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Corona: Wie lange müssen die Maßnahmen anhalten?

Gesundheit|Medizin

Corona: Wie lange müssen die Maßnahmen anhalten?
Schutzmaske
Frau mit Schutzmaske in leerem Bus. (Bild: blackCAT/ iSTock)

Nachdem in den meisten Ländern inzwischen strenge Infektions-Schutzmaßnahmen in Kraft sind, stellt sich die Frage, wie lange diese Maßnahmen anhalten müssen. Werden wir monatelang mit Kontaktbeschränkungen und geschlossenen Schulen, Universitäten und Geschäften leben müssen? Diese Frage haben zwei Forscherteams mithilfe von Modellsimulationen untersucht. Beide kommen zu einem wenig erbaulichen Schluss: Sobald die soziale Distanzierung aufgehoben wird, wird auch das Coronavirus wieder an Boden gewinnen. Es könnte dann sogar zu einer zweiten, noch schlimmeren Welle der Covid-19-Fälle kommen.

Noch immer breitet sich das Coronavirus Sars-CoV-2 weiter aus. Während die Zahl der Neuinfektionen in Südkorea, China und dem Iran inzwischen deutlich zurückgegangen ist, steigen die Covid-19-Fallzahlen in Europa und vor allem in den USA noch immer stark. Um eine Überlastung der Gesundheitssysteme zu vermeiden, haben die meisten Länder inzwischen strenge Infektionsschutzmaßnahmen eingeführt. Dazu gehören die 14-tägige Quarantäne von Covid-Erkrankten und Verdachtsfällen, aber auch das Verbot von Veranstaltungen, die Schließung von Schulen, Universitäten, nicht essenziellen Geschäften und Gaststätten. Zudem gilt das Gebot der sozialen Distanzierung, in manchen Ländern und besonders betroffenen Gebieten wurden sogar Ausgangssperren verhängt. Epidemiologen sind sich darin einig, dass es nur mit solchen drastischen Eingriffen in den Alltag gelingen kann, die Zahl der Neuansteckungen zu verringern und so die Infektionskurve flach zu halten.

Kontaktsperre über Monate nötig

Doch diese Maßnahmen gegen die Pandemie haben erhebliche negative Folgen für das öffentliche Leben, die Gesellschaft und die Wirtschaft. Daher stellt sich die Frage nach der Dauer dieses Ausnahmezustands: Wie lange müssen wir in diesem „Stillstand“ verharren, um die Pandemie einzudämmen? Und was passiert, wenn die strengen Maßnahmen wieder gelockert werden? Einen ersten Anhaltspunkt dazu lieferte vor kurzem ein Forscherteam um Neil Ferguson vom Imperial College London mithilfe einer Modellsimulation. Sie hatten am Beispiel von Großbritannien und den USA untersucht, wie wirksam Quarantäne, Schulschließungen, sowie die soziale Distanzierung entweder nur der gefährdeten Risikogruppen oder aber der gesamten Bevölkerung sind. Dabei zeigte sich, dass Quarantäne und die soziale Isolierung der Vorerkrankten und Älteren zwar die Zahl der Schwerkranken in den Intensivstationen um rund zwei Drittel verringern. Die weitere Ausbreitung des Coronavirus ließe sich allein damit aber nicht stoppen.

Dies gelingt nur, wenn die gesamte Bevölkerung Kontakte vermeidet und die Schulen geschlossen bleiben, wie die Forscher berichten. Dann kommt es rund drei Woche nach Beginn der Maßnahmen zu einem Absinken der Fallzahlen und die Übertragungsrate – die sogenannte Reproduktionszahl – sinkt unter 1. Das bedeutet, dass jeder Infizierte weniger als eine weitere Person ansteckt und die Ausbreitung des Virus dadurch zum Erliegen kommt. Doch die Modellsimulation ergab leider auch, dass diese strengen Maßnahmen mindestens drei Monate anhalten müssen – und dass bis zum Einsatz eines Impfstoffs gegen Sars-CoV-2 mindestens ein Teil der Maßnahmen bestehen bleiben müssen. Weil nach Lockerung der flächendeckenden sozialen Distanzierung die Fallzahlen zudem wieder steigen, muss diese strenge Kontaktsperre wahrscheinlich immer wieder zeitweise eingeführt werden.

