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Pharao der Superlative

Ramses II.

Pharao der Superlative
Als Ramses II. im August des Jahres 1213 v. Chr. im biblischen Alter von über 90 Jahren starb, ging eine Ära zu Ende, die man zu Recht als letzte große Glanzzeit des ägyptischen Reiches bezeichnen kann. Ramses II. hatte Ägypten zu „Ramses-Land“ gemacht und ihm unauslöschlich seinen Stempel aufgedrückt – fast drei Generationen von Ägyptern haben keinen anderen Herrscher gekannt.

Der wohl bedeutendste Herrscher auf dem Pharaonenthron überlebte zwölf seiner Söhne. Sein 13. Sohn und designierter Nachfolger Merenptah war – als sein Vater starb – mit 55 Jahren nach damaligen Verhältnissen bereits ein alter Mann, den viele körperliche Gebrechen plagten.

Die 66jährige Regierungszeit Ramses’ des Großen, wie er später zur Unterscheidung von seinen vielen Nachfolgern gleichen Namens im Volksmund genannt werden sollte, war eine Abfolge von Superlativen: Kein anderer Herrscher regierte länger als er – abgesehen von der legendären Regierungszeit Pepis II. –, kein anderer König ließ so viele Tempel bauen, Monumentalstatuen errichten und Obelisken aufstellen, keiner seiner Vorgänger hatte so viele Frauen geheiratet und so viele Kinder gezeugt, und kein anderer Pharao es je gewagt, sich im ägyptischen Kernland bereits zu Lebzeiten als Gott verehren zu lassen.

Ramses (was übersetzt heißt „[Der Sonnengott] Re hat ihn geboren“) kam als drittes Kind von Sethos I. und dessen Hauptgemahlin Tuja, der Tochter eines Streitwagenoffiziers, zur Welt. Sein älterer Bruder war wie viele Neugeborene seiner Zeit schon früh gestorben, und so wuchs er zusammen mit seinen beiden Schwestern und den Söhnen aufstrebender Hofbeamter im Palast auf. Entsprechend damaliger Praxis wurden junge Adlige zusammen mit den Königskindern erzogen, um sie an das Königshaus zu binden und ihre Loyalität zum Thronfolger zu stärken. Das Konzept ging auf: Viele seiner alten Spielkameraden sollten Ramses später treue Dienste als hochrangige Beamte in seiner Verwaltung leisten.

Ramses’ Familie stammte aus „bürgerlichen“ Verhältnissen und war nicht mit den Herrschern der vorangehenden 18. Dynastie verwandt. Nach den unglückseligen Ereignissen der Amarna-Zeit unter Echnaton, die den Verlust der außerägyptischen Herrschaftsgebiete zur Folge gehabt hatte, war mit König Haremhab ein Angehöriger des Militärs an die Macht gekommen und in Ägypten eine Art Militärdiktatur entstanden. Dementsprechend hatten Ramses’ Vater und auch sein Großvater ihre Karriere in der ägyptischen Armee begonnen: der Großvater als Offizier im Elitekorps der ägyptischen Armee, der Streitwagentruppe, und der Vater als Truppenoberst der Infanterie.

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Sein hochdekorierter Großvater wurde vom kinderlosen Haremhab zum Nachfolger auserwählt und bestieg als Ramses I. 1292 v. Chr. den ägyptischen Thron. Er war der Begründer einer neuen Dynastie, die als die 19. gezählt wird. Nach der kurzen Regierungszeit von nur knapp zwei Jahren verfolgte sein Sohn und Nachfolger Sethos I. (1290–1279 v. Chr.), der Vater Ramses’ II., vor allem das Ziel, die frühere Stärke und Größe des Landes wiederherzustellen und Ägypten vor Angriffen von außen zu schützen.

