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Dr. Rob – mehr als ein Flop?

Gesundheit|Medizin Technik|Digitales

Dr. Rob – mehr als ein Flop?
In etlichen Operationssälen gehen Roboter den Chirurgen zur Hand. Sie sollen dem Operateur die Arbeit erleichtern, die Präzision der Eingriffe erhöhen und dadurch Schmerzen und Nachwirkungen für den Patienten lindern. Doch der Nutzen der Automaten ist umstritten.

Wie Dr. Rob heute operiert

Am 16. April war feierabend für Robodoc: Die Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik (BGU) in Frankfurt am Main stellte die Arbeit mit dem stählernen Chirurgen, der bei Hüft- und Kniegelenksoperationen eingesetzt wurde, vorläufig ein. Vorangegangen waren monatelange, teils erbittert geführte Auseinandersetzungen um Nutzen und Gefahren des Operationsroboters (bild der wissenschaft 4/2004, „Kein Nutzen erkennbar“). So hatten niederländische Orthopäden Patienten davor gewarnt, künstliche Hüftgelenke in deutschen Kliniken implantieren zu lassen, an denen dazu Roboter verwendet werden. Am Land-gericht Frankfurt laufen derzeit 14 Beweisverfahren, die klären sollen, ob der Einsatz von Robodoc für Folgeschäden nach dem Einsetzen eines Hüftgelenk-Implantats verantwortlich ist.

Allein der Freiburger Rechtsanwalt Jochen Grund vertritt fast 300 ehemalige Patienten aus ganz Deutschland, die nach einem Eingriff per Roboter über schwer wiegende Komplikationen klagen und sich zum Teil nur noch hinkend oder an Krücken fortbewegen können. Die Ursache: Bei dem Eingriff durch den Roboter – der, anders als ein menschlicher Operateur, keinerlei Fingerspitzengefühl besitzt und bei seiner Arbeit stur nach einem vorgegebenen Programm vorgeht – wurden Muskeln oder Nerven durchtrennt oder beschädigt. „Vier gerichtliche Klagen sind derzeit anhängig“, berichtet Grund. Dabei geht es um Schadensersatzforderungen und je 25 000 Euro Schmerzensgeld.

Die Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik in Frankfurt ist ein Vorreiter beim Einsatz von Robodoc. 1994 setzte sie als weltweit erste Klinik routinemäßig künstliche Hüftgelenke mit Roboter-Unterstützung ein. Über 6000 Hüftoperationen leistete Robodoc seitdem an der BGU – das ist etwa die Hälfte aller per Roboter ausgeführten Eingriffe an der Hüfte in Deutschland, allerdings nur ein kleiner Teil der insgesamt jährlich rund 160 000 Hüftoperationen hierzulande. Seit März 2000 wurden in Frankfurt zudem mehrere Hundert Kniegelenke per Roboter durch eine Prothese ersetzt.

Prof. Martin Börner, Ärztlicher Direktor der BGU, hält die Vorwürfe gegen den Operationsroboter für ungerechtfertigt. Er hebt stattdessen seine Vorteile hervor: Durch die im Vergleich zu einem Chirurgen höhere Präzision, mit der Robodoc ein künstliches Gelenk implantieren kann, sitzt die Prothese besser als nach einer konventionellen Operation. Dadurch, sagt der Mediziner, kann der Patient die Prothese schneller voll belasten, es treten seltener Beschwerden nach der Operation auf, und das zementfrei eingepasste künstliche Gelenk hat eine längere Lebensdauer. „ Während selbst erfahrene Operateure per Hand lediglich einen Flächenkontakt von 30 bis 35 Prozent zwischen Prothese und Oberschenkelknochen schaffen, wird mit dem stählernen Assistenten ein Flächenkontakt von 95 bis 98 Prozent erreicht“, sagt Börner. Eine größere Berührungsfläche wiederum bedeutet nach Ansicht von Börner: Das Knochengewebe kann besser mit der Prothese verwachsen, wodurch sich das künstliche Gelenk nicht so leicht wieder lockert.

