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Heinrich Himmler – Biographie

Longerich, Peter

Heinrich Himmler – Biographie

Peter Longerich beginnt seine eindrucksvolle, sorgfältig recherchierte Biographie Heinrich Himmlers mit der Feststellung, nur der biographische Zugang erlaube es, die Geschichte der SS in all ihren Facetten zu verstehen. Er schränkt diese Aussage jedoch sofort ein und betont, dass der Privatmensch immer mehr hinter der Funktion des Reichsführers SS verschwand, je mehr Himmler mit den von ihm geschaffenen Machtstrukturen eins wurde. In gewissem Sinn ist eine Biographie Himmlers daher ein Paradoxon. Wie bei Hitler kann ein rein biographischer Ansatz die Wirkmächtigkeit des Mannes nicht erklären.

Longerich zeigt überzeugend, dass nur eine Kombination aus Biographie und Strukturgeschichte erklären kann, wie ein Mensch wie Himmler – der gewiss Fähigkeiten besaß, letztlich aber ein Mensch von mittelmäßigen Qualitäten war und von dem man unter anderen Umständen nie gehört hätte – eine solche Machtfülle mit derart verheerender Auswirkung für Millionen Menschen anhäufen konnte.

Die ersten, rein biographischen Kapitel führen vielleicht nicht über die Einsichten von Bradley Smith (in den 1970ern) und anderen hinaus. Longerich bezweifelt, dass der Konflikt mit einem übermächtigen Vater für die Ausformung von Himmlers Persönlichkeit entscheidend war. Er zeigt aber wesentliche Charakterzüge des jungen Himmler auf: eine ungewöhnliche Abhängigkeit von seiner Familie; ein ausgeprägtes Bestreben, es seinem Vater recht zu machen; ein Gefühl der Unzulänglichkeit, weil er nie Gelegenheit hatte, beim Militär zu dienen; Glaubenskonflikte; sexuelle Frustration; ein kleinbürgerliches Verständnis von Moral, das ihn ständig betonen ließ, dass es wichtig sei, „anständig“ zu bleiben.

Der Autor macht deutlich, dass diese Eigenschaften eine entscheidende Rolle beim Aufbau der riesigen und komplexen SS-Organisation spielten. Diese wurde geprägt von der Himmler eigenen Mixtur aus der ideologischen Utopie eines germanischen Reiches, einem pedantischen Augenmerk für organisatorische Details, einer paternalistischen Einstellung zu seiner „SS-Familie“ und dem pädagogischen Anliegen, seine untergeordneten SS-Führer in einer pervertierten Form von Moral zu „erziehen“, die auf Pflicht, Gehorsam, Loyalität und – natürlich – „Anständigkeit“ beruhte.

Das Anwachsen der Nazi-Bewegung und dann Hitlers erfolgreiche Machtübernahme boten Himmler die Gelegenheit, seine phantastische Vision in die Realität umzusetzen. Himmler, den zunächst die paramilitärischen Aktivitäten der NS-Bewegung angezogen hatten, nutzte zunächst geschickt die Karrieremöglichkeiten im Verwaltungs- und Propaganda‧apparat der Partei und instrumentalisierte dann seine Kontrolle über die ursprünglich kleine SS, um eine zentrale Machtposition nach der anderen zu übernehmen.

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In jedem kritischen Moment war Himmler zur Stelle und unterstützte Hitler mit einer Erweiterung der polizeilichen Unterdrückungsdienste – und dabei seiner eigenen Macht. Mit Kriegsbeginn schien dann seine utopische Vision in naher Zukunft realisierbar zu sein – was zu nahezu unvorstellbaren Greueln in weiten Teilen Europas führte.

De facto wird die Biographie immer mehr zu einer Geschichte der SS und ihrer Terrorherrschaft. Aber Longerich zeigt, wie Himmlers Vorstellungen und seine Persönlichkeit die komplexe Organisa‧tion zusammenhielten. Auch betont er zu Recht, dass die „Endlösung der Judenfrage“ den Beginn, nicht das Ende von Himmlers Vision rassischer Reinheit darstellte, die er durch die Schaffung eines europaweiten germanischen Reiches erlangen wollte. Schließlich unterstreicht Longerich einen entscheidenden Punkt: Hinter jedem Machtzuwachs Himmlers stand eine größere Autorität: die Hitlers.

(Aus dem Englischen übersetzt von Marlene P. Hiller.)

Rezension: Kershaw, Ian

Longerich, Peter
Heinrich Himmler – Biographie
Siedler Verlag, München 2008, 1035 Seiten, Buchpreis € 39,95
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