Gemeinhin verbinden sich mit den Machtkämpfen unter Politikern, Monarchen und Herrscherfamilien Stichworte wie Intrige, Hinterlist, Verrat, ja Gewalt und schnöder Mord. Davon gab es in den zweieinhalb Jahrhunderten, in denen die Plantagenet-Dynastie den Thron Englands besetzte, reichlich, vielleicht sogar überreichlich.
Die Plantagenets, die ursprünglich aus dem westfranzösischen Anjou stammten und ihren Namen von der lateinischen Bezeichnung für Ginster (planta genista) herleiteten, kamen 1154 als Erben des normannischen Herrschergeschlechts nach England. Ihr Stammvater war Heinrich II. Er heiratete Eleonore von Aquitanien, eine der bemerkenswertesten Frauen des europäischen Mittelalters. Damit war der Grundstein gelegt für die jahrhundertelange Verbindung Englands mit französischen Territorien zwischen Ärmelkanal und Pyrenäen. Sie führte geradezu zwangsläufig zu einem Dauerkonflikt mit den französischen Königen, die ihren Landbesitz von Paris aus in Nord- und Südwestfrankreich erweitern wollten.
Aus der Dynastie der Plantagenets kamen bedeutende Herrscherpersönlichkeiten, Kreuzfahrer, Heerführer und Ritter wie Richard Löwenherz oder der legendäre „Schwarze Prinz“, aber auch skrupellose Despoten wie König Richard II., der 1399 in einem einmaligen Vorgang von den Magnaten des Landes abgesetzt wurde. Damit war das Ende der Dynastie und ihrer politischen Machtstellung in England besiegelt. Aber noch heute erinnern an sie die Ruinen mächtiger Burgen von Dover bis Wales – und die Stiftung des Hosenbandordens (1349) durch den Plantagenet Eduard III.
Die Geschichte des Herrschergeschlechts wird von dem englischen Journalisten Dan Jones auf der Grundlage der wissenschaftlichen Literatur und der zeitgenössischen Chroniken in einer gut geschriebenen (und übersetzten) Erzählung ausgebreitet. Gestützt auf eine erstaunliche Kenntnis der Details, die die Leserinnen und Leser allerdings manchmal zu überfordern droht, vertritt er die Auffassung, dass sich in dieser Epoche das englische Königtum und der englische Staat in fundamentaler Weise wandelten. Jeder König aus dem Haus Plantagenet sei bei der Ausübung seiner Herrschaft durch neue Institutionen und Verfahren stärker in einen politischen Zusammenhang eingebunden und durch ihn reglementiert worden.
Seinen frühen rechtlichen Niederschlag fand dieser Prozess in der „Magna Carta“ von 1215, der Geburtsurkunde des englischen Parlamentarismus. Die zahllosen Erbfolgekonflikte, Gebietsveränderungen und Verträge, die zu diesem Ergebnis führten und die auch danach noch andauerten, werden von Jones mit souveräner Sachkenntnis geschildert. Auf ein bedeutsames Vermächtnis der Plantagenets weist Jones nachdrücklich hin: In ihrer Regierungszeit setzte sich in England das Englische auf Kosten des normannischen Französisch endgültig als Umgangssprache durch.
Rezension: Prof. Dr. Peter Alter
Dan Jones
Spiel der Könige
Das Haus Plantagenet und der lange Kampf um Englands Thron
Verlag C. H. Beck, München 2020, 686 Seiten, € 29,95