung; →a. Sonnenfackel … mehr

Pal|mi|tin|säu|re  〈f. 19; unz.; Chem.〉 in den meisten tierischen Fetten, bes. aber im Palmöl u. im Japanwachs vorkommende höhere Fettsäure

Ge|leits|mann  〈m. 2u; Pl. a.: –leu|te; MA〉 Angehöriger des Geleits, Begleiter als Reiseschutz

» im Lexikon stöbern
Anzeige
Anzeige
Anzeige