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Kot-Übertragung könnte Krebstherapie wirksamer machen

Gesundheit|Medizin

Kot-Übertragung könnte Krebstherapie wirksamer machen
Hautkrebs
Bei einigen Patienten reagiert der Hautkrebs nicht auf eine Immuntherapie. (Bild: Nasekom/ iStock)

Wie gut Menschen auf Krebsmedikamente ansprechen, hängt offenbar auch von ihrer Darmflora ab. Deshalb könnte eine Stuhltransplantation beispielsweise Patienten mit fortgeschrittenem Melanom helfen, bei denen eine Immuntherapie zuvor wirkungslos war. Das legt eine Pilotstudie mit 15 Hautkrebs-Patienten nahe. Welche Bakterien genau für die Wirksamkeit dieser Methode verantwortlich sind, müssen weitere Studien ausloten. Sollten auch größere Studien erfolgreich verlaufen, könnte der Ansatz langfristig neue Behandlungsmöglichkeiten gegen Krebs eröffnen.

Manche Arten von Krebs hemmen das Immunsystem und sorgen so dafür, dass die körpereigene Abwehr sie nicht angreift. Bei der Immuntherapie sollen Medikamente, sogenannte Immun-Checkpoint-Inhibitoren, diese „Bremsen“ gezielt lösen. Diese Medikamente versprechen eine langanhaltende Wirkung, haben allerdings auch eine hohe Versagerquote: 40 Prozent der Patienten mit fortgeschrittenem schwarzen Hautkrebs (Melanom) sprechen nicht darauf an. Studien an Mäusen gaben Anlass zur Vermutung, dass dabei auch das Mikrobiom im Darm eine Rolle spielt.

Stuhltransplantation gegen Krebs

Diesen Hinweisen sind Forscher um Amiran Dzutsev vom National Cancer Institute der amerikanischen National Institutes of Health nun in einer Pilotstudie am Menschen nachgegangen. Dazu entnahmen sie Stuhlproben von Patienten, die gut auf den Immun-Checkpoint-Inhibitor Pembrolizumab reagiert hatten, reinigten sie auf und verabreichten sie 15 Patienten, bei denen die Immuntherapie zuvor erfolglos geblieben war.

Als sie diesen Patienten nach der Stuhltransplantation nun erneut Pembrolizumab verabreichten, zeigte sich bei sechs von ihnen eine deutliche Verbesserung des Zustandes: Ihr Immunsystem begann, den Tumor anzugreifen, sodass dieser nicht weiter wuchs und zum Teil sogar kleiner wurde. „Die Wahrscheinlichkeit, dass die in dieser Studie behandelten Patienten spontan auf eine zweite Verabreichung des Medikaments ansprechen würden, war sehr gering“, sagt Co-Autor Hassane Zarour von der University of Pittsburgh. „Jede positive Reaktion sollte also auf die Verabreichung der fäkalen Transplantation zurückzuführen sein.“

Biologische Veränderungen dank neuer Darmmikroben

Um die Ursachen für diese Verbesserung zu identifizieren, analysierten die Forscher die Darmflora aller Patienten. Tatsächlich fanden sie bei den sechs Patienten, die nach der Transplantation auf das Medikament reagierten, eine erhöhte Anzahl von Bakterien, die mit der Aktivierung bestimmter Immunzellen, sogenannter T-Zellen, in Verbindung gebracht werden. Offenbar war die durch die Kot-Übertragung erzielte Veränderung des Darmmikrobioms in der Lage, das Immunsystem so umzuprogrammieren, dass es von den Medikamenten profitieren kann.

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Auch bei den Proteinen und Stoffwechselprodukten im Körper der Patienten zeigten sich Veränderungen: So sanken beispielsweise die Spiegel von Molekülen des Immunsystems, die mit einer Resistenz gegen die Immuntherapie in Verbindung gebracht werden, und die Spiegel von Biomarkern, die mit einem Ansprechen in Verbindung gebracht werden, stiegen an.

„In den letzten Jahren haben Immuntherapie-Medikamente vielen Patienten mit bestimmten Krebsarten geholfen, aber wir brauchen neue Strategien, um Patienten zu helfen, deren Krebs nicht darauf anspricht“, sagt Dzutsevs Kollege Giorgio Trinchieri. „Unsere Studie ist eine der ersten, die bei Patienten zeigt, dass die Veränderung der Zusammensetzung des Darmmikrobioms das Ansprechen auf eine Immuntherapie verbessern kann. Die Daten liefern den Beweis für das Konzept, dass das Darmmikrobiom ein therapeutisches Ziel bei Krebs sein kann.“

Welche Bakterien sind die „guten“?

In zukünftigen Studien hoffen die Forscher, weitere Erkenntnisse dazu zu gewinnen, welche Patienten von Veränderungen des Darmmikrobioms profitieren können. Auch die Frage, ob sich die vielversprechenden Ergebnisse in größeren Studien überhaupt bestätigen, ist noch offen. Wenn ja, wollen die Forscher auch herausfinden, welche Bakterien genau für den positiven Effekt verantwortlich sind.

„Die Stuhltransplantation ist nur ein Mittel zum Zweck“, sagt Co-Autor Diwakar Davar von der University of Pittsburgh. „Wir wissen, dass die Zusammensetzung des Darmmikrobioms die Wahrscheinlichkeit des Ansprechens auf eine Immuntherapie verändern kann. Aber was sind ‚gute‘ Bakterien? Es gibt etwa 100 Billionen Darmbakterien und 200-mal mehr bakterielle Gene im Mikrobiom eines Individuums als in allen seinen Zellen zusammen.“ Bei der Stuhltransplantation erhielten die Patienten eine breite Palette an Bakterien, so dass die richtigen dabei waren, ohne zuvor identifiziert worden zu sein.

Langfristig halten die Forscher es für denkbar, nur noch gezielt die hilfreichen Bakterien zu verabreichen – und zwar nicht mehr mit Hilfe von Fäkalien, sondern einfach in Tablettenform. „Wir erwarten, dass zukünftige Studien identifizieren werden, welche Gruppen von Bakterien im Darm in der Lage sind, Patienten, die nicht auf Immuntherapie-Medikamente ansprechen, in Patienten umzuwandeln, die ansprechen“, so Dzutsev. „Wenn wir herausfinden können, welche Mikroorganismen für das Ansprechen auf die Immuntherapie entscheidend sind, dann könnte es möglich sein, diese Organismen direkt an Patienten zu verabreichen, die sie benötigen, ohne dass eine fäkale Transplantation erforderlich ist.“

Quelle: Amiran Dzutsev (National Cancer Institute der NIH) et al., Science, doi: 10.1126/science.abf3363

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