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„Der Krieg war auch nachher nicht aus“

Heimkehr aus Krieg und Gefangenschaft

„Der Krieg war auch nachher nicht aus“
So unterschiedlich die Erfahrungen waren, welche die Kriegsgefangenen in ihrem jeweiligen Gewahrsam machen mußten, so unterschiedlich war die Situation, in die sie zurückkehrten. Die folgenden Passagen können die vielfältigen Erlebnisse daher nur exemplarisch und ausschnittweise beleuchten.

In den Monaten nach Kriegsende reisten zahllose Deutsche, den unentbehrlichen Rucksack auf dem Rücken, im Land umher: zu Hamsterfahrten ins Umland, aus den Evakuierungsorten zurück in die Heimat, als Flüchtlinge aus den Ostgebieten – und eben auch aus der Kriegsgefangenschaft entlassen oder geflüchtet. Väter suchten ihre Familie, Mütter ihre Söhne…

Ilse B. etwa fuhr mit dem Fahrrad aus Süddeutschland auf der Autobahn ins Rheinland, um ihren Bruder aus einem amerikanischen Kriegsgefangenenlager zu befreien, was im zweiten Anlauf auch glückte. Der 17jährige Hans L., dessen Vater tot, Bruder gefallen, Mutter und Großmutter bei einem Luftangriff noch im März 1945 umgekommen waren, entschloß sich nach der Entlassung aus französischer Kriegsgefangenschaft erst nach einem gewissen Zögern, in die Heimat zurückzukehren: Er hatte dort niemanden mehr.

Manche blieben, aus der Kriegsgefangenschaft entlassen, mehr oder weniger zufällig am einen oder anderen Ort hängen. Ein 20jähriger Schlesier etwa hatte, aus amerikanischer Gefangenschaft in Österreich entlassen, Karlsruhe als Heimatort genannt, denn in das von der Roten Armee besetzte Schlesien wollte er nicht zurückkehren. In Stuttgart war dann die Bahnverbindung unterbrochen, und er blieb – bis heute.

Die Kriegsgefangenen, die nach Hause zurückkehrten, wußten häufig nicht, was sie erwartete. Gab es die alte Wohnung noch? Wartete die Frau? Albert S. etwa hatte Ende 1945 während eines sechstägigen Urlaubs geheiratet – drei Jahre später, im Januar 1948 kehrte er aus der Gefangenschaft zurück; jetzt erst konnte die Ehe tatsächlich beginnen.

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Nach der ersten Freude über die Rückkehr, kam oft die bange Frage, wie es weitergehen sollte. Die meisten jungen Oberschüler hatten die Schule vorzeitig abbrechen müssen, um zum Arbeitsdienst und zur Wehrmacht zu gehen – jetzt galt der „Reifevermerk“, den ihnen der NS-Staat ausgestellt hatte, nicht mehr: Sie sollten das Abitur nachmachen. Herr E. etwa kam im November 1945 aus britischer Gefangenschaft zurück: „Ich hatte ja keine Stelle. Das war wirklich das Schlimmste damals. Schule war auch noch keine. Ich wollte ja noch in die Schule, wollte das Abitur nachmachen.“ Viele aber wollten sich nicht mehr zusammen mit 17jährigen in die Schulbank setzen und schlugen sich irgendwie durch.

Kamen die Gefangenen aus dem Osten meist abgerissen und unterernährt zurück, so mußte das Gefangenengepäck bei den Heimkehrern aus den USA durch die US-Dienststellen offiziell begrenzt werden. Daß diesem Bemühen keineswegs immer Erfolg beschieden war, läßt sich schon daraus ersehen, daß eine Gruppe von 2250 Gefangenen bei ihrer Ankunft in Liverpool im Februar 1946 vier Millionen Zigaretten im Gepäck mitschleppte. Ohne Zweifel waren die aus den USA zurückkehrenden Gefangenen in den meisten Fällen besser darauf eingerichtet, sich den Härten des Lebens in dem zerstörten und verarmten Deutschland zu stellen. Sie waren meist gut ernährt und gesund, hatten oft auch eine Ausbildung genossen. In besonderem Maße profitierten einige derjenigen, die sich nach der Rückkehr in der sowjetisch besetzten Zone wiederfanden, von den Jahren der Kriegsgefangenschaft in den USA, erhielten sie teilweise doch noch jahrelang Lebensmittelpakete von ihren früheren Arbeitgebern; Anfang 1949 dankte einer von ihnen für ein solches Paket und schrieb: „Ich denke oft an die schöne Zeit, die ich im Lande des Überflusses, den USA, verbracht habe, und wie gut Ihre Familie zu mir war. Hier komme ich mir wie ein Fremder vor und wäre glücklich, wenn ich wieder einer Ihrer Arbeiter auf Ihrer Texas-Farm sein könnte.“ Tatsächlich wollte denn auch eine große Zahl früherer Gefangener später in die USA auswandern.

Große Aufmerksamkeit fanden auch die Züge, die 1947 die deutschen Gefangenen aus Frankreich in die POW-Entlassungszentren brachten. Auf der Suche nach Angehörigen drängte sich die Bevölkerung an jedem Halteort an dieTüren der Güterwagen. In den Entlassungszentren füllten die Gefangenen Fragebogen und Personalformulare aus, man nahm ihnen die Fingerabdrücke ab durchsuchte ihre persönlichen Habseligkeiten. Am Ende der Prozedur, die mehrere Tage in Anspruch nahm, erhielten sie 40 Mark in bar – und waren frei. Mit einem Freifahrschein konnten sie dann bis zu einem Bahnhof in der Nähe ihres Heimatorts fahren.

Die ersten Stunden in der Heimat kamen vielen der Männer fast unwirklich vor. „Als eine Gruppe von uns auf dem Bahnhof in München ankam“, so berichtet ein ehemaliger Hauptmann, „da starrten uns die Leute nur so an. Wir trugen noch unsere alten Heeresuniformen und Auszeichnungen, und wir hatten den Eindruck, daß sie uns feindselig ansahen. Schließlich kam einer auf mich zu, zeigte auf meine Uniform und flüsterte ‚so etwas trägt man heute nicht mehr!‘“

„Die Schiebetüren der Waggons waren offen, alle drängten sich zu den Türöffnungen – sitzend, hockend, stehend wollte jeder die Freiheit sehen … Gegen Abend erreichten wir die österreichische Grenze. Atemlose Stille im Wagen. Keiner sprach ein Wort, das Herz pochte… Winkende und weinende Menschen begrüßten uns auf Heimatboden. Viele Frauen waren dabei, mit Fotos ihrer Männer und Söhne in den Händen. ‚Wer kennt den Gefreiten …?‘ Fast alle weinten, viele zum ersten Mal seit mehreren Jahren. Und dann flogen, wie auf Kommando, die verhaßten blauen Gefangenenmützen hinaus aus den Waggons in freie Land.“ (Walther Johann Groß, geboren 1920)

Wie lang der Transport dauerte, mit dem er 1953 aus der Sowjetunion herauskam, daran erinnert sich der 1923 geboren Diplom-Ingenieur Boris von Drachenfels nicht mehr. „Wir lebten ja zeitlos, keiner hatte einen Kalender oder ein Uhr.“ Eine letzte große Anspannung bedeutete für ihn der Grenzübertritt von der DDR in die Bundesrepublik. In Friedland wurde die Gruppe von einem Regierungsvertreter empfangen. „Wir heulten und zitterten am ganzen Körper, so aufgeregt waren wir.“ …

Dr. Marlene P. Hiller

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