König Ludwig I. von Bayern (1825–1848) gab das „römische Haus“ 1840 in Auftrag. Der Monarch war ein bekennender Italien-Liebhaber und begeistert von den Ausgrabungen in Pompeji. Gleichzeitig schockierte ihn die Tatsache, wie rasant die soeben geborgenen Wandmalereien mit ihren „lebensvoll freudigen Farben bleichen … in der Welt.“
Mit dem Bau des Pompejanums verband er die Idee, ein Stück „An‧tike“ für die Nachwelt zu retten. Und das nicht nur für sich allein. Denn obwohl er den Bau aus privaten Mitteln finanzierte, wollte der König von Anfang an auch „ jedem Freunde des klassischen Altertums, ohne ihm eine kostspielige Reise nach dem fernen Pompeji aufzuerlegen, Gelegenheit geben …, sich mit Plan, Aufbau und Ausstattung des antik-römischen Wohnhauses vertraut zu machen“.
In mehreren Phasen wurde das Pompejanum bis 2002 aufwendig restauriert. Seither wird es von der Bayerischen Schlösserverwaltung und der Staatlichen Antikensammlung gemeinsam betreut. Dieser Zusammenarbeit ist es zu verdanken, dass die Besucher neben der Architektur und den beeindruckenden Wand‧gemälden dort auch antike Skulpturen und Zeugnisse des römischen Alltagslebens bewundern können.
Als wichtigstes architektonisches Vorbild für die Planung diente dem bayerischen Hofarchitekten Friedrich von Gärtner (1791–1847) das Anfang des 19. Jahrhunderts in Pompeji ausgegrabene zweigeschossige „Haus des Castor und Pollux“. Trotz angestrebter Originaltreue ist in Aschaffenburg aber keine genaue Kopie entstanden. Kreative Freiheit erlaubten sich Gärtner und sein Auftraggeber besonders auf der zum Main gelegenen, auf Fernwirkung berechneten Schauseite, die außer zwei Eingängen mit Säulenvorbau und einer aufwendigen Außentreppe ein völlig „un‧antikisches“ tempelartiges Belvedere im zweiten Obergeschoss aufweist. Allein dieses „Königszimmer“, das auf besonderen Wunsch Ludwigs entstand und eine phantastische Aussicht über die Flusslandschaft bietet, war dem Bauherrn vorbehalten.
Von diesem Aussichtspunkt einmal abgesehen, ist das Pompejanum fast fensterlos. Die wichtigste Lichtquelle im Erdgeschoss bildet das Atrium, eine quadratische Säulenhalle im vorderen Teil des Hauses. Das mit Rücksicht auf deutsches Klima mit einer Glaskonstruktion überdachte – beim antiken Vorbild in Pompeji offene – Atrium hat in seiner Mitte ein Auffangbecken für Regenwasser. In römischer Zeit war das Atrium der „Verkehrsknotenpunkt“ des Hauses, hier kreuzten sich die Wege von Bewohnern, Besuchern und Geschäftspartnern. Repräsentative Empfangs- und Speisezimmer, Gäste‧zimmer und Geschäftsräume rundeten diesen „offiziellen“ Bereich des Hauses ab, zu dem auch Räume für die Sklaven gehörten. Die eigentlichen Privaträume befanden sich im hinteren und oberen Teil des Hauses.
In Pompeji gab es die Tradition, das Atrium als wichtigen Repräsentationsraum mit Büsten zu schmücken. Seit 1994 sind auch in Aschaffenburg Porträts von Caesar und weiteren bedeutenden römischen Kaisern ausgestellt. Je nach Entstehungszeit präsentieren die Abgüsse betont klassische, geschönte Gesichtszüge bis hin zu authentischeren Antlitzen. Damit veranschaulichen sie den Form- und Bedeutungswandel des römischen Herrscherbilds im 1. Jahrhundert.
Anders als das komplett wiederhergestellte Atrium erinnert das cubiculum daran, dass das Pompejanum nicht nur (antike) Geschichte zeigen will, sondern inzwischen selbst eine bewegte Geschichte hinter sich hat. Das Schlafzimmer gehört zu den Räumen, in denen die schweren Kriegsschäden von 1944/45 ganz bewusst nicht vollständig behoben wurden. Die Besucher erleben einen Bereich, in dem die Wandmalereien nur noch sehr bruchstückhaft existieren. Damit soll auch an das Schicksal Pompejis erinnert werden. Als wertvolles Ausstellungsstück kann hier ein reichverzierter Marmoraltar aus der Zeit um Christi Geburt besichtigt werden. Altäre gehörten gewissermaßen zur Grundausstattung eines römischen Hauses, denn es war üblich, dass der Hausvater, begleitend zu Gebetszeremonien, einer Gottheit beispielsweise Kuchen oder Obst opferte, indem er die Gaben auf dem Altar verbrannte.
Dass sie selbst im Liegen speisten, zumindest die Herren der Schöpfung, zeigen die hufeisenförmig aufgestellten, sofaähnlichen Klinen im Winterspeisesaal. Der Sommerspeisesaal, der sich zum Garten öffnet, wartet dagegen mit einem Wandmosaik auf, das in der berühmten päpstlichen Mosaik‧werkstatt in Rom angefertigt wurde. In der Küche wiederum befinden sich zeittypische Haushaltsutensilien.
Manche Exponate stammen noch aus der Entstehungszeit, als Ludwig das Haus mit teils originalen, teils nachgebauten Gegenständen ausstatten ließ. Der Plan, das Pompejanun vollständig zu möblieren, wurde jedoch nicht ausgeführt – vielleicht, weil mit der Fertigstellung 1848 auch Ludwigs Abschied von der Macht gekommen war. Seiner Begeisterung für das „römische Haus“ tat dies jedoch keinen Abbruch; enthusiastisch schrieb er damals: „In dem pompejanischen Haus glaubt man sich versetzt in die antike Welt; es ist hinreißend, es entzückt.“
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Ina Bahnschulte-Friebe