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Haarproben geben Einblick in Beethovens Erbgut

Gesundheit|Medizin

Haarproben geben Einblick in Beethovens Erbgut
Haarlocke
Diese Haarlocke von Ludwig van Beethoven lieferte DNA-Proben des Komponisten. © Ira F. Brilliant Center for Beethoven Studies/ San Jose State University

Ludwig van Beethoven ist einer der berühmtesten deutschen Komponisten der Klassik, wegen seiner zunehmenden Schwerhörigkeit gilt er zudem als zutiefst tragische Gestalt. Um mehr über die Krankheiten und die Todesursache Beethovens zu erfahren, haben Wissenschaftler nun acht Haarproben genetisch untersucht, die als Haarlocken des Komponisten galten. Fünf dieser Locken erwiesen sich als authentisch und konnten daher für DNA-Analysen genutzt werden. Diese enthüllen, dass Beethoven keine eindeutig nachweisbare genetische Ursache für die Schwerhörigkeit aufwies, dafür aber ein hohes Risiko für eine Leberzirrhose. In Kombination mit einem relativ hohen Alkoholkonsum und einer Hepatitis-Infektion könnte dies den Tod des Komponisten verursacht haben.

Ludwig van Beethoven wurde 1770 in Bonn geboren und fiel schon früh durch sein musikalisches Talent auf. Es folgte eine steile Karriere als Pianist und Komponist. Doch um 1799 entwickelte Beethoven eine fortschreitende Schwerhörigkeit, die durch schleichenden Hörverlust, Tinnitus und schließlich Taubheit gekennzeichnet war. Sie zwang den Komponisten dazu, mit etwa 40 Jahren seine Musikerkarriere aufzugeben und sich nur noch auf das Komponieren zu konzentrieren, was jedoch ebenfalls durch die Taubheit erschwert wurde. Doch der Hörverlust war nicht das einzige Leiden, das Beethoven plagte: Schon in seinen Bonner Jahren litt der Komponist unter „elenden“ Magen-Darm-Beschwerden mit Durchfällen und schmerzhaften Koliken, die sich in Wien fortsetzten und verschlimmerten. Ab dem Sommer 1821 kamen noch Leberprobleme hinzu: Der Komponist erkrankte mehrfach an Gelbsucht und entwickelte wahrscheinlich eine Leberzirrhose. Sie gilt auch als die wahrscheinlichste Ursache für seinen Tod im Alter von nur 56 Jahren.

Ludwig van Beethoven
Um 1820 angefertigtes Porträt Ludwig van Beethovens. © Beethoven-Haus Bonn

Fünf der acht Haarlocken sind authentisch

Seither haben Mediziner und Historiker immer wieder versucht herauszufinden, welche Krankheiten hinter den schweren Leiden Beethovens steckten. Auch der Komponist hoffte auf Aufklärung: 1802 bat er seine Brüder in einem Brief, seine Krankheit nach seinem Tod durch seinen Arzt untersuchen zu lassen und das Ergebnis zu veröffentlichen. Doch trotz Auswertung zahlreicher historischer Dokumente, einem Autopsiereport und sogar zwei Exhumierungen in den Jahren 1863 und 1888 gab es keine eindeutigen Diagnosen – weder für die Schwerhörigkeit und Verdauungsbeschwerden noch für die Todesursache. Um mehr Klarheit zu schaffen, hat nun ein internationales Forschungsteam um Erstautor Tristan Begg von der University of Cambridge acht Haarlocken genetisch untersucht, die von Ludwig van Beethoven stammen sollen und die in öffentlichen und privaten Sammlungen aufbewahrt werden.

Die DNA-Analysen enthüllten, dass fünf der acht Haarlocken vom selben Individuum stammen – einem Mann mit europäischer Herkunft und genetischen Übereinstimmungen mit Menschen in Nordrhein-Westfalen – der Geburtsregion des Komponisten. Die DNA der Haarproben zeigte zudem eine für eine Herkunft aus dem 19. Jahrhundert typische Degradierung. Das Team wertet dies als Beleg dafür, dass es sich bei diesen fünf Haarlocken tatsächlich um Haare von Ludwig van Beethoven handelt. Eine der drei anderen Haarlocken, die der 15-jährige Musiker Ferdinand Hiller kurz nach dem Tod des Komponisten von dessen Kopf abgeschnitten haben soll, erwies sich hingegen als das Haar einer Frau. „Da wir jetzt wissen, dass die ‚Hiller-Locke‘ von einer Frau und nicht von Beethoven stammt, trifft keine der früheren Analysen, die ausschließlich auf dieser Haarprobe basieren, auf Beethoven zu“, sagt Begg. Damit ist auch die auf Analysen dieser Haare beruhende These entkräftet, nach der Beethoven an einer Bleivergiftung gelitten haben soll: Da die Haare nicht von ihm stammten, trifft auch die Diagnose nicht zu.