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Den größten Nutzen des Robotersystems sieht Martin Börner jedoch in der Möglichkeit, den Ablauf der Operation vor dem Eingriff an einem dreidimensionalen Modell exakt zu planen. Dazu wird das Hüftgelenk zunächst per Computertomographie präzise vermessen. Ausgehend von den dabei gewonnenen Daten kann der Arzt am Bildschirm die am besten geeignete Prothese aus einem Katalog auswählen und ihren Sitz überprüfen und optimieren. Daraus wird die optimale Bahn für das Ausfräsen des Oberschenkelknochens berechnet, in den die Prothese eingepasst werden muss. Der Roboter übernimmt die Planungsdaten und fräst automatisch das Prothesenprofil in den Knochen. Während beim Einsetzen per Hand nach dem Ausfräsen ein bis zu ein Millimeter dicker Spalt zwischen Knochen und Implantat bleibt, erreicht Robodoc eine Passgenauigkeit von einem Zehntelmillimeter im Abstand und einem Zehntel Grad in der Drehung, schwärmt Börner.

Daher will man an der BGU die Einstellung der Arbeit mit dem OP-Roboter auch nicht als Eingeständnis von Schuld oder eines Versagens von Robodoc verstanden wissen. „Wir sind weiterhin von der Richtigkeit der Methode überzeugt“, betont BGU-Geschäftsführer Joachim Berger. Man wolle mit dem Stopp der Roboteroperationen die emotional aufgeladene Situation lediglich wieder auf eine sachliche Ebene bringen.

Doch den Nutzern von Robodoc weht seit kurzem auch von Seiten der Krankenkassen ein eisiger Wind ins Gesicht: Im Auftrag der Barmer Ersatzkasse hat der Medizinische Dienst der Spitzenverbände der Krankenkassen (MDS) die Methode des roboterunterstützten Fräsverfahrens an Oberschenkel oder Hüftgelenk genauer unter die Lupe genommen. Das Fazit der MDS-Experten: Die Anwendung von Robodoc besitzt „weiterhin den Charakter eines experimentellen Verfahrens“. Aussagekräftige Studien zum Nutzen der Technologie gebe es kaum, Langzeitergebnisse über die Folgen des Robotereinsatzes lägen nicht vor. „Eine Überlegenheit des Verfahrens gegenüber der handgefrästen Implantation kann weder für die Funktion noch für die Standzeit der Endoprothesen gezeigt werden“, folgert der MDS in seinem Gutachten. Tendenziell sei im Vergleich zur manuellen Implantation sogar eine Häufung von operationsspezifischen Komplikationen nachweisbar. Da eine Hüftoperation durch den Roboter zudem deutlich teurer ist und rund doppelt so lange dauert wie das Einpassen der Prothese per Hand, erscheint die Zukunft von Robodoc, den außer der BGU deutschlandweit rund zwei Dutzend weitere Kliniken besitzen, nach den Resultaten des MDS mehr als ungewiss.

Neben Robodoc tun etliche auf andere Aufgaben spezialisierte Roboter ihren Dienst im Operationssaal: Sie kommen vor allem bei minimal-invasiven Eingriffen im Bauch- und Brustraum zum Einsatz. Bei dieser auch als Schlüsselloch-Chirurgie bezeichneten Art von Eingriff operiert der Arzt nicht durch einen großen offenen Schnitt, sondern durch mehrere sehr kleine Öffnungen im Körper. Der operierte Bereich wird dabei durch ein eingeführtes Endoskop beleuchtet und gefilmt, und der Chirurg betrachtet das Kamerabild während des Eingriffs auf einem Monitor. Für den Patienten bringt die Schlüsselloch-Chirurgie etliche Vorteile: Die Wunden sind kleiner, die Operation zieht weniger Schmerzen nach sich, und die Genesung geht meist deutlich schneller vonstatten. Der Operateur hingegen ist durch den winzigen Zugang in den Körper bei seiner Arbeit behindert: Er hat keinen direkten Blick mehr auf das operierte Gewebe, seine Bewegungsmöglichkeiten mit den Operations-Instrumenten sind eingeschränkt, und ein Tasten und Fühlen mit den Fingern ist unmöglich. Diese deutlichen Nachteile sollen Roboter, die den Arzt bei einem minimal-invasiven Eingriff unterstützen, aus der Welt schaffen.