So müssen wir wohl davon ausgehen, daß Ramses ganz im militärischen Geist erzogen wurde, dem die Familie ihren Aufstieg verdankte. Die Widmungsinschrift im Tempel seines Vaters in Abydos, einer wichtigen Quelle für die Jugendjahre des Königs, berichtet, daß Ramses bereits im Alter von zehn Jahren zum Befehlshaber der Armee und zum offiziellen Thronfolger mit dem Titel „Ältester Königssohn“ ernannt worden sei. Ob diese von ihm selbst überlieferten biographischen Angaben verläßlich oder aber nachträglich geschönt sind, bleibt offen.

Sicherlich aber wurden die Kronprinzen schon in sehr jungen Jahren auf militärische Einsätze vorbereitet, wie Darstellungen an den Wänden des Amun-Tempels von Karnak zeigen: Hier begleitet der noch jugendliche Ramses seinen Vater auf dessen libyschen und syrischen Kriegszügen und steht ihm im Kampfgetümmel bei. Mut und Tapferkeit bewies der junge Prinz aber auch bei sportlichen Ereignissen. Doch auch seine Ausbildung in der bürokratischen ägyptischen Staatsverwaltung kam nicht zu kurz: Inspektionsfahrten durch das Land gehörten genauso zu seinen jugendlichen Pflichten wie die Beaufsichtigung der Arbeiten in den Steinbrüchen.

Die Jugendzeit Ramses’ endete, als er im Alter von etwa 25 Jahren nach dem Tod seines Vaters die Regierungsgeschäfte übernahm und als dritter König der 19. Dynastie im Jahr 1279 v. Chr. den ägyptischen Thron bestieg. Seine in vielen Varianten erhaltene Königstitulatur lautete jetzt: „Der starke Stier, der die Wahrheit liebt, Ägypten beschützt und die Fremdländer unterwirft, dem viele Jahre und große Siege zuteil werden, und den Re erwählt und Amun sich gewünscht hat.“

Schlagartig traten nun auch seine Ehefrauen in das Licht der Öffentlichkeit: Wenn wir der Aussage der Widmungsinschrift über die Jugendzeit Ramses’ II. Glauben schenken dürfen, soll ihn sein Vater bereits im Teenageralter mit einem eigenen Harim ausgestattet haben. Tatsache ist, daß er bereits zehn Jahre vor dem Tod seines Vaters, also mit etwa 15 Jahren, in etwa zeitgleich zwei Frauen heiratete, die über Jahrzehnte an seiner Seite standen: Nefertari und Isisnofret, derer beider Herkunft im dunkeln liegt.

Gleichfalls rätselhaft ist, daß Ramses II. nach seiner Thronbesteigung beide Frauen gleichzeitig in den Rang einer Großen Königlichen Gemahlin erhob, hatte doch sonst immer nur eine Frau zu Lebzeiten diese hohe Stellung inne. Damit aber nicht genug: Im Lauf seines langen Lebens heiratete Ramses II. sechs weitere Frauen: seine jüngere Schwester Henutmire – die neueren Forschungen nach aber auch seine Tochter gewesen sein könnte –, drei seiner Töchter – Bint-Anat (Tochter der Isisnofret), Meritamun (Tochter der Nefertari) und Nebettatui – sowie zwei hethitische Prinzessinnen.

