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Bakteriengift liefert Ansatzpunkt für neue Antibiotika

Gesundheit|Medizin

Bakteriengift liefert Ansatzpunkt für neue Antibiotika
Pseudomonas
Kolonien des Krankenhauskeims Pseudomonas aeruginosa. © ksass/ iStock

Bei der Entwicklung neuer Antibiotika orientieren sich Wissenschaftler in der Regel an Vorbildern aus der Natur. Denn im Laufe der Evolution haben Bakterien und Pilze viele Möglichkeiten entwickelt, andere Mikroorganismen abzutöten. Bei dem Krankenhauskeim Pseudomonas aeruginosa sind Forscher nun auf eine bisher unbekannte Taktik gestoßen: Während die meisten Bakteriengifte bestimmte lebenswichtige Proteine anderer Mikroorganismen angreifen oder direkt auf deren Erbgut zielen, richtet sich das neu entdeckte Toxin gegen die RNA, die die Umsetzung der Erbinformation zu Proteinen vermittelt. Die Entdeckung könnte die Entwicklung neuer Antibiotika inspirieren.

Bei Bakterien, ebenso wie bei Menschen, Tieren, Pflanzen und Pilzen, ist die Erbinformation in der DNA gespeichert. Doch auch die RNA erfüllt zahlreiche lebenswichtige Funktionen im Körper: Bei der Umsetzung des Erbguts zu Proteinen liefert die sogenannte messengerRNA (mRNA) als Kopie des entsprechenden DNA-Abschnitts den Bauplan für das jeweilige Protein. Die transferRNA (tRNA) transportiert die Aminosäuren, aus denen die Proteine aufgebaut sind, und sorgt dafür, dass sie nach der Vorlage der mRNA in der richtigen Reihenfolge zusammengesetzt werden. Dabei sorgen sogenannte Ribosomen dafür, dass mRNA und tRNA zusammenfinden und korrekt interagieren können. Die Ribosomen wiederum bestehen zum größten Teil aus ribosomaler RNA (rRNA). Weitere RNA-Moleküle, sogenannte Ribozyme, katalysieren zudem verschiedene Prozesse in der Zelle, darunter auch den Abbau gebrauchter RNA.

Angriffspunkt RNA

Ohne funktionsfähige RNA-Moleküle kann eine Zelle nicht überleben. Genau das nutzt das Bakterium Pseudomonas aeruginosa aus. Bekannt ist dieses Bakterium als Krankenhauskeim, der vor allem bei immungeschwächten Patienten Lungenentzündungen auslöst. Von Natur aus ist das Bakterium gegen zahlreiche Antibiotika resistent. Ein Team um Nathan Bullen von der McMaster University in Hamilton, Kanada, hat nun herausgefunden, dass P. aeruginosa auch selbst ein Toxin absondert, das als Antibiotikum wirkt und andere Bakterienarten abtötet – und zwar auf eine zuvor unbekannte Weise: „Unsere Forschungsarbeit zeigt, dass das Toxin auf essenzielle RNA-Moleküle anderer Bakterien abzielt und sie dadurch funktionsunfähig macht“, sagt Bullens Kollege John Whitney.

In zahlreichen Laborversuchen hat das Forschungsteam untersucht, wie genau das Toxin, genannt RhsP2, auf molekularer Ebene wirkt. Demnach handelt es sich um eine sogenannte ADP-Ribosyltransferase (ART), die in der Lage ist, kleine Anhängsel an andere Moleküle anzufügen und so deren Funktion zu beeinflussen. Nach dem gleichen Prinzip funktionieren unter anderem die Toxine der Bakterien, die Diphterie, Keuchhusten und Cholera auslösen – doch mit einem entscheidenden Unterschied: Alle bisher bekannten ART-Toxine zielen auf Proteine, nicht auf RNA.

Ansatz für neue Antibiotika?

„Die Aktivität von RhsP2 ist bemerkenswert vielseitig“, schreiben die Autoren. Unter anderem stört das Gift die Aktivität der tRNAs, die eigentlich die Bausteine für die Proteine an die richtige Stelle bringen sollen. Zudem behindert es ein Ribozym, das für den Abbau von RNA-Molekülen zuständig ist. „Infolge der Hemmung der Proteinbiosynthese und durch die Störung des Abbaus der tRNAs wird der Zelltod ausgelöst“, so die Forscher. „Insgesamt zeigen unsere Daten einen bisher unbeschriebenen Mechanismus des bakteriellen Antagonismus und enthüllen eine zuvor unbekannte Aktivität von ART-Enzymen.“

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Aus Sicht der Forscher kann diese Entdeckung dazu beitragen, eine neue Klasse von Antibiotika zu entwickeln, die die gleiche Schwachstelle ausnutzen wie das RhsP2-Toxin. Dies könnte dabei helfen, Behandlungsmöglichkeiten gegen Erreger zu finden, die gegen die meisten bisher existierenden Antibiotika resistent sind.

Quelle: Nathan Bullen (McMaster University, Hamilton, Kanada) et al., Molecular Cell, doi: 10.1016/j.molcel.2022.08.015

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