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Wie Darmbakterien mit dem Körper kommunizieren

Gesundheit|Medizin

Wie Darmbakterien mit dem Körper kommunizieren
FLuoreszenz
Diese beiden Nervenzellen einer Maus leuchten rot, weil sie das Stoffwechselprodukt eines Darmbakteriums aufgenommen haben. (Bild: Stefan Momma/ Goethe-Universität Frankfurt)

Die Bakterien in unserem Darm beeinflussen unseren Körper auf vielfältige Weise. Sie trainieren unser Immunsystem, beeinflussen Stoffwechselprozesse und können sich womöglich sogar auf unsere psychische Gesundheit auswirken. Doch wie kommuniziert das Darmmikrobiom mit unserem Körper? Das haben Forscher nun an Mäusen herausgefunden. Demnach verpacken Darmbakterien ihre Stoffwechselprodukte in kleine Membranbläschen, sogenannte Vesikel, und lassen sie über die Blutbahn in den ganzen Körper transportieren. Auf diese Weise gelangen die bakteriellen Biomoleküle in verschiedene Organe und können sogar die Blut-Hirn-Schranke überwinden.

Billionen von Bakterien besiedeln unseren Darm und bilden das sogenannte Darmmikrobiom. Schätzungen zufolge kommen auf jede menschliche Körperzelle 1,3 Bakterienzellen und alle Darmbakterien zusammen haben etwa 150-mal so viele Gene wie wir selbst. Die Genprodukte unseres Mikrobioms interagieren durch direkten Kontakt mit den Zellen unserer Darmschleimhaut, wirken aber auch weit über den Darm hinaus. Wie sie allerdings entfernte Organe wie Leber, Niere oder Gehirn erreichen, war bislang unklar. Eine Hypothese war, dass bakterielle Stoffwechselprodukte wie Proteine und RNA-Erbmoleküle über Vesikel durch die Blutbahn im Körper verteilt werden.

Rotes Leuchten als Marker

Diese Hypothese hat ein Team um Miriam Bittel von der Universität Erlangen-Nürnberg nun bestätigt. Um den Weg der bakteriellen Biomoleküle im Körper nachverfolgen zu können, bedienten sie sich eines Tricks: Sie nutzten Mäuse, die genetisch so manipuliert waren, dass sie ein Gen besaßen, das bei Kontakt mit einer bestimmten Genschere aktiviert wird und ein rot leuchtendes Protein herstellt. Den Darm dieser Mäuse besiedelten sie mit E.-coli-Bakterien, die eben diese Genschere produzierten. Körperzellen der Maus, die in Kontakt mit der bakteriell hergestellten Genschere kamen, begannen also, rot zu fluoreszieren und waren auf diese Weise leicht identifizierbar.

Das Ergebnis: „Wir beobachteten eine rote Fluoreszenz bei den Zellen entlang des Darmepithels, einschließlich Darmstammzellen und Immunzellen der Schleimhaut wie Makrophagen“, berichten die Forscher. „Darüber hinaus induzierte die bakteriell hergestellte Genschere auch weit außerhalb des Darms für eine Aktivierung des Markergens in einer Vielzahl von Geweben, darunter Herz, Leber, Niere, Milz und Gehirn.“ Unter dem Elektronenmikroskop konnten Bittel und ihre Kollegen zudem nachweisen, dass die E.-coli-Bakterien die Genprodukte tatsächlich in Bläschen mit einer Größe von 50 bis 150 Nanometern verpackt hatten. Versuche an Zellkulturen zeigten zudem, dass die Vesikel über verschiedene Mechanismen mit den Wirtszellen fusionieren können und so ihren Inhalt abliefern.

Vesikel als Shuttle-System

„Zusammengenommen bieten unsere Ergebnisse eine Methode und einen Grundsatzbeweis dafür, dass Vesikel als biologisches Shuttle-System für den Transfer funktioneller Biomoleküle zwischen Bakterien und Wirtszellen von Säugetieren dienen können“, so die Forscher. Co-Autor Stefan Momma von der Goethe-Universität Frankfurt am Main kommentiert: „Besonders beeindruckend ist, dass die Vesikel der Bakterien auch die Blut-Hirn-Schranke überwinden und auf diese Weise in das ansonsten sehr gut abgeschottete Gehirn gelangen können. Und dass die bioaktiven Bakterienstoffe sogar von Stammzellen der Darmschleimhaut aufgenommen wurden zeigt uns, dass Darmbakterien womöglich sogar dauerhaft die Eigenschaften der Darmschleimhaut verändern können.“

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Aus Sicht der Forscher könnte ihre Untersuchungsmethode dazu beitragen, den Einfluss von Darmbakterien auf Krankheiten besser zu verstehen. Die neuen Erkenntnisse zur Verteilung von Vesikeln im Körper könnten zudem auch therapeutisch und diagnostisch genutzt werden: „Vesikel stehen in der Pipeline als neuartige, intelligente Wirkstoffträger für die gezielte Verabreichung von Medikamenten, als Biomarker in der Diagnostik und Krebsfrüherkennung sowie als vielversprechendes Instrument für die Entwicklung von Impfstoffen“, so die Forscher. „Unsere Studie liefert grundlegende neue Informationen über die zellulären Ziele von Vesikeln im gesamten Wirtssystem, was von besonderem Interesse ist, um die biologische Reichweite solcher neuartigen Therapien besser einschätzen zu können.“

Quelle: Miriam Bittel (Universität Erlangen-Nürnberg) et al., Journal of Extracellular Vesicles, doi: 10.1002/jev2.12159

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