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Mehr Alkohol, weniger Hirn

Gesundheit

Mehr Alkohol, weniger Hirn
Alkoholkonsum spiegelt sich im Gehirn wider. © Ekaterina Chizhevskaya

Ein Gläschen Wein am Abend, mit Freunden vielleicht mal ein Bier: Bereits ein Alkoholkonsum, der oft als gering bis mäßig eingestuft wird, ist einer neuen Studie zufolge mit Veränderungen des Gehirns verbunden. Die Untersuchung, die sich auf Daten von mehr als 36.000 Erwachsenen stützt, zeigt, dass Menschen, die pro Tag zwei Alkoholeinheiten konsumieren – also etwa ein Glas Wein – ein verringertes Gehirnvolumen haben im Vergleich zu Menschen, die im Durchschnitt nicht mehr als eine Alkoholeinheit am Tag zu sich nehmen. Die Unterschiede sind vergleichbar mit einer Alterung um zwei Jahre.

Dass Alkohol nicht gut für das Gehirn ist, ist allgemein anerkannt. In Frage steht allerdings, ab welcher Menge der Alkoholkonsum einer Person als problematisch einzustufen ist und bis zu welchem Grad er als gesundheitlich tolerierbar gilt. Internationale Standards nennen als „risikoarmen Konsum“ etwa ein Standardglas am Tag für Frauen und doppelt so viel für Männer. Ein Standardglas entspricht dabei – mit leichten Abweichungen zwischen den Ländern – etwa acht bis zwölf Gramm reinem Alkohol oder ungefähr 300 Millilitern Bier oder 100 Millilitern Wein.

Empfohlene „sichere“ Mengen zu hoch

Eine neue Studie legt nun nahe, dass bereits diese angeblich risikoarmen Mengen merkliche Auswirkungen auf das Gehirn haben. Ein Team um Remi Daviet von der University of Wisconsin-Madison hat Daten von mehr als 36.000 Erwachsenen ausgewertet, die für die UK Biobank Fragen zu ihrer Gesundheit und ihrem Lebensstil beantwortet und genetische Daten zur Verfügung gestellt haben und von denen MRT-Hirnscans vorliegen. „Die Tatsache, dass wir eine so große Stichprobe haben, ermöglicht es uns, subtile Muster zu finden, sogar zwischen dem Trinken des Äquivalents von einem halben Bier und einem Bier pro Tag“, sagt Co-Autor Gideon Nave von der University of Pennsylvania.

Während frühere, kleinere Studien für geringe Mengen Alkohol keine negativen gesundheitlichen Folgen festgestellt haben, zeigt der große Datensatz, auf den Daviet und seine Kollegen zurückgriffen, eine deutliche Korrelation: Personen, die einen höheren Alkoholkonsum angaben, hatten ein geringeres Hirnvolumen als Personen, die weniger Alkohol konsumierten. Dabei kontrollierten die Forscher auf Faktoren wie Alter, Größe, Händigkeit, Geschlecht, Raucherstatus, sozioökonomischen Status, genetische Abstammung und Wohnort. „Diese Ergebnisse stehen im Gegensatz zu den wissenschaftlichen und staatlichen Richtlinien über sichere Trinkmengen“, sagt Naves Kollege Henry Kranzler. „Die offiziell empfohlenen Grenzwerte liegen oberhalb der Mengen, die in der Studie mit einem verringerten Gehirnvolumen in Verbindung gebracht wurden.“

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Hirn altert um Jahre

Je höher der Alkoholkonsum, desto deutlicher die in der Studie beobachteten Auswirkungen. So war der Unterschied zwischen Menschen, die abstinent lebten und solchen, die maximal eine Alkoholeinheit am Tag konsumierten, geringer als der zwischen Menschen, die statt einem Standardglas täglich zwei konsumierten. „Es ist nicht linear“, sagt Daviet. „Es wird schlimmer, je mehr man trinkt.“ Die Verringerungen des Hirnvolumens betrafen fast alle Regionen des Gehirns, darunter den frontalen Kortex, die Insula und den Hirnstamm. Zudem beobachteten die Forscher Veränderungen in der Struktur der weißen Masse.

Um die Veränderungen zu veranschaulichen, verglichen die Forscher sie mit Veränderungen durch Alterungsprozesse. Demnach ist das Gehirn eines 50-Jährigen, der täglich zwei Standardgläser Alkohol konsumiert, zwei Jahre „älter“ als das eines Gleichaltrigen, der nicht mehr als ein Standardglas am Tag konsumiert. Jede weitere Alkoholeinheit am Tag führte zu einem stärkeren Alterungseffekt im Gehirn. Ein Anstieg von zwei auf drei Standardgläser am Tag entsprach einer Alterung von dreieinhalb Jahren, der Unterschied zwischen null und vier Gläsern am Tag betrug mehr als zehn Jahre Alterung.

Auf das letzte Glas verzichten

Die ausgewerteten Daten zeigen eine Korrelation zwischen Alkohol und Hirnvolumen, lassen aber keine Schlüsse auf Kausalbeziehungen zu. Diese wollen die Forscher mit zukünftigen Studien klären, bei denen sie Alkoholkonsum und Gehirnvolumen von Probanden über mehrere Jahre hinweg verfolgen. Zusätzlich wollen sie weitere Details zur Art des Konsums und den jeweiligen Auswirkungen aufs Gehirn klären. „Unsere Studie untersuchte den durchschnittlichen Konsum, aber wir sind neugierig, ob es besser ist, ein Bier pro Tag zu trinken als keins unter der Woche und sieben am Wochenende“, sagt Nave. „Manches deutet darauf hin, dass ein übermäßiger Alkoholkonsum schlechter für das Gehirn ist, aber das haben wir noch nicht näher untersucht.“

Doch auch die aktuelle Studie gibt aus Sicht der Forscher Anlass zu der Empfehlung, den eigenen Alkoholkonsum zu reduzieren. „Es gibt einige Hinweise darauf, dass die Auswirkungen des Alkoholkonsums auf das Gehirn exponentiell sind“, sagt Daviet. „Ein zusätzliches Getränk am Tag könnte sich also stärker auswirken als alle vorangegangenen Getränke an diesem Tag. Das bedeutet, dass eine Einschränkung des letzten Drinks am Abend große Auswirkungen auf die Gehirnalterung haben könnte.“

Quelle: University of Pennsylvania, Remi Daviet (University of Wisconsin-Madison, USA) et al., Nature Communications, doi: 10.1038/s41467-022-28735-5

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