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„Düsseldorf-Patient“ von HIV und Leukämie geheilt

Gesundheit|Medizin

„Düsseldorf-Patient“ von HIV und Leukämie geheilt
HIV
Dank einer Stammzelltherapie ist der "Düsseldorfer Patient" nun HIV-negativ. © Gam1983/ iStock

Mit Hilfe einer Stammzelltransplantation ist es Forschern gelungen, einen krebskranken HIV-Patienten von beiden Erkrankungen zu heilen. Damit ist der „Düsseldorf-Patient“ der dritte Mensch weltweit, der erfolgreich von HIV geheilt wurde. Zehn Jahre nach der Transplantation und vier Jahre nach Absetzen der antiretroviralen Medikamente ist weiterhin kein vermehrungsfähiges HI-Virus in seinen Zellen nachweisbar. Obwohl eine Stammzelltransplantation aufgrund der schweren Nebenwirkungen nicht für HIV-Erkrankte ohne Krebs in Frage kommt, sind die Ergebnisse ein wichtiger Schritt auf dem Weg, HIV auch bei anderen Patienten zu heilen.

Eine Infektion mit dem humanen Immundefizienz-Virus HIV gilt bislang als nahezu unheilbar. Antiretrovirale Medikamente können zwar die Vermehrung des Virus so weit ausbremsen, dass Patienten mit gut eingestellter Therapie nahezu keine Viruslast im Blut aufweisen und keine Aids-Symptome entwickeln. Doch da das Virus sein eigenes Erbgut in die DNA unserer Immunzellen einbaut, hat es ein dauerhaftes Reservoir im Körper. Bei Absetzen der Therapie kann es sich daher wieder vermehren und unbehandelt dann zum vollen Krankheitsbild der tödlichen Immunschwäche Aids führen.

Stammzellspende mit Genmutation

Zum dritten Mal weltweit berichten Forscher nun darüber, einen HIV-Patienten erfolgreich geheilt zu haben. Bei dem heute 53 Jahre alten Mann wurde im Jahr 2008 eine HIV-Infektion festgestellt. Drei Jahre später erhielt er zudem die Diagnose Akute Myeloische Leukämie – eine lebensbedrohliche Form von Blutkrebs. Wenn eine Chemotherapie nicht hilft, besteht die letzte Hoffnung für Betroffene in einer Stammzelltransplantation. Dabei wird das eigene, erkrankte Knochenmark des Patienten durch eine starke Chemotherapie und Bestrahlung zerstört, bevor er aufgereinigte Blutstammzellen eines passenden Spenders bekommt.

Auch der Düsseldorfer Patient benötigte eine solche Stammzelltransplantation, wie das betreuende Forschungsteam um Björn-Erik Jensen von der Universitätsklinik Düsseldorf berichtet. „Ziel der Transplantation war von Beginn an, sowohl die Leukämie als auch das HI-Virus in den Griff zu bekommen“, sagt Jensens Kollege Guido Kobbe, der die Transplantation durchgeführt hat. Und tatsächlich fand sich eine passende Stammzellspenderin mit einer genetischen Besonderheit: Sie trägt eine Mutation im CCR5-Gen, die dafür sorgt, dass die Andockstelle für HIV auf den Immunzellen fehlt. Träger dieser sogenannten CCR5 delta32-Mutation sind daher weitgehend immun gegen HIV.

Transplantation heilt HIV

Der Versuch, einen HIV-positiven Leukämie-Patienten durch eine solche Stammzelltransplantation von beiden Krankheiten zugleich zu heilen, gelang erstmals 2007. 2009 wurden die Ergebnisse veröffentlicht und der Patient ging als „Berliner Patient“ in die Medizingeschichte ein. 2016 gelang die Heilung von HIV und Leukämie bei einem weiteren Patienten, dem „Londoner Patient“. Beide Männer blieben nach der Transplantation auch nach Absetzen der HIV-Medikamente HIV-negativ.

