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Buchstäblich „cooler“ Anstrich

Technik|Digitales

Buchstäblich „cooler“ Anstrich
Im Sonnenlicht kann die Polymerbeschichtung Objekten einen Kühleffekt von sechs Grad vermitteln.(Credtit: Jyotirmoy Mandal/Columbia Engineering)

Unerbittlich knallt die Mittagssonne auf Gebäude, Autos und technische Anlagen – bisher müssen aufwändige Kühlsysteme sie vor der Überhitzung durch Sonnenstrahlung schützen. Nun scheint jedoch eine ressourcensparende Alternative in Sicht: Forscher haben einen Anstrich entwickelt, der für Lichtreflexion und zusätzlich für intensive Wärmeabstrahlung sorgt. Winzige Luftbläschen in der innovativen Polymerbeschichtung machen dies möglich.

Es ist ein schweißtreibendes, aber auch ökologisches Problem mit zunehmender Bedeutung: Im Zuge des Klimawandels ist auf der ganzen Welt mit steigenden Temperaturen und Hitzewellen zu rechnen – Kühlungssysteme werden somit immer wichtiger. Doch die bisher üblichen Verfahren wie Klimaanlagen sind problematisch: Sie sind teuer, erfordern oft ökologisch schädliche Kühlmittel und heizen durch ihren enormen Energiebedarf den Klimawandel letztlich sogar noch zusätzlich an.

Es gibt jedoch eine Alternative zu diesen energieintensiven Kühlmethoden: die passive Strahlungskühlung (PDRC). Sie hält Oberflächen kühl, indem sie Sonnenlicht reflektiert und zudem Wärme in Form von Infrarotstrahlung in die kältere Atmosphäre abstrahlt. Entsprechend ist PDRC am effektivsten, wenn ein Oberflächenmaterial den solaren Wärmegewinn minimiert und gleichzeitig den Strahlungswärmeverlust zum Himmel maximiert. Bisher hat sich die Umsetzung dieser Doppelfunktion in Beschichtungen allerdings als knifflig herausgestellt.

Knifflige Herausforderung für die Materialentwicklung

Viele der bisher entwickelten Materialien sind komplex, kostenintensiv und unpraktisch – sie lassen sich schlecht auf Dächer und Strukturen mit unterschiedlichen Formen und Texturen aufbringen. Bislang waren vergleichsweise simple weiße Anstriche und Lacke deshalb noch immer die beste Lösung, um einen gewissen PDRC-Effekt zu gewährleisten. Ihre weiße Farbe basiert jedoch auf Pigmenten, die nicht alle Lichtanteile reflektieren und auch nur beschränkt Wärmestrahlung abgeben.

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Die neue Entwicklung des Teams der Columbia University School of Engineering and Applied Science basiert nun auf der bekannten Tatsache, dass viele Kunststoffe ausgezeichnete Wärmestrahler sind. Der Haken war allerdings: Polymer-Materialien sind normalerweise transparent und ließen sich deshalb bisher nur durch störende Zusatzstoffe dazu bringen, Sonnenlicht zu reflektieren. Die Forscher konnten dieses Problem nun umgehen, indem sie ihrer Polymerbeschichtung Reflexionsfähigkeit durch kleine Hohlräume verpassten.

Bläschen sorgen für die Lichtreflexion

Sie verwendeten für ihre Beschichtung eine sogenannte lösungsbasierte Phaseninversionstechnik, die dem Polymer nach dem Auftragen eine poröse schaumartige Struktur verleiht. Mit anderen Worten: Es entstehen Bläschen im Nano- bis Mikro-Maßstab. Wie die Forscher erklären, kann das Material durch die unterschiedlichen Brechungseigenschaften der Lufthohlräume und des umgebenden Polymers das Licht streuen und reflektieren. Das Polymer erscheint dadurch weiß und vermeidet somit eine Erwärmung durch die Sonne, während sein grundsätzliches Abstrahlungsvermögen bewirkt, dass es Wärme an die Umwelt abgibt. Wie die Forscher betonen, sind die zusätzlichen Aspekte allerdings ebenfalls extrem wichtig für das Potenzial des Materials: Es ist preiswert, leicht herstellbar und kann auf alles aufgetragen werden, was sich bemalen lässt – auf Dächer, Gebäude, Wassertanks, Fahrzeuge… oder Objekte der Raumfahrt.

Die Forscher konnten bereits durch Tests zeigen, dass ihre innovative Beschichtung tatsächlich hält, was sie verspricht. Im Sonnenlicht der Wüste Arizonas konnte die Polymerbeschichtung Objekten demnach einen Kühleffekt von sechs Grad vermitteln. In der neblig-trüben, tropischen Umgebung von Bangladesch waren es immerhin drei Grad, berichten die Forscher. „Die Tatsache, dass die Kühlung sowohl in der Wüste als auch in tropischem Klima ohne Wärmeschutz oder Abschirmung erreicht wird, zeigt den Nutzen unserer Entwicklung überall dort, wo Kühlung erforderlich ist“, resümiert Co-Autor Yuan Yang.

Wie er und seine Kollegen berichten, verfeinern sie ihr Konzept derzeit weiter – sie untersuchen etwa Möglichkeiten des Einsatzes von vollständig biokompatiblen Polymeren und Lösungsmitteln, um das Verfahren auch rundum ökologisch zu gestalten. Außerdem bemühen sie sich bereits um eine Umsetzung des Systems in ein Produkt – sie führen Gespräche mit der Industrie über die nächsten Schritte.

Quelle: Columbia University School of Engineering and Applied Science, Science, doi: 10.1126/science.aat9513

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