Als mechanische Helfer für die Schlüsselloch-Chirurgie stehen zwei Robotersysteme zur Auswahl, die beide von den seit Frühjahr 2003 zusammengeschlossenen US-amerikanischen Unternehmen Intuitive Surgical und Computer Motion vertrieben werden: da Vinci und Zeus. Beide Systeme sind im Wesentlichen gleich aufgebaut und arbeiten auf ähnliche Weise. Der Chirurg sitzt an einer Konsole, meist einige Meter vom Operationstisch entfernt. Über zwei Hebel steuert er die Operations- Instrumente, die an den Spitzen zweier dünner Stäbe aus rostfreiem Stahl angebracht sind und von Roboterarmen über dem Operationstisch durch Öffnungen in der Größe etwa einer Cent-Münze in den Körper des Patienten eingeführt werden. Bewegt der Operateur einen der Joysticks, sendet ein Computer ein entsprechendes Signal an einen der Roboterarme, der das Instrument synchron zur Bewegung der Hände im Körper lenkt. Ein dritter Arm bewegt das Endoskop mit der Kamera. Seine Bewegung lässt sich per Fußpedal oder durch Sprachbefehle steuern. An einem Monitor sind der operierte Körperbereich und die eingeführten Instrumente dreidimensional dargestellt.

Der Vorteil solcher Systeme: Sie erlauben das Operieren mit sehr hoher Präzision. „Auf diese Weise verstärken sie die Geschicklichkeit des Chirurgen“, verspricht Dr. Yulun Wang, Gründer und Chefingenieur von Computer Motion. Zudem wird dem Operateur seine Arbeit durch die ergonomisch angenehmere Haltung erleichtert – sitzend an der Konsole statt stehend und über den Patienten gebeugt. „Das reduziert die Gefahr einer Ermüdung des Operateurs“, sagt Wang. Sollte der Chirurg während einer Operation, die bei einem komplizierten Eingriff mehrere Stunden dauern kann, zittrige Hände bekommen, sorgt ein so genannter Tremor-Filter dafür, dass das keinen Schaden anrichten kann. Der Filter ignoriert das Zittern und glättet die Bewegung der Hände beim Übertragen an die Roboterarme mit dem Operationsbesteck. Dadurch kann ein Roboter stets absolut ruhig und gleichmäßig arbeiten.

„Wichtig ist das vor allem in der Herzchirurgie, wo äußerst hohe Anforderungen an die Präzision gestellt werden“, weiß Prof. Alois Knoll, Roboter-Experte am Lehrstuhl für Informatik der TU München. Neben Bauchoperationen, etwa zum Entfernen der Gallenblase, sind Eingriffe am Herzen zum Legen eines Bypasses heute Anwendungen der Operationsroboter da Vinci und Zeus. „ Minimal-invasiv ausgeführte Bypass-Operationen wurden erst möglich, als Roboter zur Verfügung standen, die neben einer 3D-Optik über einen Tremor-Filter verfügen“, betont Knoll. Die Nutzung der Schlüsselloch-Technik in der Herz- Chirurgie bedeutet für die Patienten eine enorme Entlastung: Denn mit der herkömmlichen Operationsmethode musste dazu der gesamte Brustkorb brachial aufgesägt werden.

