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Erkennen, wenn ein Auto lügt

Mobilität

Erkennen, wenn ein Auto lügt
Sicherheit wird groß geschrieben: Bereits im Fahrzeug analysieren die Ulmer Wissenschaftler Frank Kargl (rechts) und Matthias Matousek die bei einer Testfahrt aufgezeichneten Daten. Die werden anschließend für eine detaillierte Analyse in ein System übertragen, das unter anderem mit Methoden der Künstlichen Intelligenz arbeitet. (Foto: Wolfram Scheible für bdw)

Fahrzeuge, die miteinander vernetzt sind, sollen den Verkehr sicherer, flüssiger und abgasärmer machen. Doch dafür dürfen sie nicht auf gefährliche Falschinformationen hereinfallen

von FRANK FRICK

Ein Auto mitsamt Insassen beschleunigt auf einem verlassenen Parkdeck rasant, durchbricht die Absperrung und fällt in die Tiefe: Jemand hat die Software der Bordelektronik gehackt und das Auto fremdgesteuert.

Der Drehbuch-Autor der Folge „Mord ex Machina“ der Fernseh-Krimireihe Tatort hatte sich womöglich von den Versuchen zweier US-Sicherheitsforscher inspirieren lassen. Charlie Miller und Chris Valasek hatten 2015 über das Mobilfunknetz und mit einem Laptop die Kontrolle über einen Jeep Cherokee gewonnen, der auf der Autobahn fuhr. Sie manipulierten aus der Ferne die Lautstärke des Autoradios ebenso wie die Fahrgeschwindigkeit. Ihr Angriff erfolgte über das Infotainment-System, in dem unter anderem Radio, Navigationsgerät und Fahrassistent zusammengeführt sind. Inzwischen haben wohl alle Automobilhersteller Experten in ihren Diensten, die Fahrzeuge gegen solche böswilligen Zugriffe zu wappnen versuchen.

Das Einfallstor für Hacker wird noch größer, wenn künftig Autos untereinander auch direkt kommunizieren. Daran arbeitet die Industrie schon seit mehr als zehn Jahren intensiv. Denn Autos, die Informationen austauschen, bieten viele Vorteile. Typische Szenarien: Ein vernetztes Fahrzeug warnt Fahrer in nachfolgenden Autos kurzfristig, wenn plötzlich eine Unfallstelle, verlorene Fracht oder ein Geisterfahrer für Gefahr sorgt. Es schlägt Alarm, wenn an einer Kreuzung eine Kollision droht. Zudem sorgen vernetzte Autos, die auch mit Ampeln und Verkehrsleitsystemen in Kontakt stehen, für fließenden Verkehr: Sie empfehlen etwa ein Tempo, bei dem sich kein Stau bildet. Das hilft, Spritverbrauch und Abgasemission zu reduzieren.

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Mit Tempo 500 unterwegs? Solche Falschmeldungen werden aussortiert

Bereits 2006 haben Wissenschaftler um Frank Kargl erarbeitet, wie sich Autos untereinander zweifelsfrei identifizieren können – eine Voraussetzung für einen sicheren Informationsaustausch. „Wir haben definiert, dass vernetzte Fahrzeuge die Nachrichten digital signieren müssen. Sonst könnte jemand mit Laptop am Straßenrand sich sozusagen als Fahrzeug ausgeben und mit Falschinformationen Chaos auslösen“, sagt Kargl, Professor an der Universität Ulm. Der Direktor des Instituts für Verteilte Systeme betont: „Andererseits müssen die Fahrzeuge ihre Identität laufend wechseln, damit sie sich nicht nachverfolgen lassen – und die Privatsphäre so geschützt ist.“

Doch trotz Signatur und einem Zertifikat, bei dem die Identität verschleiert wird, können Autos Falschmeldungen verbreiten. Dabei müssen sie nicht einmal das Opfer eines Hacker-Angriffs oder eines Software-virus geworden sein. Auch defekte Sensoren oder Softwarefehler könnten dazu führen, dass ein Auto eine falsche Position, Geschwindigkeit oder Fahrtrichtung meldet. Kargl und sein Doktorand Rens van der Heijden haben im Projekt „Auto-Detect“ drei Jahre lang erfolgreich daran gearbeitet, dass die vernetzten Fahrzeuge der Zukunft nicht auf solche fehlerhaften Daten hereinfallen. In dem Projekt, das von der Baden-Württemberg Stiftung finanziert wurde und im Oktober 2018 auslief, sind die beiden Informatiker dazu neue Wege gegangen.

„Bei Projektbeginn gab es bereits viele Mechanismen, um Falschmeldungen zu erkennen“, sagt Kargl. So ist die Meldung eines Autos, mit Tempo 500 zu fahren, nicht glaubhaft. Prüfungen der Plausibilität in der Fahrzeugsoftware können solche Angaben ausfiltern. Andere Mechanismen testen, ob Daten frei von Widersprüchen sind: So können nicht mehrere Autos zeitgleich an der gleichen Stelle sein. Zudem wird die Reputation eines Autos überprüft: Die Meldung eines Fahrzeugs, das schon minutenlang richtige Infos sendet, erscheint glaubwürdiger als die erste Meldung eines Wagens, der gerade neu im Kommunikationsbereich angekommen ist.

Kritische Kommunikation
GrafiK: Continental AG

Künftig sollen autonome Fahrzeuge ständig miteinander in Kontakt stehen – und so für mehr Sicherheit im Straßenverkehr sorgen. Per Funk können sich die Wagen gegenseitig vor Gefahren wie Glätte, Unfällen oder Pannenfahrzeugen warnen. Auch wenn sich ein Auto einer unübersichtlichen Kreuzung nähert, kann es andere Verkehrsteilnehmer frühzeitig darauf hinweisen. Allerdings: Der Austausch von Informationen muss verlässlich sein. Das gewährleistet eine Technik, die Forscher aus Ulm entwickelt haben. Durch mehrere Mechanismen verhindert sie, dass weder Hacker, Computerviren noch ein Softwaredefekt falsche Mitteilungen streuen.

Während bisherige Sicherheitssoftware solche Tests meist in einer festen Reihenfolge abarbeitet, haben Kargl und van der Heijden ein „Framework“ entwickelt. In dieses Softwaresystem lassen sich die Erkennungsmechanismen flexibel einbinden. Das Framework führt die Ergebnisse der Mechanismen zusammen, indem es sie gewichtet und zu einem Gesamturteil verknüpft. Dabei nutzt das System eine Logik, die nicht nur „wahr“ und „falsch“ kennt, sondern auch den Grad des Vertrauens in ein Urteil beziffert.

Doch wie prüfen die Wissenschaftler, ob ihr Framework die Sicherheit im Netzwerk der Fahrzeuge erhöht? Die Antwort: Sie simulieren Fahrzeuge und Netzwerk. Am Computer wird etwa der Straßenverkehr in einer ganzen Stadt mit vernetzten Autos imitiert oder eine Kolonne solcher Fahrzeuge, die eine bestimmte Route nehmen.

Die Forscher lassen in Simulationen Autos verschiedene Arten von Lügen produzieren – und schauen, wie die anderen Fahrzeuge reagieren. „Die Simulationen zeigen, dass vernetzte Autos mit unserem Framework ‚Maat‘ Falschmeldungen besonders schnell und zuverlässig von korrekten Infos unterscheiden können“, sagt Kargl. Das ist auch wichtig, weil die Autos künftig wohl nicht nur Daten austauschen, sondern auch ohne Fahrer auskommen.

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