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Hoffnung für vorschnell alternde Kinder

DNA-Editing gegen Progerie

Hoffnung für vorschnell alternde Kinder
Progerie wird durch eine Mutation in einem Gen verursacht, bei der eine Base verändert ist. Zur Korrektur haben Forscher eine Methode genutzt, bei der ein einzelner DNA-Buchstabe durch einen anderen ersetzt werden kann, ohne die DNA zu beschädigen. (Bild: Ernesto del Aguila III, NHGRI)

Vergreisung schon in den frühen Lebensjahren: Die genetisch bedingte Erkrankung Progerie ist ein schlimmes Schicksal für die Betroffenen. Doch nun könnte sich eine neue Therapiemöglichkeit entwickeln, geht aus einer Studie hervor: Forscher konnten bei Mäusen die für die Krankheit verantwortliche Genmutation durch den Austausch der betroffenen DNA-Base korrigieren. Dadurch verringerten sich die Symptome bei den „Progerie-Mäusen“ und ihre Lebenserwartung stieg deutlich an. Weitere Untersuchungen müssen nun zeigen, ob sich das Verfahren auch für den Einsatz bei menschlichen Progerie-Patienten eignet.

Das sogenannte Hutchinson-Gilford-Progerie-Syndrom ist zwar selten, aber dafür besonders grausam: Während andere Kinder wachsen und reifen, leiden die Betroffenen unter Wachstumsstörungen und verwandeln sich in junge Greise. Bei etwa einem von vier Millionen Kindern stellen Ärzte die entsprechenden Symptome oft schon im ersten oder zweiten Lebensjahr fest. Die Haut der Kinder beginnt zu altern, die Haare fallen aus und es entwickeln sich zunehmend Gelenkprobleme und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Die Betroffenen erreichten deshalb bisher oft nur ein Alter von etwa 14 Jahren. Im vergangenen Jahr gab es zwar bereits eine erfreuliche Nachricht für Progerie-Patienten: Das Medikament Lonafarnib wurde zugelassen, das eine gewisse Lebensverlängerung ermöglicht. Der Wirkstoff greift allerdings nur in einen bestimmten Ablauf im Rahmen der Krankheitsentstehung ein und ist dadurch nur begrenzt wirksam. Der neue Ansatz packt das Problem nun hingegen an der genetischen Wurzel.

Eine kleine Mutation mit fatalen Folgen

Die Ursache der Krankheit ist eine Mutation im sogenannten Lamin-A-Gen, das die Informationen für einen wichtigen Baustein der Kernmembran in den Zellen des Körpers trägt. Diese Erbanlage weist bei den Progerie-Patienten einen kleinen, aber schwerwiegenden Fehler auf: Bei ihrem Lamin-A-Gen ist eine DNA-Base von Cytosin (C) zu Thymin (T) verändert. Diese Mutation führt zur Produktion des Proteins Progerin, das den schnellen Alterungsprozess verursacht. An dieser Punktmutation hat nun ein Team von US-Forschern den Hebel angesetzt. „Die Tatsache, dass eine einzige spezifische Mutation die Krankheit verursacht, ermöglicht den Einsatz von DNA-Editing-Techniken zur Korrektur“, sagt Co-Autor Francis Collins vom National Human Genome Research Institute in Bethesda.

Es gab bereits Versuche, die bekannte Gen-Editing-Methode Crispr/Cas9 zu verwenden, um die Mutation in dem Gen gezielt zu reparieren. Doch dieses Verfahren birgt die Gefahr von Kollateralschäden: Es können problematische DNA-Bruchstücke entstehen oder Schnitte außerhalb des eigentlichen Zielbereiches. Die Forscher setzten deshalb nun die neuere Technik des DNA-Base-Editings ein. Dabei kommt eine abgewandelte Form des Crispr/Cas9-Systems zum Einsatz, durch die einzelne Basen an einer bestimmten genomischen Stelle verändert werden können. Der wichtige Unterschied ist dabei, dass die Basen-Editoren dabei nicht das Phosphatgerüst der DNA spalten, sodass keine doppelsträngigen DNA-Brüche entstehen können.

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Vielversprechender Erfolg

Die Forscher testeten die Base-Editing-Methode zur Korrektur des Gendefekts zunächst an im Labor gezüchteten Bindegewebszellen von Progerie-Patienten. Dies führte zu einem vielversprechenden Ergebnis: Die Behandlung konnte die Mutation in etwa 90 Prozent der Zellen korrigieren. So gingen die Forscher anschließend zu Tierversuchen über: Sie verwendeten dabei Mäusezuchtlinien, die ein Modell der Progerie darstellen. Die Tiere besitzen ebenfalls die entsprechende Mutation in dem Lamin-A-Gen, zeigen vorzeitige Alterungserscheinungen und besitzen eine deutlich verkürzte Lebenserwartung. Diesen „Progerie-Mäusen“ verabreichten die Wissenschaftler kurz nach der Geburt eine intravenöse Injektion der DNA-Editing-Substanz. Anschließend untersuchten sie den Effekt und die Entwicklung der Versuchstiere.

Es zeigte sich, dass der Gen-Editor erfolgreich die normale DNA-Sequenz des Lamin-A-Gens in einem erheblichen Prozentsatz von Zellen in verschiedenen Organen der Mäuse herstellen konnte. Von großer Bedeutung ist dabei der Effekt bei Zellen im Herzen und der Aorta, heben die Forscher hervor. Viele der Zelltypen der Mäuse behielten auch sechs Monate nach der Behandlung die korrigierte DNA-Sequenz bei und die Produktion von Progerin ging stark zurück, zeigten die Analysen. Dadurch wurden die Symptome der Versuchstiere deutlich gelindert und vor allem spiegelte sich der Effekt der Behandlung in der Lebensdauer wider: Sie stieg von sieben Monaten auf durchschnittlich 1,5 Jahre an und näherte sich damit der normalen Lebenserwartung von Mäusen, die etwa zwei Jahre beträgt.

„Es war aufregend zu sehen, wie sich abzeichnet, dass der Ansatz tatsächlich einen therapeutischen Nutzen haben könnte“, sagt Co-Autor Jonathan Brown Vanderbilt University Medical Center in Nashville. „Nun ist es unser Ziel, das Verfahren zu einer Behandlungsmöglichkeit beim Menschen zu machen. Zunächst gibt es dabei allerdings noch wichtige Fragen, die wir erst noch im Maus-Modellsystemen klären müssen“, betont der Forscher. Grund zur Hoffnung für Progerie-Patienten sehen auch Wilbert Vermeij und Jan Hoeijmakers vom Oncode Institut in Utrecht: „Wenn die Sicherheit von Base-Editing-Behandlungen beim Menschen gewährleistet werden kann, handelt es sich um einen vielversprechenden Ansatz zur Behandlung von Menschen, die unter den Folgen dieser genetischen Mutation leiden“, schreiben die Wissenschaftler in einem Kommentar zur Studie.

Quelle: National Human Genome Research Institute, Fachartikel: Nature, doi: 10.1038/s41586-020-03086-7

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