Ein weiterer Pluspunkt der roboterunterstützten Operationstechnik: Die Steuerbewegungen lassen sich bei der Übertragung an die Instrumente skalieren. Das bedeutet: Die Bewegungen des Chirurgen werden per Computer um einen bestimmten Faktor verkleinert. Dadurch lassen sich weitaus feinere Gewebe-strukturen bearbeiten als direkt per Hand.

Nicht zuletzt aber versprechen sich die Kliniken durch den Einsatz von Robotern eine Kostenersparnis. Sie sollen künftig – wenn sie mit weiteren Fähigkeiten ausgestattet werden und dann beispielsweise automatisch das benötigte Operationsbesteck reichen können – einen Teil der OP-Schwestern ersetzen, die bislang noch bei jeder Operation zugegen sind. Dazu müssen sich allerdings zunächst die enorm hohen Anschaffungskosten der Geräte amortisieren. So kostet ein OP-Roboter der Marke da Vinci über eine Million Dollar.

Derzeit sind nach Angaben der Herstellerfirma Intuitive Surgical in Europa, den USA und Japan etwa 210 Exemplare von da Vinci in weltweit über 100 Kliniken im Einsatz. Die Zahl der Zeus-Roboter dürfte sich in einer ähnlichen Größenordnung bewegen. Insgesamt zählte die International Federation of Robotics (IFR) Ende 2002 weltweit rund 2200 Operationsroboter. Bis zum Jahr 2006 soll ihre Zahl nach Schätzungen des IFR auf über 8000 steigen. Der Umsatz mit Medizinrobotern betrug 2002 allein in den USA etwa 186 Millionen Dollar. Bis 2009 soll er sich laut einer Prognose des Marktforschungsinstituts Frost & Sullivan auf 600 Millionen Dollar mehr als verdreifachen.

Viele Systeme befinden sich noch im Forschungsstadium. Zum Beispiel Minerva: ein Roboter, den Wissenschaftler der École Polytechnique Fédérale (EPFL) im schweizerischen Lausanne entwickelt haben und der in der stereotaktischen Neurochirurgie zum Einsatz kommen soll. Bei dieser Art von Eingriff wird eine dünne Sonde über ein kleines Bohrloch in der Schädeldecke ins Gehirn eingeführt, wo es tief liegende Hirnregionen millimetergenau ansteuert und bearbeitet – etwa um Gewebeproben zu entnehmen oder um Elektroden zu implantieren. Dabei ist eine extrem hohe Präzision erforderlich: Bruchteile von Millimetern können über Erfolg oder Misserfolg des Eingriffs entscheiden. Minerva ist in der Lage, solche Operationen programmgesteuert auszuführen, während der Patient gleichzeitig in einem Computertomographen liegt. Mit den damit gemachten Röntgenbildern kann der Chirurg der Position der Instrumente folgen und den Ablauf der Operation überwachen.

Wie Dr. Rob in den OP-Saal einzog

Es begann, wie so oft, mit einem Anliegen des Militärs. Im Krieg verwundete Soldaten sollten quasi per Fernsteuerung von einem außerhalb des Gefechtsfeldes befindlichen Chirurgen operiert werden können. Mitte der achtziger Jahre startete die US-Regierung daher ein Forschungsprogramm mit dem Ziel, ein dafür geeignetes System zu entwickeln. Selbst Astronauten im All, so die Vorstellung, könnte man mit so genannter Telechirurgie von der Erde aus behandeln. An dem Forschungsprogramm waren neben der NASA verschiedene Forschungseinrichtungen und Universitäten in den USA beteiligt.

