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Zigeunerverfolgung im Rheinland und in Westfalen 1933-1945 – Geschichte, Aufarbeitung und Erinnerung

Fings, Karola/Opfermann, Ulrich Friedrich (Hrsg.)

Zigeunerverfolgung im Rheinland und in Westfalen 1933-1945 – Geschichte, Aufarbeitung und Erinnerung

Die ungeheuren Verbrechen der Nationalsozialisten werden vor allem mit der Judenverfolgung verbunden. Auch die historische Forschung in Deutschland war lange Zeit beinahe ausschließlich auf das Schicksal der europäischen Juden fokussiert. Angesichts des Holocausts blieb der versuchte Genozid an den Sinti und Roma jahrzehntelang weitestgehend unbeachtet. Mittlerweile stellt die historische Forschung die systematische Ermordung der Sinti und Roma in deutlichen Zusammenhang mit dem Holocaust und orientiert sich dabei an den Parallelen zum Völkermord an den Juden. Karola Fings und Ulrich Friedrich Opfermann haben nun mit dem von ihnen herausgegebenen Sammelband über die „Zigeunerverfolgung im Rheinland und in Westfalen 1933-1945“ eine Studie für eine spezifische Region vorgelegt. Damit folgen sie einer Reihe zumeist in den 1990er-Jahren angestoßenen regionalen Untersuchungen, etwa zu Nordwestdeutschland oder Hessen.

Der Aufsatzsammlung sind zunächst drei einführende Beiträge der Herausgeber vorangestellt, die überblickshaft die sozio-politische Entwicklung der staatlichen Repression gegen die Sinti und Roma sowie die Beteiligung der Bevölkerung daran von der Frühen Neuzeit bis zur NS-Zeit in Deutschland darstellen. Den empirischen Kern des Buches bilden 20 lokalbezogene Aufsätze. Alphabetisch nach Ortsnamen geordnet, orientieren sie sich in ihrem Aufbau an den Schlagworten aus dem Untertitel: „Geschichte, Aufarbeitung und Erinnerung“. Anfänglich geben die Autorinnen und Autoren einen konzisen Abriss von der jeweiligen Quellenlage und den bisherigen Forschungen zur lokalen Verfolgungsgeschichte. Der Hauptteil der Beiträge setzt sich konkret mit dem örtlichen Terror der Nationalsozialisten gegen die ethnische Minderheit sowie deren Gewaltpraxis auseinander. Dabei berücksichtigen die Autoren unterschiedliche lokale Schwerpunkte und skizzieren eine differenzierte Geschichte der „Zigeuner“-Verfolgung für beispielsweise Köln, als Verwaltungszentrum der nationalsozialistischen „Zigeunerpolitik“, Krefeld oder Soest. Exemplarisch erhält der Leser Einblicke in System und Praxis des nationalsozialistischen Verfolgungsapparates, etwa in die Praktiken der Duisburger Kriminalpolizei oder die bürokratische Seite der Verfolgung von Sinti und Roma in Wuppertal. Im letzten Teil der Beiträge befassen sich die Autorinnen und Autoren mit der jeweiligen kommunalen Erinnerungs- und Gedenkarbeit, geben Kenntnis von Projekten und Initiativen sowie der lokalhistorisch sehr unterschiedlichen Auseinandersetzung. Im dritten Teil des Bandes setzt sich Ulrich Friedrich Opfermann mit der gesellschaftlichen und politischen Aufarbeitung des verübten Völkermords an den Sinti und Roma in Deutschland nach 1945 auseinander, unter anderem mit der westfälischen Heimatschriftstellerin Josefa Drenens und deren anhaltender Popularität weit über die NS-Zeit hinaus. Der bebilderte Sammelband macht die Relevanz regionalhistorischer Untersuchungen und deren Erkenntnispotential sichtbar, gerade im Verhältnis zu global ausgerichteter Geschichtsschreibung. Die vergleichenden Beiträge verdeutlichen in ihrer Gesamtheit nicht nur die Radikalisierungs- und Eskalationsstufen der nationalsozialistischen „Zigeunerverfolgung“, sondern vermitteln auch aufschlussreiche Eindrücke vom nationalsozialistischen Entscheidungs- und Befehlsraum, dem Raster aus gesetzlichen Vorgaben, militärischen und polizeilichen Direktiven, lokaler Umsetzung sowie dem für den NS-Apparat besonderen „Befehlsklima“. Die analytische Qualität der einzelnen Aufsätze variiert deutlich, an mancher Stelle wurde versäumt, die lokalen Besonderheiten und Dynamiken für den Leser noch einmal prägnant zu fassen. Der letzte Teil des Bandes zur Aufarbeitungs- und Rezeptionsgeschichte nach 1945 wirkt etwas beliebig und bruchstückhaft. Insgesamt eignet sich der Sammelband auf Grund seiner thematischen Engführungen und einer ausführlichen Chronologie gut als wissenschaftliches Nachschlagewerk zur rheinländischen und westfälischen „Zigeunerverfolgung“ und liefert darüber hinaus einen wertvollen Beitrag zur Geschichte der nationalsozialistischen Verfolgung von Sinti und Roma.

Rezension: Christian Volkholz

Fings, Karola/Opfermann, Ulrich Friedrich (Hrsg.)
Zigeunerverfolgung im Rheinland und in Westfalen 1933-1945 – Geschichte, Aufarbeitung und Erinnerung
Ferdinand Schöningh Verlag, Paderborn, München, Wien, Zürich 2012, 389 Seiten, Buchpreis € 29,90
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