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Genmanipulation erzeugt Albino-Echsen

Gesundheit|Medizin

Genmanipulation erzeugt Albino-Echsen
Albino-Echse
Mittels Crispr/Cas9 erzeugte Albino-Echse. (Bild: Doug Menke)

Die Genschere Crispr/Cas9 gilt als eines der vielversprechendsten Werkzeuge für die Gentechnik und Gentherapie. Bei einer Tiergruppe allerdings ließ sie sich bisher nicht einsetzen: bei Reptilien. Jetzt haben Forscher die Methode so abgewandelt, dass die Genmanipulation mittels Crispr auch bei Reptilien möglich wird. In einem ersten Test schleusten sie dafür eine Albinomutation in unreife Eizellen von Anolis-Echsenweibchen ein. Zur Überraschung der Forscher entstanden nach der Befruchtung aus diesen Eiern nicht nur Echsen, die bloß eine mutierte mütterliche Genversion trugen, sondern sogar reine Albinos.

Mithilfe der Genschere Crispr/Cas9 haben Wissenschaftler inzwischen einige Durchbrüche erzielt. Denn diese Methode erlaubt es, relativ zielgenau einzelne DNA-Bausteine oder Gene auszutauschen, zu reparieren oder neu einzuschleusen. So gelang es Forschern beispielsweise, die Sichelzellen-Anämie in menschlichen Blutzellen zu reparieren oder – stark umstritten – menschlichen Embryonen ein Gen gegen HIV zu implantieren. Die Genmodifikation mithilfe dieser Technologie wurde bereits bei verschiedenen Säugetieren, Fischen, Pflanzen oder Amphibien erprobt. Allerdings mit einer großen Ausnahme: Bei Reptilien und auch Vögeln erwies sich die gängige Methode des Crispr-Einsatzes als ungeeignet. Typischerweise wird dabei die Genschere in die frisch befruchteten Eizellen der entsprechenden Tierart eingeschleust. Das stellt sicher, dass die gewünschten Genveränderungen später in alle Tochterzellen übernommen werden. Doch bei Reptilien sind die Eizellen bei der Befruchtung sehr fragil und bersten leicht, auch die Embryonen im Frühstadium sind extrem sensibel.

Unreife Eizellen statt Embryos

„Wir versuchen schon eine ganze Weile, auch das Erbgut von Reptilien zu verändern und ihre Gene zu manipulieren“, erklärt Seniorautor Douglas Menke von der University of Georgia in Athens. Bisher sei dies jedoch stets gescheitert. Menke und sein Team suchten daher nach einer Alternative. Sie testeten dafür ein Verfahren, bei dem sie die Genschere direkt in die noch unreifen Eizellen im Eierstock von weiblichen Bahamaanolis (Anolis sagrei) injizierten. „Jeder Eierstock der Echsen enthält normalerweise rund zehn heranreifende Follikel“, berichten die Forscher. Jeweils vier bis sechs dieser unreifen Eizellen sind zwischen 0,75 und fünf Millimeter groß und damit im Größenbereich, den die Wissenschaftler als geeignet für die Injektion betrachteten. „Nach einer solchen Injektion reifen die Eizellen weiter im Echsenweibchen heran und werden nach dem Eisprung bei der Paarung befruchtet“, so Menke und seine Kollegen.

Für ihr Experiment schleusten die Forscher 146 Eizellen bei 21 Echsenweibchen eine Genmutation ein, die die Anolis-Echsen zu Albinos macht. Sind beide Versionen dieses Tyrosinase-Gen-Exons verändert, haben die normalerweise braun gefärbten Reptilien eine weißlich-rosafarbene Haut und besitzen die typisch roten, pigmentlosen Augen der Albinos. Allerdings veränderte die Crispr-Einschleusung in die Eizellen nur die mütterliche Variante dieses Gens, das väterliche Allel erhielten die Nachkommen über die Spermien des unbehandelten Vaters. Die Forscher erwarteten daher nicht unbedingt, weiße Echsen zu sehen, sondern eher mischerbige Nachkommen. „Wir mussten drei Monate waren, bis die Jungechsen schlüpften – das ist ein wenig wie Zeitlupen-Genediting“, sagt Menke.

Albinos überraschen die Forscher

Dann war es soweit. Wie sich zeigte, trugen neun Echsenjunge die mittels Crispr in die Eizellen ihrer Mutter eingeschleuste Mutation. Das Überaschende jedoch: „Etwa die Hälfte dieser mutierten Echsen hatte die veränderte Genvariante sowohl im mütterlichen wie im väterlichen Allel“, berichtet Menke. Vier der Tiere waren daher echte Albinos mit weißer Haut und rosa Augen, die restlichen fünf waren heterozygot und daher trotz einer mutierten Genvariante im Erbgut normal gefärbt. Wie aber war dies möglich? Nach Ansicht der Wissenschaftler deutet dies daraufhin, dass die Genschere und das mit ihr verknüpfte Enzym in den Eizellen länger aktiv blieben als erwartet. Offenbar überdauerte Crispr/Cas9 in einigen Fällen mehrere Tage bis zu Befruchtung der Eizellen und konnte dadurch auch das Erbgut des Spermiums editieren, wie Menke und sein Team erklären.

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Insgesamt ist die „Ausbeute“ dieses Genmanipulations-Experiments mit sechs bis neun Prozent eher gering, wie auch die Forscher einräumen. „Bei den etablierten Modellsystemen und Crispr-Verfahren können Mutationsraten von 80 Prozent und mehr erreicht werden“, sagt Menke. „Aber bisher war diese Art der Genmanipulation bei Reptilien gar nicht möglich.“ Er und seine Kollegen gehen zudem davon aus, dass sich der Anteil der erfolgreich geneditierten Tiere beim Echsennachwuchs durch eine gezieltere Auswahl der Eizellen noch steigern lässt. „Die Mikroinjektion bei unreifen Eizellen könnte darüber hinaus auch bei Vögeln ein vielversprechender Ansatz sein“, sagen die Forscher. Denn auch bei dieser Tiergruppe sei der Zugriff auf die befruchteten Eizellen und frühen Embryonen schwierig.

Quelle: Ashley M. Rasys (University of Georgia, Athens) et al., Cell Reports, doi: 10.1016/j.celrep.2019.07.089

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