Ob legal ausgereist, geflüchtet oder freigekauft – zwischen 1949 und 1989 verließen mehr als 3,5 Millionen Menschen die DDR in Richtung Bundesrepublik. Den meisten von ihnen gelang die Integration im Westen, doch schmerzhafte Erfahrungen hinterließen Narben. Eine Sammlung von Lebensberichten, von ehemaligen DDR-Bürgern verfasst, hat jetzt die „Deutsche Gesellschaft e. V.“ herausgegeben, ein 1990 gegründeter, überparteilicher Bürgerverein, zu dessen Gründungsmitgliedern Willy Brandt, Johannes Rau und Heiner Müller gehörten.
Unter den Autoren finden sich viele bekannte Namen. So schildert etwa der ehemalige „Stern“-Korrespondent in der DDR Dieter Bub, wie ihm der Westen 1955 zum Ort der grenzenlosen Möglichkeiten wurde. Sehr eindringlich beschreibt dagegen Jürgen Engert, Begründer des ARD-Hauptstadtstudios, seine Ängste, Irritationen und Fragen zu Beginn seiner Zeit in West-Berlin. Nach dem Mauerbau nahmen staatliche Bespitzelung und Repression in der DDR zu. Eine Collage aus offiziellen Dokumenten, Tagebucheintragungen, Gedichten und Reflexionen bildet den Beitrag der 1977 ausgebürgerten Eva Maria Hagen, der Lebensgefährtin Wolf Biermanns. Immer wieder ist es das Gefühl von Fremdheit in der Bundesrepublik, das ihr zusetzt.
Eine Haftstrafe von zwei Jahren und vier Monaten hatte die Regimekritikerin Uta Franke bereits hinter sich, als sie 1980 von der Bundesrepublik „freigekauft“ wurde. Dass ihre fünfjährige Tochter erst zwei Jahre später die DDR verlassen durfte, war eine starke psychische Belastung für die engagierte Bürgerrechtlerin. Die Beiträge des Bandes sind sehr lesenswert, doch sind es vornehmlich Prominente, die er präsentiert. Gern hätte man zusätzlich mehr Berichte von weniger bekannten Betroffenen gelesen.
Rezension: Dr. Heike Talkenberger