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Im Falle des heute 53-Jährigen, der nun als „Düsseldorf-Patient“ bezeichnet wird, wollten die behandelnden Ärzte auf Nummer sicher gehen. Auch nach erfolgreicher Transplantation nahm er seine HIV-Medikamente fast sechs Jahre lang weiter. Erst 2018 setzte er die Therapie in Absprache mit dem Ärzteteam ab. Die Forscher überwachten dabei engmaschig seine Blutwerte und beobachteten, ob sich das HI-Virus wieder vermehrt. In einzelnen Proben entdeckten sie Spuren des HIV-Erbguts, doch Beobachtungen über vier Jahre hinweg zeigten, dass sich das Virus nicht mehr vermehrte und es auch keine immunologischen Hinweise auf fortbestehende HI-Viren gab. „Das sind starke Hinweise darauf, dass HIV tatsächlich geheilt wurde“, schreiben die Forscher.

Anstöße für weitere Forschung

Jensens Kollege Tom Lüdde erklärt: „Unser Team hat sich für ein sehr vorsichtiges und extrem gründliches Vorgehen entschieden. Im Fokus stand natürlich, so den größtmöglichen Nutzen für unseren Patienten zu erreichen. Darüber hinaus war es auch unser Ziel, maßgeblich zum Verständnis der Erfolgsfaktoren einer solchen Therapie beizutragen.“ Zu diesem Zweck hat das Team den gesamten Verlauf im Detail dokumentiert und liefert damit auch eine bisher einzigartige Grundlage, die Mechanismen der Heilung genau zu verstehen.

„Wir können nach unserer intensiven Forschung jetzt bekräftigen, dass es grundsätzlich möglich ist, durch Kombination von zwei wesentlichen Methoden die Vermehrung des HI-Virus nachhaltig zu unterbinden“, sagt Jensen. Zum einen müsse das Virus-Reservoir in den Immunzellen des Patienten weitgehend entleert werden – in diesem Fall durch die Zerstörung des patienteneigenen Knochenmarks. Zum anderen müsse dann die HIV-Resistenz des Spender-Immunsystems auf den Empfänger übertragen werden, sodass auch möglicherweise im Körper verbliebene Reste des Virus keine Chance haben, sich erneut zu vermehren. „Jetzt muss man weiter erforschen, wie das auch außerhalb der von uns beschriebenen engen Rahmenbedingungen möglich ist“, so Jensen.

Therapie mit gravierenden Nebenwirkungen

Für Patienten, die nicht ohnehin auf eine Stammzellspende angewiesen sind, kommt das bisherige Verfahren nicht in Frage: „Eine Knochenmarktransplantation bedeutet für den Patienten ein signifikantes Risiko schwerer, manchmal auch tödlicher Nebenwirkungen“, erklärt Boris Fehse vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, der nicht an der Studie beteiligt war. „Dieses Risiko ist vor dem Hintergrund einer unausweichlich tödlich verlaufenden Blutkrebserkrankung akzeptabel, nicht jedoch im Kontext einer Krankheit, die sich, wie die HIV-Infektion, heute gut kontrollieren lässt und in Deutschland mit einer weitgehend normalen Lebenserwartung assoziiert ist.“ Neben den drei Erfolgsgeschichten gibt es auch mehrere Fälle von Patienten, die eine entsprechende Therapie nicht überlebt haben oder bei denen HIV trotz der Transplantation weiterbestand, da es auf einen anderen Rezeptor namens CXCR4 ausgewichen ist.

In Zukunft könnten jedoch Möglichkeiten des Gene Editing dazu beitragen, die Therapie zu verbessern. Versuche, eine Resistenz in patienteneigene Immunzellen einzufügen, waren bisher wenig erfolgreich, da noch immer zu viele anfällige Immunzellen im Körper verblieben. Die genaue Dokumentation zum Fall des Düsseldorfer Patienten könnte aber dabei helfen, Möglichkeiten zu finden, wie resistent gemachte Immunzellen HIV-Reservoirs wirksamer eliminieren können. „Zusammengefasst unterstreicht der sehr gründlich aufgearbeitete Fallbericht aus Düsseldorf das prinzipielle Potenzial kombinierter Gen-Immuntherapien zur Behandlung der HIV-Infektion, welches unbedingt im Rahmen größerer klinischer Studien weiter untersucht werden sollte“, so Fehse.

Quelle: Björn-Erik Jensen (Universitätsklinikum Düsseldorf) et al., Nature Medicine, doi: 10.1038/s41591-023-02213-x

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