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König ohne Reich – ein Leben im Exil

Der „Winterkönig“ in Den Haag

König ohne Reich – ein Leben im Exil
Nach der verlorenen Schlacht am Weißen Berg fand Friedrich V. Aufnahme in den Niederlanden. An seinem Exilhof in Den Haag kultivierte er seinem königlichen Rang entsprechend einen immens aufwendigen Lebensstil, der ihn jedoch in ein spannungvolles Verhältnis zu seinen Gastgebern brachte.

Nach der Flucht aus Prag irrten Friedrich V., seine Familie und sein Hofstaat durch Schlesien und Norddeutschland. In der Festung Küstrin, die sie ohne offizielle Einladung des brandenburgischen Kurfürsten bezogen, gebar Elizabeth ihr fünftes Kind, Moritz. Kaum war Elizabeth vom Kindbett genesen, mußten sie und ihr Gatte auf Druck Kaiser Ferdinands II. Brandenburg wieder verlassen, während der kleine Moritz bei seiner aus Heidelberg an den Berliner Hof geflohenen Großmutter blieb. Unterstützung suchten die Pfälzer nun bei befreundeten oder verwandtschaftlich verbundenen Fürstenhöfen, etwa in Wolfenbüttel, doch vergebens – über die Reichsacht wollte sich niemand hinwegsetzen. Auch Jakob I. verweigerte dem Paar den Aufenthalt an seinem Londoner Hof, zu sehr befürchtete er Verwicklungen mit dem Kaiser. Endlich fanden die Vertriebenen Aufnahme in den Niederlanden.

Das war kein Zufall: Der Statthalter der Generalstaaten, Moritz von Oranien, war eng mit Friedrich verwandt und trat in der Folgezeit stets als Förderer und Fürsprecher der glücklosen Familie auf. Zudem verbanden die Pfalz und die Niederlande der gemeinsame calvinistische Glaube. Während des niederländischen Aufstands hatte der pfälzische Kurfürst den Rebellen Unterstützung zukommen lassen. Umgekehrt hatten auch die Niederlande Gelder für die Kämpfe in Böhmen bereitgestellt. Schließlich war der propagandistische und politische Nutzen, einen der führenden evangelischen Reichsfürsten und die Tochter des englischen Königs zu beherbergen, für die Gastgeber durchaus beachtlich, die denn auch ihre „Ehre und Reputation“, wie es hieß, durch das Gewähren des Exils befördert sahen. Vor allem hoffte man, von den Beziehungen des Paares zum englischen Hof zu profitieren.

Dabei fühlte man sich jedoch keineswegs gezwungen, die militärischen Pläne Friedrichs jederzeit zu unterstützen. Dies erschien den Generalstaaten nur insoweit sinnvoll, als sie sich davon einen Zuwachs eigener Sicherheit versprachen, wie etwa beim Herannahen Tillys im Jahr 1622 oder beim Kriegseintritt Gustav Adolfs, als sie Friedrich 150 000 Gulden bewilligten, damit dieser sich mit einer eigenen Armee dem schwedischen Heer anschließen konnte. Finanzieren aber mußten die Niederlande – wenigstens zum Teil – den Exilhof in Den Haag. Dem Pfälzer wurde der stattliche, voll möblierte Wassenaer Palast des aus den Niederlanden ausgewiesenen Cornelis van der Mijle, des Schwiegersohns Oldenbarnevelts, zur Verfügung gestellt. Hier war alles vorhanden, was zur Repräsentation nötig war, zwei oder drei Zimmer waren „königlich ausgestattet“, um zu zeigen, daß die Vereinigten Provinzen den Exilanten Achtung zollten. Für den Lebensunterhalt seines Schwiegersohns steuerte Jakob I. 26 000 Gulden monatlich bei, während die Generalstaaten 10 000 Gulden monatlich übernahmen. Außerdem erhielten die ersten vier Kinder des Winterkönigs jährliche Pensionen. Diese Fakten geben jedoch nicht das gespannte Verhältnis wider, das zwischen Friedrich und seinen Gastgebern bestand und das sich in wiederholten Konflikten um finanzielle Zuwendungen entlud. So etwa im Juni 1621, als Friedrich, Elizabeth, ihr Hofstaat und weitere geladene Gäste eine Vergnügungsfahrt zu Wasser nach Amsterdam zu machen wünschten. Die Amsterdamer Admiralität sollte dafür die Schiffe zur Verfügung stellen, während die Generstaaten sich bereit erklärten, die Kosten für die Mahlzeiten unterwegs – für 223 Personen – zu übernehmen. Alle weiteren Ausgaben lehnte man strikt ab, so daß schließlich die Stadt Amsterdam zähneknirschend für alle Restkosten einschließlich der für die großen Theaterveranstaltungen aufkommen mußte.