Explosiver Wiederanstieg bei Ende der Maßnahmen

Zu ähnlichen Ergebnissen kommt ein Forscherteam um Niki Popper von der Technischen Universität Wien und deren Spin-Off dwh Simulation Services. Sie haben ein komplexes Modell entwickelt, das die Populationsstruktur in Österreich, das Infektionsverhalten des Coronavirus und das typische Ausmaß der Kontakte von Menschen am Arbeitsplatz, in der Schule und in anderen sozialen Situationen abbildet. Als reales Vorbild für dieses Szenario diente die Bevölkerung der Stadt Wien. „Im Modell ist somit jeder reale Mensch durch ein virtuelles Abbild, das heißt einen Digital Twin vertreten“, erklären die Forscher. „Das Konzept des Digital Twin gibt dem Modellierer nun
vollständige Freiheit um in diesem virtuellen Wien unterschiedliche
(Prognose-) Szenarien zu evaluieren.“ Das Grundszenario bildet den aktuellen Zustand ab: Schulen, Hochschulen, viele Geschäfte und rund 25 Prozent der Arbeitsstätten sind geschlossen, außerdem gelten Kontaktbeschränkungen. Dadurch haben sich Freizeitkontakte um rund 50 Prozent reduziert.

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Die Simulation ergab: Wenn diese Maßnahmen anhalten, sinken die Covid-Fallzahlen über den Sommer hinweg kontinuierlich weiter ab. Ähnliches würde eintreten, wenn Arbeitsstätten wie zum Beispiel Geschäfte nach Ostern wieder geöffnet wären, aber die Kontaktsperren und Schulschließungen weiter anhalten. Der Rückgang der Krankheitszahlen wäre dann langsamer, aber das Gesundheitssystem käme nicht an seine Belastungsgrenze, wie die Forscher berichten. Ganz anders wären dagegen die Folgen, wenn man nach zunächst erfolgreichem Rückgang der Neuinfektionen wieder alle Maßnahmen aufheben würde: „Sofort wieder zum gewohnten Alltag zurückzukehren, wäre jetzt falsch“, betont Popper. „Wenn die Kontaktzahl sofort wieder auf das früher übliche Niveau ansteigt, dann wird auch die Zahl der Krankheitsfälle sehr rasch wieder zunehmen, so ähnlich wie sich ein zusammengedrückter Schwamm sofort wieder ausdehnt, wenn man den Druck wegnimmt.“

Zweite Welle droht

Die Folge solcher verfrühten und zu umfassenden Lockerungen wäre eine zweite Corona-Welle, die sogar noch schwerwiegender ausfallen könnte als die aktuelle, wie die Forscher warnen. Eine solche zweite Ausbruchswelle würde schon dann drohen, wenn ab Ostern die Arbeitsstätten und ab 4. Mai die Schulen in Österreich wieder geöffnet werden. Selbst wenn die sonstigen Kontaktbeschränkungen gültig bleiben, könnte dies zu einem Anstieg der Covid-Fälle führen, der das gegenwärtige Ausmaß übersteigt. Popper und ihr Team empfehlen daher eine Art Fahren auf Sicht: In den nächsten Wochen und Monaten könnte man die Maßnahmen schrittweise zurücknehmen und sie sofort wieder verschärfen, wenn sich ein neuer Anstieg der Fallzahlen ankündigt. „Freilich sind langfristige Prognosen immer mit einer gewissen Unsicherheit behaftet“, betont Popper. „Es ist wichtig, die Modelle Woche für Woche weiter zu verbessern und an das neueste Datenmaterial anzupassen. Je mehr wir über die Ausbreitung von Covid-19 lernen, umso zuverlässiger wird auch unser Blick in die Zukunft sein.“

Quelle: Imperial College London, doi: 10.25561/77482; Technische Universität Wien

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