Anzeige
1 Monat GRATIS testen, danach für nur 9,90€/Monat!
Startseite »

Hirnverletzungen können Tumorbildung anregen

Krebsforschung

Hirnverletzungen können Tumorbildung anregen
Ein Hirnscan, der einen rot hervorgehobenen Glioblastom-Tumor zeigt. (Bild: Hellerhoff, Wikimedia Commons)

Reparatur mit fataler Nebenwirkung: Der Heilungsprozess nach einer Hirnverletzung kann zur Bildung eines Tumors beitragen, geht aus einer Studie hervor. Dabei werden „Tumor-Mutterzellen“ für den Ersatz des verloren gegangenen Gewebes aktiviert. Durch ihre Mutationen hören sie aber nicht mehr auf, sich zu teilen und bilden dadurch ein Glioblastom – die häufigste und kaum behandelbare Krebsform im Gehirn. Die Erkenntnisse könnten nun zur Entwicklung von neuen Behandlungsmöglichkeiten für Glioblastom-Patienten führen, sagen die Forscher.

„Sie haben einen Tumor im Gehirn, gegen den wir kaum etwas machen können – Ihnen bleibt nur noch wenig Lebenszeit“. Mit diesen schrecklichen Fakten müssen Mediziner Patienten konfrontieren, bei denen sich ein sogenanntes Glioblastom im Gehirn gebildet hat. Eine chirurgische Entfernung des Tumorgewebes kann nur wenig Zeit gewinnen, denn es bleiben meist Krebszellen zurück, die zu einem schnellen Nachwachsen führen. Auch andere Behandlungsformen können das Fortschreiten der Erkrankung kaum aufhalten. Die durchschnittliche Überlebensdauer eines Patienten beträgt nach der Diagnose deshalb nur 15 Monate.

Wie bei anderen Krebsarten geht auch das Tumorgewebe des Glioblastoms aus mutierten Zellen hervor, deren normale Teilungsaktivität gestört ist, sodass sie wuchern. Den speziellen Merkmalen der Glioblastom-Krebszellen haben nun kanadische Forscher eine Studie gewidmet. „Das Ziel ist es, eine Möglichkeit zu finden, die Glioblastom-Zellen gezielt abtötet. Dazu müssen wir die molekulare Natur dieser Zellen besser verstehen“, sagt Co-Autor Gary Bader von der University of Toronto. Das Team sammelte dazu Zellen aus den Tumoren von 26 Patienten und vermehrte sie im Labor, um ausreichendes Untersuchungsmaterial zu gewinnen. Anschließend unterzogen die Wissenschaftler tausende einzelner Krebszellen einer RNA-Sequenzierung, um detailliert zu erfassen, welche Gene in ihnen aktiv sind.

Immunsignaturen zeichnen sich ab

Wie sie berichten, identifizierten sie bei einem Teil der Glioblastom-Zellen die molekularen Signaturen eines Entzündungs- beziehungsweise Heilungsprozesses: Es sind Gene hochreguliert, die auf Entzündungsmarker wie Interferon und TNF alpha reagieren, was auf Wundheilungsprozesse hinweist. Wie die Forscher erklären, deutet dies darauf hin, dass einige Glioblastome im Zusammenhang mit den Reparaturprozessen entstehen, die nach Gewebeschäden auftreten, wie sie etwa durch Erschütterungen, Schlaganfälle oder durch manche Infektionen verursacht werden. Dabei werden Zellen dazu angeregt, verloren gegangenes Gewebe zu ersetzen.

Anzeige

Handelt es sich bei ihnen allerdings um Glioblastom-Vorläuferzellen, kann das System entgleisen, legen die Ergebnisse nahe: Sobald eine mutierte Zelle in die Wundheilung eingreift, kann sie nicht mehr aufhören, sich zu vermehren, weil ihre normalen Kontrollfunktionen gestört sind. „Das Glioblastom kann man sich gleichsam wie eine Wunde vorstellen, die nie aufhört zu heilen“, verdeutlicht Co-Autor Peter Dirks von der University of Toronto. „Aus diesen neuen Hinweisen könnten sich nun völlig neue Behandlungsansätze entwickeln, die sich auf die Verletzungseffekte und Entzündungsreaktionen konzentrieren“, so der Wissenschaftler.

Hoffnung für hoffnungslose Fälle

Die Wissenschaftler haben bei den Tumoren der Patienten auch spezifische Gradienten beim Zustand der Krebszellen festgestellt: Einige sind demnach eher von den Gewebeheilungsprozessen beeinflusst als andere. Das relative Verhältnis der beiden Zustände der Krebszellen ist dabei patientenspezifisch. Die Forscher fanden zudem Hinweise darauf, dass die beiden Zustände unterschiedliche Reaktionen zeigen, woraus sich Hinweise aus Behandlungsmöglichkeiten ergeben.

„Wir suchen jetzt nach Wirkstoffen, die an verschiedenen Punkten dieses Gradienten wirksam sind“, sagt Co-Autor Pugh Trevor vom Princess Margaret Cancer Centre in Toronto. „Es bietet sich eine echte Chance für die Präzisionsmedizin – wir können die Tumore der Patienten auf Einzelzellebene analysieren und einen Medikamentencocktail entwickeln, der mehr als eine Krebszell-Version gleichzeitig ausschalten kann“, so die Hoffnung des Wissenschaftlers.

Quelle: University of Toronto, Fachartikel: Nature Cancer, doi: 10.1038/s43018-020-00154-9

Anzeige

Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

  • Wie kann die Wissenschaft helfen, die Herausforderungen unserer Zeit zu meistern?
  • Was werden die nächsten großen Innovationen?
  • Was gibt es auf der Erde und im Universum noch zu entdecken?

Hören Sie hier die aktuelle Episode:

Aktueller Buchtipp

Sonderpublikation in Zusammenarbeit  mit der Baden-Württemberg Stiftung
Jetzt ist morgen
Wie Forscher aus dem Südwesten die digitale Zukunft gestalten

Wissenschaftslexikon

Rot|barsch  〈m. 1; Zool.〉 leuchtend roter Fisch der Nordsee u. der höheren Breiten des Atlantiks, beliebter Speisefisch: Sebastes marinus

Schü|ler|spra|che  〈f. 19; unz.〉 durch saloppe Ausdrucksweise gekennzeichnete Sondersprache der Schüler

Hy|po|te|nu|se  〈f. 19; Geom.〉 die dem rechten Winkel gegenüberliegende Seite eines Dreiecks; →a. Kathete … mehr

» im Lexikon stöbern
Anzeige
Anzeige
Anzeige