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Neue Daten zu Sinusvenenthrombosen

Covid-19-Impfung

Neue Daten zu Sinusvenenthrombosen
Adern des Gehirns
Gefäße des Gehirns. (Bild: Raycat/ iStock)

Eine Auswertung der Deutschen Gesellschaft für Neurologie bestätigt: Sinusvenenthrombosen sind nach einer Impfung mit AstraZeneca häufiger als nach einer Impfung mit den mRNA-Impfstoffen von BioNTech und Moderna. Auffällig war, dass das Risiko nicht nur bei jüngeren, sondern auch bei älteren Frauen erhöht ist. Dieser Befund könnte Auswirkungen auf die zukünftige Impfstrategie haben. Die Forscher betonen jedoch, dass das Risiko insgesamt sehr gering ist und der Nutzen der Impfungen bei weitem überwiegt.

Der Impfstoff ChAdOx1 von AstraZeneca steht in Kritik, da er in sehr seltenen Fällen als schwere Nebenwirkung Thrombosen in den Sinus- und Hirnvenen verursachen kann. Diese Thrombosen, bei denen der Blutabfluss aus dem Gehirn gestört ist, können zu schwerwiegenden neurologischen Schäden und Schlaganfällen führen. Nachdem die ersten Fälle bekannt wurden, setzte Deutschland die Impfungen mit AstraZeneca zwischenzeitlich aus und änderte die Impfempfehlung danach dahingehend, dass nur noch Personen über 60 Jahren diesen Impfstoff erhalten. Für diese Altersgruppe galt das Thromboserisiko bislang als geringer.

Neurologische Kliniken in Deutschland befragt

Eine als Preprint veröffentlichte Erhebung der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) zeigt nun: Auch für Frauen über 60 Jahren bringt die Impfung mit AstraZeneca ein erhöhtes Risiko für Sinusvenenthrombosen mit sich. Ein Team um Jörg Schulz von der RWTH Aachen hat für die Studie alle neurologischen Kliniken Deutschlands befragt, wie viele Fälle von zerebralen Sinus- und Hirnvenenthrombosen sowie ischämischen und hämorrhagischen Schlaganfällen innerhalb eines Monats nach einer Sars-CoV-2-Impfng aufgetreten sind. Insgesamt gingen 87 Meldungen ein, von denen Experten für 62 einen möglichen Zusammenhang zur Impfung bestätigten.

53 der 62 bestätigten Fälle traten nach einer Impfung mit dem AstraZeneca-Impfstoff auf, neun nach einer Impfung mit dem BioNTech-Impfstoff. Beim Moderna-Impfstoff wurden bislang keine Ereignisse beobachtet. Allerdings wurden von dieser Vakzine bis zum Ende der Datenerhebung Mitte April auch nur 1,2 Millionen Dosen verabreicht, verglichen mit 16,2 Millionen Dosen BioNTech und 4,6 Millionen Dosen AstraZeneca. Bei den bestätigten Fällen handelte es sich in 45 Fällen um Sinusvenenthrombosen (davon 37 nach AstraZeneca-Impfung, acht nach BioNTech-Impfung). Zudem gab es neun Berichte von Schlaganfällen, davon einer nach BioNTech-Impfung, und vier Fälle von Hirnblutungen, alle nach AstraZeneca-Impfung.

Frauen stärker betroffen als Männer

Mehr als Dreiviertel der berichteten Nebenwirkungen traten bei Frauen auf. Von den 45 Personen mit Sinusvenenthrombosen waren 36 unter 60 Jahre alt. Für eine bessere Vergleichbarkeit setzten die Forscher die aufgetretenen Fälle in Beziehung zur Gesamtzahl der Personen des gleichen Geschlechts und Alters, die den jeweiligen Impfstoff erhalten hatten. So berechneten sie die Ereignisrate pro 100.000 Personenjahre. Für Frauen unter 60 Jahren lag die Ereignisrate für Sinusvenenthrombosen nach Verabreichung des AstraZeneca-Impfstoffs bei 24,2 pro 100.000 Personen und Jahr, bei gleichaltrigen Männern mit 8,9 pro 100.000 fast dreimal niedriger. Für BioNTech lag die Rate für unter 60-Jährige bei 3,6/100.000 für Frauen und 3,5/100.000 für Männer. Über 60-jährige Frauen wiesen nach Impfung mit BioNTech eine sehr geringe Ereignisrate von 0,8/100.000 Personenjahre auf, bei Männern über 60 Jahre gab es keine Ereignisse, egal mit welchem Impfstoff sie geimpft worden waren.

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„Bis dahin haben uns die Daten nicht überrascht“, sagt Co-Autor Tobias Kurth von der Charité-Universitätsmedizin. „Allerdings haben wir ein neues Sicherheitssignal gesehen.“ Anders als erwartet betrug die Inzidenz für Frauen über 60 Jahren nach Gabe des AstraZeneca-Impfstoffs nämlich 20,5/100.000 Personenjahre. „Unsere Daten zeigen also: Auch ältere Frauen haben ein erhöhtes Risiko, Sinus- und Hirnvenenthrombosen nach Gabe des AstraZeneca-Vakzins zu erleiden. Ob dies zu einer Änderung der Empfehlung für die Impfung mit ChAdOx1 führt, sollte mit den vorliegenden Daten in einer Risiko-Nutzen-Analyse schnell bewertet werden.“

Transparent kommunizieren

Die Ursache für das erhöhte Risiko ist nach aktuellem Kenntnisstand eine sogenannte Vakzin-induzierte immunogene thrombotische Thrombozytopenie (VITT). Dabei bilden sich Antikörper gegen einen Teil des unspezifischen Immunsystems, den sogenannten Plättchenfaktor 4 (PF4). Offenbar reagiert der auf den Blutplättchen sitzende PF4 mit Bestandteilen des Impfstoffs und bildet Komplexe, an die wiederum die Antikörper binden. Dies führt zu einer Verklumpung bis hin zur Thrombose. Um welchen Bestandteil des Impfstoffs es sich genau handelt, ist bisher noch nicht geklärt.

Angesichts der vielen Millionen verimpfter Dosen sei die Anzahl schwerwiegender Nebenwirkungen sehr gering, betonen die Forscher. „Bei der Abwägung muss auch berücksichtigt werden, dass das Risiko einer Sinus-Venenthrombose bei einer Covid-19-Infektion um den Faktor zehn erhöht ist, die Erkrankung führt verhältnismäßig häufig zu thrombotischen Ereignissen mit Todesfolge, die Impfung nur extrem selten“, erklärt Co-Autor Hans Christoph Diener von der Universität Duisburg-Essen. Auch DGN-Präsident Christian Gerloff bekräftigt: „Global gesehen überwiegt der Nutzen der in Deutschland zugelassenen Impfstoffe die sehr geringen Risiken um ein Vielfaches.“

Wichtig sei es aber, transparent zu kommunizieren, dass auch ältere Frauen ein erhöhtes Thromboserisiko nach der AstraZeneca-Impfung haben. „Wir stellen damit nicht die Impfung in Frage, auch nicht das AstraZeneca-Vakzin, denken aber, dass alle Personen, vor allem Frauen vor der Impfung über dieses Risiko aufgeklärt werden sollten, gerade auch im Hinblick darauf, auf welche Symptome sie im Nachgang zu achten haben. Außerdem sollte sehr zeitnah eine neue Risiko-Nutzen-Bewertung durch die zuständigen Behörden erfolgen“, so Gerloff.

Quelle: Jörg Schulz (RWTH Aachen) et al., Preprint, doi: 10.1101/2021.04.30.21256383
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