Das Beispiel verweist auf den grundlegenden Konflikt, der hinter allen Streitigkeiten stand, nämlich das Aufeinandertreffen zweier völlig unterschiedlicher kultureller Modelle. Friedrich V. war überzeugt, seinem Anspruch auf königliche Würden nur durch einen immens aufwendigen Repräsentationsstil genügen zu können. Dabei orientierte er sich am Beispiel des französischen Königshofs mit seinem ostentativen Luxus. Das Leben am Exilhof in Den Haag verschlang daher Unsummen. Zahllose Feste, Maskenbälle und Jagdpartien wurden veranstaltet, dazu umfaßte der Hofstaat zu Anfang etwa 200 Personen, unter denen sich zahlreiche geflohene böhmische Adlige befanden. Wurde der Hofstaat auch später reduziert, so mußten zudem die Exilregierung in Den Haag, diplomatische Missionen, Bestechungsgelder und die pfälzischen Residenten an auswärtigen Höfen bezahlt werden. Trotz der finanziell desaströsen und politisch zunehmend aussichtslos werdenden Situation waren Friedrich und seine Gattin zu keinem Zeitpunkt bereit, ihre Ansprüche auf eine standesgemäße Hofhaltung aufzugeben.

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Die eher an einem sittenstrengen Calvinismus orientierten Gastgeber dagegen standen dem sinnenfrohen absolutistischen Lebensstil des Pfälzers eher kritisch gegenüber und empfanden dessen Prachtentfaltung als unangemessen. Immer wieder kam es daher zu Auseinandersetzungen zwischen den zögerlichen Geldgebern und dem fordernden Friedrich, der mehr als einmal auf seinen königlichen Rang hinwies, um die Geldbewilligungen zu erhalten. Bei allen Auseinandersetzungen war jedoch unbestritten, daß Friedrich als Enkel Wilhelms des Schweigers dem Haus der Oranier eng verbunden war und schon deshalb zahlreiche repräsentative Pflichten wahrnehmen mußte. Bei offiziellen Anlässen traten die Pfälzer denn auch entsprechend prominent auf, wie zum Beispiel bei der Taufe des Prinzen von Oranien, dem späteren Statthalter Wilhelm II. im Juli 1626, bei der Elizabeth Taufpatin war. Eng waren überhaupt die Beziehungen zum benachbarten Hof der Oranier, an dessen Festlichkeiten die Pfälzer selbstverständlich teilnahmen. Dieser gesellschaftlichen Stellung des Exilhofs in Den Haag trugen die Gastgeber auch dadurch Rechnung, daß sie seit 1625 noch ein zweites Haus für die Exilanten mieteten: die stattliche Wohnung Oldenbarnevelts. Der glanzvolle Hof der Pfälzer lockte denn auch zahlreiche Besucher nach Den Haag. Zudem fand die schöne und gebildete Gemahlin Friedrichs glühende Bewunderer; vor allem die durchreisenden Engländer verehrten Elizabeth als „heimliche Königin“…

Dr. Heike Talkenberger

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