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Evolution im Hier und Jetzt

Grünstoff

Evolution im Hier und Jetzt

Frühling in der Stadt. Die beste Zeit, so der niederländische Biologe Menno Schilthuizen, um die Evolution vor der Haustür zu beobachten. Evolution beobachten? Ja, richtig gelesen. Das geht tatsächlich, und zwar so gut, dass der Professor für Evolutionsbiologie an der Universität Leiden sogar ein ganzes Buch darüber geschrieben hat.

Evolution ist nicht zwangsläufig ein langsamer Prozess, der im Verlauf von Millionen von Jahren, ­also in der Dimension von erdgeschichtlichen ­Epochen vonstatten geht. Aber vor allem die Stadt ist ein Evolutionsmotor, da sind sich Biologen heute ­einig. Und so kann man Evolution tatsächlich im Hier und Jetzt beobachten. Da wird wieder einmal klar, welche Auswirkungen menschliches Handeln auf die Umwelt hat. Einerseits zerstören wir Lebensräume, Arten sterben aus. Andererseits schaffen wir neue ökologische Nischen in den Städten, wo sich Tiere und Pflanzen anpassen.

Doch Anpassung allein ist noch lange keine Evo­lution. Verhalten ist bei vielen Tieren genetisch bedingt, es wird aber auch erlernt und durch Vorführung und Nachahmung von Individuum zu Individuum tradiert. Wie stark welche der beiden Quellen nun das Verhalten eines Tieres steuert, ist nur schwer zu quantifizieren. Komplizierte Experimente sind ­dafür nötig. So wissen Biologen heute, dass Dutzende von Vogelarten in Städten vieler verschiedener Länder ihren Gesang an die lärmende Umgebung anpassen. Sie singen höher, damit ihr Gezwitscher in der städtischen Geräuschkulisse nicht untergeht. Schilthuizen trägt mit sprachlicher Leichtigkeit und spürbarer Begeisterung eine Vielzahl spannender Forschungsprojekte dazu vor. Er macht aber auch klar, dass noch längst nicht alle Fragen beantwortet sind. Bilden sich bei Stadtvögeln den Gesang prägende ­Gene heraus, weil es Männchen mit tiefer Stimmlage nicht gelingt, einem Weibchen zu imponieren? Oder lernen die Männchen, Gesänge in tieferen Tönen aus ihrem Repertoire zu streichen?

Differenziert in der Darstellung und Forschungs­lücken offenlegend erzählt Schilthuizen auf sehr unterhaltsame Weise. Und liefert dennoch genug Hinweise, um zu zeigen, dass die urbane Evolution voll im Gange ist. So konnte eine Arachnologin der Universität Wien zeigen, dass Brückenkreuz­spinnen, die an städtischen Brücken ihre Netze spinnen, eine genetisch bedingte Neigung zum Licht ausbilden. Spinnen meiden für gewöhnlich künstliches Licht. Insekten hingegen nicht. Doch an einer mit Leuchtstoffröhren beleuchteten Brücke in Wien entdeckte die Forscherin, dass die Brückenkreuzspinnen ihre Netze vornehmlich zum Licht bauten. Die ­Neigung ist ihnen angeboren, weil dort mehr Nahrung zu finden ist.

Es ist nur eine Frage des Evolutionsdrucks. Und ein kleiner Vorteil genügt: So verwandelten sich Mitte des 19. Jahrhunderts in der Industriestadt Manchester innerhalb von nur 50 Jahren weiße Birkenspanner in schwarze. Auf den rußgeschwärzten Birkenstämmen waren sie besser vor Vögeln getarnt.

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Menno Schilthuizen
Darwin in der Stadt
Die rasante Evolution der Tiere im Großstadtdschungel
dtv. 368 Seiten, 22 €

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Di|op|trik  auch:  Di|opt|rik  〈f. 20; unz.; Opt.; veraltet〉 Lehre von der Lichtbrechung … mehr

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