Hinweise auf die Todesursache

Dafür lieferten die Analysen der fünf authentischen Haarproben wertvolle Hinweise auf die Todesursache des Komponisten. „Wir können nicht mit Sicherheit sagen, woran Beethoven gestorben ist, aber wir können jetzt zumindest das Vorhandensein eines erheblichen erblichen Risikos für eine Leberzirrhose belegen“, sagt Co-Autor Johannes Krause vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig. In Beethovens Erbgut stieß das Team unter anderem auf zwei Kopien einer Genvariante, die als eines der stärksten Risikogene für eine Leberzirrhose gilt. Außerdem gab es Hinweise auf eine Infektion mit dem Hepatitis-B-Virus, die spätestens in den Monaten vor der ersten Gelbsuchterkrankung des Komponisten erfolgt sein muss. „In Anbetracht der bekannten Krankengeschichte ist es sehr wahrscheinlich, dass im Zusammenspiel genetische Veranlagung, Hepatitis-B-Infektion und Alkoholkonsum zu Beethovens Tod geführt haben“, sagt Begg. Denn historische Überlieferungen legen nahe, dass Beethoven regelmäßig ausreichend Alkohol getrunken hat, um seiner Leber zu schaden. „Wenn Beethovens Alkoholkonsum über einen ausreichend langen Zeitraum hoch genug war, stellt die Wechselwirkung mit seinen genetischen Risikofaktoren eine mögliche Erklärung für seine Leberzirrhose dar“, so Begg.

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Keine klaren genetischen Ursachen konnte das Forschungsteam hingegen für Beethovens Taubheit oder seine Magen-Darm-Probleme feststellen. In seinem Genom ließen sich keine Gene für eine erblich oder genetisch bedingte Schwerhörigkeit finden. „Obwohl keine eindeutige genetische Ursache für Beethovens Schwerhörigkeit identifiziert werden konnte, kann man eine solche auch nicht völlig ausschließen“, betont Co-Autor Axel Schmidt vom Universitätsklinikum Bonn. „Die Referenzdaten, die für die Interpretation individueller Genome notwendig sind, werden stetig besser. Es ist daher möglich, dass Beethovens Genom in Zukunft Hinweise auf den Ursprung seiner Schwerhörigkeit liefern wird.“ Die DNA-Analysen zeigen zudem, dass die hartnäckigen Magen-Darm-Beschwerden Beethovens nicht auf einer Gluten- oder Laktose-Intoleranz beruhen konnten, auch für das Reizdarmsyndrom gibt es keine genetischen Anzeichen.

Ein Familiengeheimnis

Dafür enthüllten die Erbgutanalysen in anderer Hinsicht etwas Überraschendes. Um mehr über die Abstammung Beethovens herauszufinden, verglichen die Forscher sein Erbgut mit dem von drei Nachkommen seines Neffen Karl, sowie mit fünf in Belgien lebenden männlichen Verwandten aus der Beethoven-Linie. Historischen Dokumenten zufolge stammten die Vorfahren von Ludwig von Beethovens Vater aus Belgien. Sowohl er als auch die heutigen belgischen Nachfahren dieser Linie gehen auf den im 16. Jahrhundert lebenden Aert von Beethoven zurück. Weil sich der Name ebenso wie das Y-Chromosom über die väterliche Linie weitervererbt, erwarteten die Wissenschaftler eine Übereinstimmung des Y-chromosomalen Erbguts bei Beethoven und seinen heutigen Namensvettern. Doch das war nicht der Fall: Das Erbgut der fünf belgischen Verwandten zeigte zwar die erwarteten Übereinstimmungen, keines ihrer Y-Chromosomen passte jedoch zu dem von Ludwig van Beethoven. „Durch die Kombination von DNA-Daten und Archivdokumenten konnten wir eine Diskrepanz zwischen Ludwig van Beethovens rechtlicher und biologischer Genealogie feststellen“, erklärt Co-Autor Maarten Larmuseau von der Katholischen Universität Leuven.

Die Wissenschaftler schließen daraus, dass es in der väterlichen Stammbaumlinie von Ludwig van Beethoven mindestens einen Seitensprung gegeben haben muss – möglicherweise ein „Kuckuckskind“, das von einem anderen Vater als dem Ehemann gezeugt wurde. Wann sich diese außereheliche Zeugung allerdings ereignete, lässt sich anhand er bisherigen Gendaten nicht genauer ermitteln. Die Forscher verorten sie aber irgendwo in der direkten väterlichen Linie zwischen der Zeugung von Hendrik van Beethoven im belgischen Kampenhout um 1572 und der Zeugung von Ludwig van Beethoven 1770 in Bonn – sieben Generationen später. Tatsächlich hatte ein Beethoven-Biograf schon früher Zweifel daran geäußert, dass Beethovens Großvater Ludwig van Beethoven wirklich der Vater von Beethovens Vater Johann van Beethoven war, weil es keinen entsprechenden Taufeintrag gab. Eindeutige historische Belege für diese Hypothese gibt es jedoch nicht.

„Indem wir Beethovens Genom der Öffentlichkeit zugänglich machen und es uns zukünftig vielleicht gelingen wird, der ursprünglichen chronologischen Abfolge weitere authentische Haarproben hinzuzufügen, hoffen wir, eines Tages die noch offenen Fragen zu Beethovens Krankheiten und Genealogie beantworten zu können“, sagt Begg.

Quelle: Tristan Begg (University of Cambridge) et al., Current Biology, doi: 10.1016/j.cub.2023.02.041

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