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„Sport-Protein“ wirkt gegen Alzheimer

Gesundheit|Medizin

„Sport-Protein“ wirkt gegen Alzheimer
Demenz
Alzheimer ist eine der häufigsten neurodegenerativen Erkrankungen weltweit. (Bild: quickshooting/ istock)

Eine Reihe von Studien haben in der Vergangenheit darauf hingedeutet, dass Bewegung Demenzerkrankungen wie Alzheimer ausbremsen kann. Nun haben Forscher eine mögliche Erklärung für diesen Effekt gefunden. Demnach gelangt ein bei körperlicher Aktivität vermehrt ausgeschütteter Botenstoff von den Muskelzellen ins Gehirn – und entfaltet dort eine schützende Wirkung. Bei demenzkranken Mäusen führte dies unter anderem zu weniger starken Gedächtnisverlusten. Welche Rolle der Botenstoff bei Alzheimer-Erkrankungen des Menschen spielt, müssen künftig weitere Untersuchungen zeigen.

Demenzerkrankungen wie Alzheimer gehören zu den folgenschwersten Erkrankungen des Alters und betreffen weltweit Millionen von Menschen. Allein in Deutschland leben gegenwärtig rund 1,7 Millionen Patienten mit einer Demenz – Leiden, für die bisher kaum wirksame Therapiemethoden zur Verfügung stehen. Doch es gibt Hoffnung. Wissenschaftler erforschen derzeit nicht nur eine Reihe vielversprechender Wirkstoff-Kandidaten. Sie bringen auch immer mehr über mögliche Präventionsmaßnahmen ans Licht. Zum Beispiel Bewegung: Mediziner gehen inzwischen davon aus, dass Sport Alzheimer vorbeugen oder das Auftreten der Erkrankung zumindest verzögern kann.

Ein Forscherteam um Mychael Lourenco von der Staatlichen Universität Rio de Janeiro in Brasilien hat nun einen möglichen Grund für die schützende Wirkung von regelmäßiger körperlicher Aktivität aufgedeckt. Demnach könnte ein beim Sport vermehrt von den Muskelzellen ausgeschütteter Botenstoff für den positiven Effekt verantwortlich sein: das Protein Irisin. Lourenco und seine Kollegen beobachteten, dass die Konzentration von Irisin und seinem Vorläufer FNDC5 im Gehirn von Alzheimer-Patienten im Vergleich zu gesunden Personen auffällig niedrig ist. Bekannt ist, dass Irisin von den Muskeln zu anderen Geweben des Körpers wandert und neben dem Fettstoffwechsel zum Beispiel auch die Bildung von Nervenzellen ankurbelt. Doch welche Rolle spielt das Molekül bei Demenz?

Von den Muskeln ins Gehirn

Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, führten die Wissenschaftler Experimente mit Mäusen durch. Es zeigte sich: Auch bei an Alzheimer erkrankten Nagern finden sich nur geringe Mengen dieses Botenstoffs im Gehirn. Der Rückgang des Irisins scheint dabei mit der Produktion sogenannter Beta-Amyloid-Oligomere zusammenzuhängen. Schädliche Ablagerungen dieser Proteine sind ein typisches Symptom der Alzheimer-Erkrankung. Die Wissenschaftler vermuteten, dass der niedrige FNDC5/Irisin-Spiegel für einen Teil der kognitiven Beeinträchtigungen bei dieser Demenzform verantwortlich ist. Tatsächlich offenbarte sich: Reduzierten sie die Konzentration des Botenstoffs mithilfe genetischer und pharmakologischer Methoden bei gesunden Mäusen, zeigten auch diese Tiere auf einmal Alzheimer-ähnliche Symptome – unter anderem Gedächtnisprobleme und eine verminderte synaptische Plastizität.

Umgekehrt schien die künstliche Gabe des Botenstoffs bei kranken Mäusen dem Fortschreiten der Symptomatik entgegenzuwirken. Ein ähnlicher Effekt ließ sich mit einem regelmäßigen Sportprogramm erreichen, wie das Forscherteam berichtet. Mäuse, die tägliche Schwimmeinheiten absolvierten, litten demnach unter weniger starken Gedächtnisverlusten. Ein Blick ins Gehirn bestätigte, dass durch die Bewegung tatsächlich auch die Konzentration von FNDC5/Irisin im Gehirn wieder angestiegen war. Wie aber kommt dieser positive Effekt des Botenstoffs zustande? Weitere Untersuchungen ergaben: Irisin scheint unter anderem die Aktivität bestimmter Gene zu unterdrücken, deren Expression durch die Beta-Amyloid-Proteine angeregt wird. Außerdem verhinderte es im Experiment den Verlust der Dornenfortsätze dendritischer Nervenzellen – ebenfalls ein Effekt, der durch die Anlagerung von Beta-Amyloid-Proteinen zustande kommen kann. Darüber hinaus kurbelte der Botenstoff einen CAMP-PKA-CREB genannten Signalweg an – dieser ist unter anderem für die Gedächtnisbildung wichtig.

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Neue Therapiemöglichkeiten?

„Die aufregende, in dieser Studie entdeckte Muskel-Gehirn-Verbindung erweitert die Rolle, die periphere Gewebe für die Gesundheit des Gehirns und seine Erkrankungen spielen“, schreiben die nicht an der Studie beteiligten Neurowissenschaftler Xu Chen und Li Gan von der University of California in San Francisco in einem Kommentar. Allerdings seien weitere Forschungsarbeiten notwendig, um die genaue Bedeutung von FNDC5/Irisin im Gehirn zu verstehen. Wie gelangt Irisin überhaupt ins Denkorgan und hat das Protein beim Menschen ähnlich positive Effekte wie bei Mäusen? Fragen wie diese wollen die Studienautoren in Zukunft klären. Dabei hoffen sie, dass ihre Ergebnisse eines Tages neue Therapiemöglichkeiten gegen den geistigen Verfall bei Alzheimer-Patienten eröffnen.

Quelle: Mychael Lourenco (Staatliche Universität Rio de Janeiro, Brasilien) et al., Nature Medicine, doi: 10.1038/s41591-018-0275-4

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