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Schlaganfall: Untergang im „Spülwasser“

Gesundheit|Medizin

Schlaganfall: Untergang im „Spülwasser“
Nach einem Schlaganfall kann es im Gehirn zu bedrohlichen Schwellungen kommen. (Bild: peterschreiber.media/iStock)

Wie kommt es zu den lebensgefährlichen Schwellungen, die nach einem Schlaganfall im Gehirn auftreten können? Untersuchungsergebnisse an Mäusen zeigen nun: Flüssigkeit aus dem „Spülsystem“ des Gehirns kann das Nervengewebe nach einem Schlaganfall fluten und zu den bedrohlichen Ödemen führen. Die neuen Einblicke könnten dazu diene, neue Behandlungsmöglichkeiten dieser häufigen Komplikation nach Schlaganfällen zu entwickeln, sagen die Forscher.

Ein Pfropfen bildet sich und blockiert ein Blutgefäß im Gehirn: Bei einem Schlaganfall wird die Sauerstoff- und Nährstoffversorgung von Teilen des Gehirns unterbrochen – dadurch besteht Lebensgefahr und bleibende Schäden wie Lähmungen oder kognitiven Störungen drohen. Neben der Unterversorgung kann bei einem Hirninfarkt allerdings noch ein weiterer Effekt für Schäden sorgen: Es entsteht ein sogenanntes zerebrales Ödem – Flüssigkeit sammelt sich an und verursacht eine lebensgefährliche Schwellung im Nervengewebe. Das Problem: Da das Gehirn im Schädel eingeschlossen ist, hat es keinen Platz, um sich auszudehnen. Somit kann erhöhter Druck einstehen, der Hirngewebe schädigt oder sogar ein Versagen des Herz-Kreislauf- und Atmungssystems verursacht. Im Extremfall müssen Chirurgen deshalb einen Teil des Schädels entfernen, um den Druck auf das Gehirn zu verringern.

Den Hirn-Schwellungen auf der Spur

Trotz der Bedeutung der Komplikation ist unklar, warum es nach einem Schlaganfall zu den bedrohlichen Schwellungen kommt und auch die Behandlungsmöglichkeiten sind beschränkt. Bisher ging man davon aus, dass die Flüssigkeit, die zu den Ödemen führt, aus dem Blut stammt. Doch die Untersuchungen der Wissenschaftler um Maiken Nedergaard vom University of Rochester Medical Center verweisen nun auf eine andere Quelle: das sogenannte glymphatische System. Dabei handelt es sich um ein Netzwerk aus winzigen Kanälen, in denen sich Hirnwasser bewegt. Die Bezeichnung glymphatisches System entstand aufgrund der Verknüpfung mit den sogenannten Gliazellen des Nervengewebes im Gehirn. Ähnlich wie das Lymphsystem im Rest des Körpers ist das glymphatische System für den Abtransport von Abfallstoffen aus dem Nervensystem zuständig. Seine Flüssigkeit besitzt somit gleichsam die Funktion von Spülwasser im Gehirn. Vor allem nachts erfolgt der Waschgang in unserem Denkorgan, haben bisherige Untersuchungen gezeigt.

Dass die Flüssigkeit des glymphatischen System die Schwellungen nach einem Schlaganfall verursacht, zeichnete sich im Rahmen von Untersuchungen an Mäusen ab, bei denen Mestre und seine Kollegen experimentelle Schlaganfälle auslösten. Durch Hirnscans mittels Magnetresonanztomographie und radiaktive Markierungssubstanzen konnten sie anschließend Einblick in die Effekte beim Entstehen von zerebralen Ödemen gewinnen sowie die Quelle der problematischen Flüssigkeitsansammlungen bestimmen.

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Eine Flut aus Hirnwasser zeichnet sich ab

Wie die Forscher berichten, geht aus ihren Ergebnissen nun folgender Ablauf hervor: Wenn Hirngewebe in der Folge eines Schlaganfalls unterversorgt ist, kommt es zu Depolarisierungen von Nervenzellen – sich fortpflanzenden neuronalen Störungen. Dies führt letztlich dazu, dass sich Muskelzellen, die die Wände der Blutgefäße auskleiden, zusammenziehen. Dadurch können sich Bereiche mit erheblichem Unterdruck bilden. In der Folge strömt dort Hirnwasser aus dem glymphatischen System ein, geht aus den Untersuchungsergebnissen hervor. Diese Flut kann dann das betroffene Hirngewebe schädigen und verursacht das Anschwellen, erklären die Wissenschaftler. „Diese Ergebnisse zeigen, dass das glymphatische System eine zentrale Rolle bei der Entstehung der akuten Gewebeschwellung im Gehirn nach einem Schlaganfall spielt“, resümiert Nedergaard.

Den Wissenschaftlern zufolge könnten die Ergebnisse nun die Grundlage zur Entwicklung neuer Behandlungsmöglichkeiten bilden. Im Rahmen ihrer Studie sind die Forscher auch bereits auf einen Ansatzpunkt gestoßen: Offenbar spielt ein bestimmtes Kanal-Protein mit der Bezeichnung Aquaporin-4 eine Rolle im Ablauf, der zu dem Flüssigkeitseinstrom führt. Denn als das Team die Schlaganfall-Experimente an Mäusen durchführte, die einen genetisch bedingten Mangel an Aquaporin-4 aufweisen, stellten sie eine verlangsamte Ödembildung fest.

Interessanterweise werden momentan bereits Aquaporin-4-Inhibitoren entwickelt, die als potenzielle Medikamente bei Herzerkrankungen gelten. Den aktuellen Ergebnissen zufolge könnten diese Substanzen möglicherweise auch eine Wirkung bei der Behandlung von Schlaganfällen haben, sagen Nedergaard und ihre Kollegen.

Quelle: University of Rochester Medical Center, Fachartikel: Science, doi: 10.1126/science.aax7171

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