Das Resultat waren Operationsroboter wie Zeus, den die Firma Computer Motion 1998 auf den Markt brachte, und da Vinci von Intuitive Surgical, der etwa zur selben Zeit als Produkt in Serie ging. Mit ihnen lassen sich chirurgische Eingriffe von einer im Prinzip beliebig weit vom Operationstisch entfernten Steuerkonsole aus bewerkstelligen. Der erste funktionsfähige Roboter für ferngesteuerte Operationen entstand jedoch in Deutschland – konstruiert von Wissenschaftlern des Forschungszentrums Karlsruhe (FZK) gemeinsam mit Medizinern der Uniklinik Tübingen. „Artemis“ bestand, wie die beiden amerikanischen Roboter, aus einem Steuerpult und mehreren per Datenleitung damit verbundenen Roboterarmen. 1995 wurde Artemis erstmals der Öffentlichkeit präsentiert, in zahlreichen Tests stellte das System danach seine Praxistauglichkeit unter Beweis. Dennoch wurde der OP-Roboter nicht zu einem marktfähigen Produkt weiterentwickelt – „da sich die deutsche Industrie nicht bereit gefunden hat, innovations- und risikobereit in die Umsetzung von Artemis in ein vermarktbares Produkt einzusteigen“, wie Dr. Udo Voges und Dr. Elmar Holler vom Institut für Angewandte Informatik des Forschungszentrums Karlsruhe beklagten.

Auch wenn daher heute fast ausschließlich amerikanische Unternehmen Geld mit dem Verkauf von OP-Robotern verdienen, waren zumindest die Kliniken in Deutschland bei der Nutzung der Geräte führend. So realisierte Prof. Friedrich-Wilhelm Mohr, Direktor der Klinik für Herzchirurgie des Herzzentrums Leipzig, am 25. Mai 1998 als erster weltweit eine Bypass-Operation am Herzen mit Hilfe eines da-Vinci-Roboters. Ein Pionier bei der Anwendung der inzwischen heftig umstrittenen Roboter zum Einsetzen künstlicher Hüftgelenke war Prof. Martin Börner von der Frankfurter Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik. Der dafür verwendete Robodoc von ISS wird seit 1992 angeboten.

Wie es weitergeht mit Dr. Rob

Während die Telechirurgie den Anstoß zur Entwicklung der derzeit eingesetzten Operationsroboter gegeben hatte, scheint ihre routinemäßige Anwendung über weite Entfernungen hinweg immer noch utopisch. Das größte Hindernis dabei ist die Verzögerung der Signale, die zwangsläufig auftritt, wenn sie zwischen der Steuerkonsole und den Roboterarmen über-tragen werden. Auch der Transport der Kamerabilder in umgekehrter Richtung zwischen Endoskop und Konsole benötigt eine bestimmte Zeit. Um ein sicheres Arbeiten zu ermöglichen, darf die Verzögerung nicht mehr als etwa 100 Millisekunden betragen, haben Wissenschaftler am Forschungszentrum Karlsruhe herausgefunden. Das limitiert die maximal mögliche Entfernung auf einige Dutzend bis ein paar Hundert Kilometer.

Dass sich ferngesteuerte OP-Roboter weiter ausbreiten werden, steht bei vielen Experten dagegen außer Zweifel. So glaubt Prof. Markus W. Büchler, Ärztlicher Direktor der Abteilung für Allgemeine und Viszeralchirurgie der Chirurgischen Uniklinik Heidelberg, dass die Nutzung von OP-Robotern „in absehbarer Zeit zum Standardprogramm großer chirurgischer Kliniken gehören wird“. Dazu beitragen könnten technische Verbesserungen, an denen die Hersteller der Geräte zurzeit feilen. So soll es Chirurgen künftig möglich sein, durch einen in die Roboterarme integrierten künstlichen Tastsinn das operierte Gewebe wie mit den Händen und Fingern so zu fühlen, als ob sie es tatsächlich berühren würden. Operationen am schlagenden Herzen mit bislang unvorstellbarer Präzision soll die Technologie „virtuelle Stille“ ermöglichen. Sie synchronisiert die Bewegungen der Operationsinstrumente exakt mit der Bewegung des Herzmuskels – und erzeugt so die Illusion eines völlig unbeweglichen Herzens.

