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Schnelles Schnecken-Insulin entwickelt

Gesundheit|Medizin

Schnelles Schnecken-Insulin entwickelt
Einige räuberische Meeresschnecken setzen ein schnell wirkendes Insulin ein, um ihre Beutetiere zu betäuben (Bild: Adam Blundell).

Überhöhter Blutzuckerspiegel! In einem solchen Fall kann eine Injektion mit Humaninsulin die Werte allerdings erst mit Verzögerung senken, denn das Hormon ist träge. Für dieses Problem präsentieren Forscher nun einen Lösungsansatz: Es klingt paradox – doch ausgerechnet ein Wirkstoff von Schnecken hat sie zur Entwicklung eines schnell wirkenden „Mini-Insulins“ inspiriert, das Diabetikern Soforthilfe leisten könnte. Tests an Ratten haben bereits zu vielversprechenden Resultaten geführt, berichten die Wissenschaftler.

Unser Kreislauf versorgt den Körper ständig mit Treibstoff – doch zu viel Zucker darf das Blut auch nicht enthalten. Für die entsprechende Regulation sorgt das berühmte Insulin. Es ermöglicht den Zellen des Körpers die Aufnahme der Glukose aus dem Blut. Bei Diabetes-Erkrankungen ist die Produktion des Insulins in der Bauchspeicheldrüse allerdings gestört. Dadurch können zu hohe Blutzuckerwerte entstehen, die den Organismus belasten. Zur Behandlung müssen sich Diabetiker deshalb künstlich Insulin durch Injektionen verabreichen.

Das menschliche Insulin ist für diesen Zweck aber eigentlich schlecht geeignet, denn es verklumpt. Unter normalen Umständen ist das auch sinnvoll, denn auf diese Weise wird das Hormon in der Bauchspeicheldrüse gespeichert. Nach einer Injektion muss das Humaninsulin allerdings erst in einzelne Moleküle aufbrechen, bevor es die gewünschte Wirkung im Patienten erfüllen kann. Dieser Prozess kann bis zu einer Stunde dauern. Eine schneller wirkende Form des Insulins würde somit das Risiko einer Hyperglykämie und anderer schwerwiegender Diabetes-Komplikationen verringern. An der Entwicklung eines entsprechenden Wirkstoffs arbeitet das internationale Forscherteam um Danny Hung-Chieh Chou von der University of Utah in Salt Lake City.

Von einer Jagdwaffe zum Medikament

Die Grundlage ihres aktuellen Durchbruchs bildete der Fund eines schnell wirkenden Insulins im Gift von Kegelschnecken. Diese räuberischen Meerestiere machen im Indopazifik Jagd auf Fische. Statt auf Schnelligkeit setzen sie dabei auf Raffinesse – sie betäuben ihre Opfer: Sie schleichen sich an ruhende Fische an und verströmen dann ein Betäubungsmittel ins Wasser, das diese über die Kiemen aufnehmen. Das Insulin darin bewirkt, dass die Opfer in einen Unterzucker-Zustand geraten, was zu Lähmungen führt. Anschließend können die Schnecken die paralysierten Opfer leicht erbeuten.

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Analysen des Schnecken-Insulins zeigten, dass ihm die Komponente fehlt, die beim menschlichen Insulin die Verklumpung verursacht. So entstand die Idee, es in eine Form umzuwandeln, die einen Einsatz als Diabetes-Medikament ermöglicht. Dabei standen die Wissenschaftler jedoch vor einem Dilemma: Das Schnecken-Insulin wirkt zwar schnell, hat beim Menschen aber einen eher schwachen Effekt – es ist etwa die 20- bis 30-fache Dosis nötig, um den Blutzuckerspiegel zu senken. „Deshalb haben wir versucht, die vorteilhaften Eigenschaften des Schnecken-Wirkstoffs auf das menschliche Insulin zu übertragen“, sagt Co-Autorin Helena Safavi von der Universität Kopenhagen.

Hybrid-Insulin – schnell und wirksam

Wie die Wissenschaftler berichten, konnten sie durch molekularbiologische Methoden bestimmte Bausteine des Schnecken-Insulins isolieren und sie für die Konstruktion eines Hybrid-Moleküls verwenden. Dafür verknüpften sie diese Bausteine mit einer abgespeckten Version des Humaninsulins zu einem Gebilde, das nicht verklumpt und dennoch intensiv an den Insulinrezeptor menschlicher Zellen bindet. „Wir haben letztlich unser Insulin schneckenähnlich gemacht“, sagt Safavi.

Ob das Mini-Insulin hält, was es verspricht, haben die Wissenschaftler an Ratten getestet, deren Insulin dem menschlichen weitgehend gleicht. So zeigte sich: Der innovative Hybridwirkstoff entfaltete die gleiche Wirksamkeit wie Humaninsulin, wirkte aber tatsächlich deutlich schneller. „Mit nur wenigen strategischen Substitutionen haben wir somit eine potente, schnell wirkende Molekularstruktur erzeugt, die das bisher kleinste, voll aktive Insulin darstellt“, resümiert Chou.

„Das ist ein wichtiger Schritt bei unserem Ziel, die Diabetesbehandlung sicherer und wirksamer zu machen“, sagt der Wissenschaftler. Er und seinen Kollegen wollen sich nun der Umsetzung der Substanz in ein Medikament widmen. Da das Mini-Insulin leicht zu synthetisieren ist, ist es ein erstklassiger Kandidat für die Entwicklung einer neuen Generation von Insulintherapeutika, sind die Wissenschaftler überzeugt.

Video: Eine Kegelschnecke betäubt einen Fisch durch die Abgabe eines schnell wirkenden Insulins: Das Hormon löst eine Unterzuckerung im Opfer aus. Anschließend kann die Schnecke das Opfer leicht erbeuten. (Credit: University of Utah Health)

Quelle: University of Utah, Fachartikel: Nature Structural & Molecular Biology, doi: 10.1038/s41594-020-0430-8

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