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Der Feldmarschall, der nicht meutern wollte

Erich von Manstein

Der Feldmarschall, der nicht meutern wollte
Ein Mann wird zum Symbol. In Mansteins Person verdichtete sich das für die bundesdeutsche Geschichtspolitik so wichtige und sinnstiftende Konstrukt, dass die Wehrmacht mit ihren 18 Millionen Angehörigen nicht an den ideologisch motivierten Kriegsverbrechen einiger tausend fanatischer Nazis beteiligt gewesen sei.

Als der verurteilte Kriegsverbrecher Erich von Manstein im Mai 1953 vorzeitig aus dem britischen Militärgefängnis in Werl ent‧lassen wurde, jubelten nicht nur die Kameraden und Ewiggestrigen. Mit dem Feldmarschall schien die gesamte Militärelite des „Dritten Reichs“, mehr noch, die gesamte Wehrmacht, ja eigentlich die gesamte Nation rehabilitiert zu sein, befreit vom Stigma des Verbrecherischen, bereit zum Aufbau einer neuen deutschen Armee. Seine Rückkehr in die Gesellschaft stand für die Integration aller ehemaligen Soldaten. Vorausgegangen war eine jahrelange Kampagne gegen die „Siegerjustiz“ der Alliierten, an der sich Politiker aller demokratischen Parteien ebenso beteiligten wie liberale Journalisten und britische Militärs. Manstein wurde zur Ikone einer professionell unübertroffenen Armee, die im nachträglichen Selbstlegitimierungsdiskurs vom NS-Regime und den „in deutschem Namen“ begangenen Verbrechen abgekoppelt wurde.

Manstein arbeitete unermüdlich und wirkungsmächtig an diesem Mythos, zuerst in den alliierten Kriegsverbrecherprozessen, dann vor allem in seinen Kriegserinnerungen, die 1955 unter dem bezeichnenden Titel „Verlorene Siege“ erschienen und sofort zum größten Verkaufserfolg aller Generalsmemoiren avancierten. Darin zeichnete er das Selbstbild eines unpolitischen Fachmanns, der von den Massenverbrechen nichts gewusst und lediglich seine selbstverständliche soldatische Pflicht getan habe. Die Fiktion einer strikten Trennung des Militärischen (Wehrmacht/Krieg) vom Politischen (NS-Regime/Verbrechen) erlaubte die Konzentration auf die Kämpfe gegen die Rote Armee, die zur Zeit des Kalten Krieges neue Legitimität gewannen. Manstein lenkte die Erinnerung auf die militärischen Leistungen, auf die Siege, die im notwendigen Krieg gegen den sowjetischen Erzfeind nur durch die ständige Einmischung und die widersinnigen Befehle des militärischen Dilettanten Hitler letztlich verloren gewesen seien.

Das schuf Identifikationspunkte: Konnte man nicht trotz Auschwitz stolz sein auf das im Krieg Geleistete? Kein anderer Wehrmachtsgeneral hatte einen ähnlichen Einfluss auf die Umdeutung der Vergangenheit, aus der die Täter und Opfer verschwanden. Die Bundeswehr dankte es ihm mit Beraterverträgen und militärischen Ehrungen, zuletzt bei seiner Beisetzung im Juni 1973. Das war das zweite Leben des Erich von Manstein, ein Leben im Mythos, den er sich selbst mit Hilfe vieler Unterstützer maßgeschneidert hatte und hinter dem die historische Gestalt des Wehrmachtsgenerals nur noch unscharf zu erkennen war.

Die Laufbahn bis in die höchsten militärischen Ränge wurde Manstein gleich dreifach in die Wiege gelegt. Sein Vater Eduard von Lewinski war preußischer General und entstammte ebenso einer alten Offiziersfamilie wie seine Mutter, deren Schwester mit dem späteren General Georg von Manstein verheiratet war. Die Lewinskis gaben ihr 1887 geborenes zehntes Kind für die kinderlosen Mansteins zur Adoption frei, und seither trug es den Namen Erich von Lewinski, genannt von Manstein. Schon der 13-Jährige kam in die harte Schule des Kadettenkorps. Der weitere Weg war geradezu idealtypisch für einen besonders hoffnungsvollen Spross der preußischen Militäraristokratie. Seine militärische Sozialisation zielte auf eine zugleich elitäre und ergebene Rolle als Königspaladin. Der Lebensmittelpunkt war lange Berlin: Hauptkadettenanstalt in Groß-Lichterfelde, Pagendienste am Königshof, 3. Garde-Regiment zu Fuß, Kriegsakademie.

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Zu Beginn des Ersten Weltkriegs schwer verwundet, überstand Manstein erst als Adjutant, dann als Generalstabsoffizier Krieg, Revolution und Systemwechsel. Der Zusammenbruch der Monarchie, seines politischen Bezugspunkts, hinderte ihn nicht, der Reichswehr der Weimarer Republik loyal zu dienen. Seine Karriere verlief unspektakulär und kontinuierlich, mit deutlichem Schwerpunkt auf der klassischen Generalstabsarbeit. Bei der Machtübernahme Hitlers gehörte der Oberstleutnant zum überschaubaren Kreis der Offiziere, denen der Aufstieg bis in die Spitzenpositionen des Heeres vorhergesagt werden konnte…

Literatur: Vernichtungskrieg und Geschichtspolitik. Paderborn u. a. 2008.

Johannes Hürter, Hitlers Heerführer. Die deutschen Oberbefehlshaber im Krieg gegen die Sowjetunion 1941/42. München 2006.

PD Dr. Johannes Hürter

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