„Verbesserte Techniken zur naturgetreuen Simulation der menschlichen Anatomie und Physiologie werden zudem dazu führen, dass Roboter künftig zum Training von Chirurgen eingesetzt werden“ , ist Computer-Motion-Chefingenieur Wang überzeugt. So wie Piloten am Flugsimulator trainieren, bevor sie in ein reales Flugzeug steigen, würden dann Ärzte zunächst am OP-Simulator die bei einer Operation entscheidenden Handgriffe erlernen und Erfahrungen sammeln. Sie könnten zum Beispiel per Simulation am Roboter üben, wie sich seltene Komplikationen bei Operationen meistern lassen.

In einem Punkt sind sich fast alle Mediziner einig: Roboter werden stets nur als Unterstützung für die Chirurgen dienen – ersetzen können sie den Menschen im Operationssaal und am Krankenbett nicht. ■

Ralf Butscher

Ohne Titel

„Eine automatische Maschine, die dem Aussehen des Menschen nachgebildet ist oder die Funktionen des Menschen ganz oder teilweise übernimmt“ – so umschreibt der Brockhaus einen Roboter. Bei klinischen Anwendungen nimmt man es mit dieser Definition nicht ganz so genau. Zur Kategorie der Medizinroboter werden Laborroboter, die parallel Hunderte von Labortests erledigen, ebenso gezählt wie mobile Automaten, die Patienten mit Essen und Arznei versorgen, sowie hoch komplexe Geräte zur Unterstützung des Chirurgen bei einer Operation. Bei den Chirurgierobotern wiederum lassen sich autonom arbeitende Geräte von Systemen unterscheiden, die dem Operateur bei einem Eingriff lediglich assistieren. Autonome Roboter werden beispielsweise zum Einpassen von Hüft- oder Kniegelenk-Prothesen eingesetzt, wo sie die Operationsschritte selbstständig nach einem programmierten Ablauf verrichten. Systeme, die etwa bei Eingriffen im Bauchraum oder am Herzen verwendet werden, arbeiten dagegen per Fernsteuerung durch den Chirurgen. Sie dienen als dessen „verlängerter Arm“, indem sie seine Bewegungen an einem Steuerpult mit hoher Präzision im Operationsbereich am Patienten ausführen.

Ohne Titel

Ein unscheinbarer Geselle ist RoboDent. Das von dem gleichnamigen Berliner Unternehmen angebotene Robotersystem assistiert beim Implantieren künstlicher Zähne. RoboDent besteht aus einem PC mit einem kleinen Monitor, einer speziellen Planungssoftware und einem Infrarot-Sensorsystem. Die Sensoren messen die Ausrichtung des Bohrers im Mund des Patienten auf Zehntelmillimeter genau. Dadurch kann die Planung für das Einsetzen eines Implantats, die zuvor am Rechner erstellt wurde, exakt auf den Kiefer des Patienten übertragen werden. Der Zahnarzt sieht während des Eingriffs auf dem Bildschirm, wie er den Bohrer zu führen hat. Auf diese Weise lassen sich Stifte, mit denen das Implantat im Kiefer befestigt wird, exakt parallel einsetzen, und der Arzt kann so den Zahnersatz passgenau montieren.

Ohne Titel

Nicht nur am Operationstisch sind Roboter zugange. In etlichen Kliniken in den USA kurven automatische Krankenschwestern namens Pyxis HelpMate der Firma Cardinal Health durch die Gänge. Die Roboter transportieren selbstständig Mahlzeiten, Bettlaken und Medikamente durch die Klinik – und sollen so das Pflegepersonal von lästigen Routineaufgaben entlasten. Sie können völlig autonom navigieren und sogar ohne menschliche Hilfe Aufzüge rufen und benutzen.

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