Anzeige
1 Monat GRATIS testen, danach für nur 9,90€/Monat!
Startseite »

Wie das Gehirn aus Überraschungen lernt

Gesundheit|Medizin

Wie das Gehirn aus Überraschungen lernt
Gehirn
Wie reagiert unser Gehirn auf Überraschendes? © da-kuk/ iStock

Wenn unser Verhalten andere Reaktionen auslöst als erwartet, lernen wir daraus und passen unser Verhalten zukünftig an. Welche Rolle dabei Botenstoffe im Gehirn spielen, haben Forscher nun an Mäusen untersucht. Dabei zeigten sie, dass der Neuromodulator Noradrenalin sowohl daran beteiligt ist, erlernte Verhaltensweisen anzuwenden, als auch dann ausgeschüttet wird, wenn das Ergebnis anders ist als erwartet. In diesem Fall sorgt das Noradrenalin für eine erhöhte Aufmerksamkeit, die hilft, aus dem Ereignis zu lernen.

Der Botenstoff Noradrenalin wirkt im Körper als Stresshormon und Neuromodulator. Gebildet wird er zum einen im Nebennierenmark, von wo aus er zur Regulation von Körperfunktionen wie dem Blutdruck freigesetzt wird. Zum anderen wird Noradrenalin im Gehirn vom sogenannten Locus coeruleus gebildet und ausgeschüttet. Diese Region im Mittelhirn erhält Input aus vielen anderen Teilen des Gehirns und beeinflusst diese wiederum durch eigene Nervensignale und die Freisetzung von Noradrenalin. Welche Aufgaben genau das Noradrenalin im Gehirn erfüllt, war bislang allerdings noch unklar.

Manipulationen am Mäusegehirn

Ein Team um Vincent Breton-Provencher vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge hat die Funktionen von Noradrenalin im Gehirn nun an Mäusen erforscht. Zunächst setzten die Forscher den Tieren dazu Implantate ins Gehirn, mit der n Hilfe sich die Aktivität des Locus coeruleus überwachen und durch optogenetische Signale beeinflussen ließ. Dann setzten die Forscher die Versuchstiere auf Trinkwasserentzug und trainierten sie darauf, bei einem bestimmten Tonsignal einen Hebel zu drücken. Drückten die Tiere richtig, erhielten sie als Belohnung einen Tropfen Wasser. Bei einem anderen Tonsignal hingegen, einem tieferen Ton, durften die Tiere den Hebel nicht drücken. Andernfalls wurden sie mit einem unangenehmen Luftstoß ins Gesicht bestraft.

Während des Versuchs variierten die Forscher die Lautstärke des jeweiligen hohen oder tiefen Tons. Erklang der belohnungsversprechende hohe Ton lauter, war es wahrscheinlicher, dass die Mäuse den Hebel drückten. Bei leiseren Tonsignalen hingegen wirkten sie unsicherer. Gerade in diesen Situationen, in denen das Tier unsicher ist, ob es eine Belohnung erhalten wird, spielt offenbar der Locus coeruleus eine wichtige Rolle. „Das Tier drückt, weil es eine Belohnung erhalten möchte, und der Locus coeruleus liefert wichtige Signale, um zu sagen: Drück jetzt, denn die Belohnung wird kommen“, erklärt Breton-Provenchers Kollege Mriganka Sur. Hemmten die Forscher dagegen den Locus coeruleus mit Hilfe optogenetischer Signale, drückten die Mäuse bei Unsicherheit den Hebel seltener. Bei lauten Tönen dagegen blieb ihr Verhalten unverändert.

Noradrenalin für Verhaltensänderungen

Zusätzlich zu dem Noradrenalinschub zu Beginn der Handlung stellten die Forscher einen weiteren nach Ende der Aktion fest – insbesondere, wenn das Ergebnis unerwartet kam. Erhielt die Maus statt der erwarteten Belohnung einen unangenehmen Luftstoß, schüttete der Locus coeruleus eine große Menge Noradrenalin aus, und in den folgenden Versuchen drückte die Maus viel seltener den Hebel, wenn sie nicht sicher war, dass sie eine Belohnung erhalten würde. „Das Tier passt sein Verhalten ständig an“, sagt Sur. „Auch wenn es die Aufgabe bereits gelernt hat, adjustiert es sein Verhalten auf der Grundlage dessen, was es gerade erlebt hat.“

Anzeige

Um auszuschließen, dass der Noradrenalinschub und die folgende Zurückhaltung nur aufgrund des negativen Ereignisses und nicht aufgrund der Überraschung waren, machten die Forscher den gleichen Versuch mit positiven Überraschungen und gaben den Mäusen zu unerwarteten Zeitpunkten eine Belohnung. Auch in diesem Fall trat die Noradrenalinausschüttung auf. Das Noradrenalin verteilte sich dabei in weiten Teilen des Gehirns, darunter auch dem präfrontalen Kortex, der mit Planung und anderen höheren kognitiven Funktionen in Verbindung gebracht wird.

Aufmerksamkeit für Überraschendes

„Was diese Arbeit zeigt, ist, dass der Locus coeruleus unerwartete Ereignisse kodiert, und dass die Aufmerksamkeit für diese überraschenden Ereignisse für das Gehirn entscheidend ist, um eine Bestandsaufnahme seiner Umgebung zu machen“, sagt Sur. In zukünftigen Studien wollen die Forscher untersuchen, wie genau der präfrontale Kortex auf die Signale des Locus coeruleus reagiert, um aus dem Erlebten zu lernen. Zusätzlich wollen sie die Wechselwirkungen zwischen Noradrenalin und anderen Neuromodulatoren wie Dopamin untersuchen, die ebenfalls auf unerwartete Belohnungen reagieren.

Quelle: Vincent Breton-Provencher (Massachusetts Institute of Technology, Cambridge) et al., Nature, doi: 10.1038/s41586-022-04782-2

Anzeige

Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

  • Wie kann die Wissenschaft helfen, die Herausforderungen unserer Zeit zu meistern?
  • Was werden die nächsten großen Innovationen?
  • Was gibt es auf der Erde und im Universum noch zu entdecken?

Hören Sie hier die aktuelle Episode:

Aktueller Buchtipp

Sonderpublikation in Zusammenarbeit  mit der Baden-Württemberg Stiftung
Jetzt ist morgen
Wie Forscher aus dem Südwesten die digitale Zukunft gestalten

Wissenschaftslexikon

Ethyl|al|ko|hol  〈m. 1; unz.; Chem.〉 = Alkohol (2); oV Äthylalkohol … mehr

Bin|de|haut  〈f. 7u; Anat.〉 schleimige, die Innenseite der Augenlider u. die Vorderseite des Augapfels überziehende Haut

Meer|bar|be  〈f. 19; Zool.〉 farbenprächtiger, schmackhafter Meeresfisch: Mullidae; Sy Seebarbe … mehr

» im Lexikon stöbern
Anzeige
Anzeige
Anzeige