Hoffnung im Kampf gegen die krankhafte Schwermut: Durch eine nichtinvasive Wechselstrom-Behandlung haben Forscher die Hirnwellen von depressiven Patienten in Harmonie gebracht und ihre Symptome deutlich reduziert. Weitere Untersuchungen sollen die vielversprechenden Ergebnis der Pilotstudie nun erhärten und das Potenzial weiter ausloten. Aus dem Ansatz könnte sich eine sanfte Behandlungsalternative bei schweren Depressionen entwickeln, sagen die Forscher.
Die meisten Menschen sind gelegentlich mal „schlecht drauf“, doch wer schon einmal mit einer richtigen Depression zu kämpfen hatte, kennt den Unterschied: Je nach Schweregrad liegt die Schwermut wie ein grauer Schleier auf der Seele. Bei der schwersten Form – der sogenannten Major Depression – ist dann von der Lebensqualität nichts mehr übrig. Zur Behandlung kommen vor allem verschiedene Formen von Medikamenten zum Einsatz. Die sogenannten Antidepressiva zeigen bei vielen Patienten allerdings nicht den gewünschten Erfolg, schlagen erst nach mehrwöchiger Einnahme an und haben Nebenwirkungen.
Als eine erfolgreiche Alternative hat sich in den letzten Jahren die sogenannte Tiefe Hirnstimulation zur Behandlung von schweren Depressionen etabliert. Dazu werden den Patienten Elektroden ins Gehirn eingepflanzt. Sie geben dort Impulse ab und wirken dadurch wie eine Art Schrittmacher, der den Gemütszustand verbessern kann. Bei der Tiefen Hirnstimulation handelt es sich allerdings um ein invasives Verfahren und einen vergleichsweise drastischen Eingriff. Sanftere Alternativen sind deshalb gefragt.
In diesem Zusammenhang wurde bereits versucht, einen ähnlichen Effekt wie bei der Tiefen Hirnstimulation auf nichtinvasive Weise über Elektroden auf der Kopfhaut zu erzielen. Bisher kam dabei Gleichstrom zum Einsatz und der erhoffte Erfolg blieb aus. Der neue Ansatz der Forscher um Flavio Frohlich von der University of North Carolina in Chapel Hill basiert nun hingegen auf Wechselstrom, der den Patienten über Elektroden auf der Kopfhaut ins Gehirn gesendet wird.
Lässt sich Harmonie im Gehirn herstellen?
Die Hypothese der Forscher lautete: Diese sogenannte transkranielle Wechselstrom-Hirnstimulation (tACS) könnte die Hirnwellen günstig beeinflussen, die bei Depressions-Patienten bekanntermaßen oft eine „Dissonanz“ aufweisen. Frühere Untersuchungen haben gezeigt, dass bei Menschen mit Depressionen die sogenannten Alpha-Oszillationen im linken präfontalen Cortex ungewöhnlich intensiv sind. Frohlich und sein Team hofften, durch die Behandlung diese Schwingungen mit den Alpha-Schwingungen im rechten präfontalen Cortex in Einklang bringen zu können sowie damit eine Linderung der Depressions-Symptome zu erzielen.
Um dies zu testen, haben sie eine Pilotstudie mit 32 Freiwilligen durchgeführt, bei denen eine Depression diagnostiziert worden war. Vor Studienbeginn wurden die Symptome der Erkrankung durch einen in der Psychologie üblichen Standardtest erfasst. Anschließend wurden die Probanden in drei Gruppen eingeteilt. Es handelte sich um eine sogenannte Doppelblind-Studie: Weder die Probanden noch die Forscher wussten über die Aufteilung Bescheid. Eine Gruppe bildete die Kontrolle (Placebo) – die Teilnehmer erhielten einen kurzen elektrischen Stimulus, der die Empfindung zu Beginn einer „tatsächlichen“ tACS-Sitzung simulierte. Die zweite Kontrollgruppe erhielt eine 40-Hertz-tACS-Behandlung – weit außerhalb des Frequenzbereichs, von dem die Forscher vermuteten, dass er die Alpha-Oszillationen beeinflussen würde, die zwischen 8 und 12 Hertz aufweisen. Die dritte Gruppe erhielt schließlich die eigentliche Behandlung durch 10-Hertz-tACS-Wechselstrom. Aller Teilnehmer bekamen an fünf aufeinanderfolgenden Tagen eine 40-minütige Behandlung. Zwei und dann noch einmal vier Wochen später wurde dann der Depressionzustand der Probanden über den Standardtest erfasst.
Vielversprechende Pilotstudie
Wie die Forscher berichten, führte die Pilotstudie zu einem vielversprechenden Ergebnis: Die Behandlung bewirkte bei den Probanden der 10-Hertz-tACS-Gruppe tatsächlich eine Abnahme der Alpha-Oszillationen im linken präfontalen Cortex – es bildete sich eine Harmonie mit der rechten Seite aus. Was die Wirkung auf die Depression betrifft, ergab die Überprüfung der Symptome nach zwei Wochen einen deutlichen Effekt: Bei 70 Prozent der Patienten hatten sich die Depressionssymptome um die Hälfte reduziert, berichten die Forscher. Bei einigen Teilnehmern war ein derart starker Rückgang zu verzeichnen, dass das Team derzeit Fallstudien über sie erstellt. Allerdings scheint es sich um einen vorübergehenden Effekt zu handeln: Nach vier Wochen war die Ausprägung der Depression wieder auf dem Ausgangsniveau angelangt, geht aus den Auswertungen hervor.
Wie die Wissenschaftler betonen, ist nun eine Überprüfung des Ergebnisses und eine weitere Untersuchung der Wirkung mit mehr Probanden nötig. „Um das Verfahren erstmal zu testen, handelte es sich um eine kleine Studie mit nur 32 Probanden“, sagt Frohlich. „Nun, da sich abzeichnet, dass das tACS-Verfahren Depressionssymptome reduzieren kann, wird es weitergehen.“ Er und seine Kollegen rekrutieren momentan Probanden für eine weitere Studie. „Wir hoffen, dass sich aus unseren Ergebnissen eine relativ kostengünstige und nichtinvasive Behandlungsform entwickelt, die vielen Menschen helfen kann“, so der Wissenschaftler.