Die Heirat mit nahen Familienangehörigen entsprach durchaus den königlichen Gepflogenheiten seiner Zeit, denn auch die Pharaonen der 18. Dynastie hatten ihre Schwestern, einige sogar ihre Töchter, zur Frau genommen. Die bekannteste seiner Ehefrauen ist wohl Nefertari, die unsterblichen Ruhm durch ihr Grab erlangte, das mit seinen farbenfrohen Darstellungen das größte und schönste im Tal der Königinnen ist. Sie tritt wie keine andere in zahlreichen Darstellungen zusammen mit dem König auf. Die Wertschätzung, die Ramses dieser Gemahlin entgegenbrachte, läßt sich auch an dem ihr zu Ehren errichteten Felstempel in Abu Simbel ablesen, in dem sie zusammen mit der Göttin Hathor verehrt wurde. Bis zu ihrem Tod im 24. Regierungsjahr Ramses’ II. blieb sie die Favoritin des Königs und gebar auch den ersten Thronfolger, der aber den Vater nicht überlebte. Isisnofret, die stets im Schatten Nefertaris gestanden hatte, nahm für weitere zehn Jahre deren Stellung bei Hof ein, ehe auch sie im 34. Regierungsjahr des Königs verstarb. Nach dem Tod der beiden „Grandes Dames“ betrat eine neue Generation von Ehefrauen die Hofbühne: die jungen Prinzessinnen, die eigenen Töchter, die Ramses II. nun zu seinen Großen Königlichen Gemahlinnen machte. Und offensichtlich nicht nur dem Titel nach: Obwohl in der Ägyptologie noch immer kontrovers diskutiert, gibt es klare Hinweise darauf, daß der König die Ehe mit ihnen vollzogen und mindestens zwei seiner Enkeltöchter selbst gezeugt hat!

Der Harim Ramses’ II. muß aber auch ausgesprochen kosmopolitisch gewesen sein, denn im Zuge der internationalen Heiratspolitik gelangten nicht nur zwei Prinzessinnen aus dem Hethiter-Reich, sondern darüber hinaus weitere Frauen aus dem syrischen und babylonischen Hofadel mit großem Gefolge an den ägyptischen Hof. Die ältere der hethitischen Prinzessinnen wurde von Ramses auf Druck ihrer Eltern, dem hethitischen Großkönig Hattuschili III. und seiner Gemahlin Puduchepa, sogar in den Rang einer Großen Königlichen Gemahlin erhoben, ein Novum, denn noch nie hatte eine Ausländerin diese Stellung in Ägypten innegehabt.

Die acht Ehefrauen und eine unbekannte Anzahl von ausländischen Prinzessinnen in seinem Harim gebaren Ramses mindestens 100 Kinder, davon 48 Söhne und eine unbekannte Zahl von Töchtern. Einige sind namentlich überliefert, und wir können ihr Leben skizzenhaft verfolgen. Die meisten bleiben jedoch anonym, und ihr weiteres Schicksal ist nicht bekannt. Normalerweise erfahren wir wenig über die Kinder der Pharaonen, von denen viele bereits im Säuglingsalter verstarben. Aber auch hier stellt Ramses II. eine Ausnahme dar: Zum erstenmal in der ägyptischen Geschichte läßt ein Pharao voller Stolz seine Kinder in langen Prozessionen an den Wänden seiner Tempel in Ägypten und Nubien abbilden.

Die umfangreichste Darstellung von Söhnen und Töchtern scheint sich einst im Innenhof des nubischen Tempels von Wadi es Sebua befunden zu haben: Hier waren 30 Söhne und acht Töchter des Königs zu sehen, die von seinem ältesten Sohn Amunherhepeschef angeführt wurden. Ein Relief im Totentempel Sethos’ I. in Abydos zeigt den Prinzen zusammen mit seinem Vater bei einer gefährlichen Wildstierjagd. Kühn packt Amunherhepeschef den Stier am Schwanz. Doch der Kronprinz starb wahrscheinlich im 20. Regierungsjahr des Königs, denn die Aktenaufzeichnungen erwähnen ihn nach diesem Zeitpunkt nicht mehr. Für seine Söhne ließ Ramses II. im Tal der Könige sogar ein Gemeinschaftsgrab anlegen, das gegenüber seinem eigenen Grab lag und ursprünglich Platz für über 50 Bestattungen geboten hat. Seine (Wieder-)Entdeckung durch den amerikanischen Ägyptologen Kent Weeks machte Mitte der 1990er Jahre Furore. Ob er eine solche Anlage auch für seine Töchter – etwa im Tal der Kö?niginnen – geplant hatte oder sogar bauen ließ, entzieht sich unserer Kenntnis…

Prof. Dr. Heike Sternberg-el Hotabi

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