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Ein blauer Weg zu Biokraftstoff

Technik|Digitales

Ein blauer Weg zu Biokraftstoff
Bohrasseln können hartnäckiges Futter verdauen: Holz. (Credit: Claire Steele-King and Katrin Besser, University of York)

Sie sind für ihren Hunger auf das Holz von Booten und Stegen bekannt – doch die berüchtigten Bohrasseln könnten sich nun auch einmal als nützlich für den Menschen erweisen, geht aus einer Studie hervor: Einblicke in das Verdauungskonzept der Krebschen könnten zur Entwicklung von verbesserten Verfahren zur Umwandlung von Holz in Biokraftstoff führen. Um das hartnäckige Material aufzuschließen, nutzen die Bohrasseln offenbar eine erstaunlich wirkende Substanz: Hämocyanin, das als blauer Blutfarbstoff bei Krebstieren bekannt ist.

Die Bezeichnung hört sich ökologisch an – doch Bio-Kraftstoffe werden diesem Anspruch oft nicht gerecht: Sie werden häufig aus Nutzpflanzen hergestellt, die enorme Flächen benötigen und nicht nachhaltig angebaut werden. Bereits seit einiger Zeit arbeiten Forscher deshalb an Verfahren, andere Stoffe für die Produktion von Kraftstoff nutzbar zu machen. Im Fokus steht dabei nachhaltig verfügbares Holzmaterial. Das Problem bei diesem Rohstoff ist allerdings, dass er extrem zäh ist – Holz gibt den gebundenen Kohlenstoff nicht so leicht frei, der für die Produktion von Kraftstoff wie etwa Ethanol nötig ist. Wie so oft, versuchen Forscher sich deshalb Tipps von der Natur zu holen, denn einige Lebewesen können Holz bekanntlich durchaus als Energiequelle nutzen.

Holzfresser im Fokus

In diesem Zusammenhang sind nun die Bohrasseln (Limnoria) ins Zentrum des Interesses gerückt. Es handelt sich um kleine Krustentiere, die sich von Holzmaterial im Meerwasser ernähren. In der Regel handelt es sich dabei um eingeschwemmtes Material – die kleinen Unterwasser-Krabbler machen sich aber auch an Holzkonstruktionen des Menschen zu schaffen und richten dadurch Schaden an. Bisher war in diesem Zusammenhang die Frage offen, wie die Bohrasseln einen besonders hartnäckigen Bestandteil ihres Futters aufschließen können: Lignin, das den Kohlenstoff des Holzes geradezu wie Zement einschließt.

Um dem Geheimnis der „scharfen“ Verdauung der Holzfresser auf die Spur zu kommen, haben die Forscher um Simon McQueen-Mason von der University of York dem Verdauungssystem der Bohrasseln nun eine detaillierte Studie gewidmet. Erleichtert hat ihnen dies ein weiteres ungewöhnliches Merkmal dieser Krebstiere: „Bohrasseln sind die einzigen bekannten Tiere, die über ein Verdauungssystem ohne Darmbakterien verfügen. Dadurch ist ihre Methode der Holzverdauung leichter zu untersuchen als bei anderen Holzfressern wie etwa bei Termiten, die Tausende von Darmmikroben benötigen, um die Verdauung für sie durchzuführen“, sagt McQueen-Mason. Im Rahmen ihrer Studie konnten die Forscher somit gezielt nach interessanten Substanzen im Darm der Bohrasseln suchen.

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Eine prominente Substanz „hackt“ Holz

Wie sie berichten, stießen sie bei ihren Untersuchungen auf hohe Konzentrationen eines überraschend wirkenden und vergleichsweise prominenten Proteins: Hämocyanin. Es ist für seine Funktion als Sauerstofftransporter bei wirbellosen Lebewesen bekannt. Es erfüllt bei ihnen die gleiche Rolle wie das Hämoglobin bei anderen Tieren: Anders als bei diesem eisenhaltigen und dadurch roten Blutfarbstoff wird der Sauerstoff im Hämocyanin von zwei Kupfer-Ionen gebunden. Aus diesem Grund besitzt es in Verbindung mit Sauerstoff eine blaue Farbe.

Wie die Forscher erklären, ist die reversible Bindung von Sauerstoff der Knackpunkt beim Einsatz des Hämocyanins zur Aufspaltung des Lignins im Holz: Das hochreaktive Element greift die Ligninbindungen an und bringt sie zum Brechen, erklären die Wissenschaftler. „Wir haben herausgefunden, dass Bohrasseln Holz in sehr kleine Stücke zerkauen und es anschließend im Darm mit Hämocyanin behandelt, um die Struktur von Lignin zu zerstören und die Kohlenstoffstrukturen freizugeben“, resümiert McQueen-Mason. Die Erstautorin der Studie Katrin Besser ergänzt dazu: „Es ist faszinierend zu sehen, wie die Natur mit Herausforderungen umgeht und dabei Substanzen multifunktionell einsetzt – wie in diesem Fall das Hämocyanin“, so die Wissenschaftlerin.

Den Forschern zufolge, zeichnet sich in ihren Ergebnissen ab, dass durch die Behandlung von Holz mit Hämocyaninen Zucker freigesetzt werden kann, der ansonsten nur durch teure und energieintensive Industrie-Methoden aus dem Naturmaterial mobilisierbar wird. „Langfristig kann diese Entdeckung hilfreich sein, um den Energieverbrauch zu reduzieren, der für die Vorbehandlung von Holz erforderlich ist, um es in Biotreibstoff umzuwandeln“, resümiert Co-Autor Neil Bruce von der University of York.

Quelle: University of York, Nature Communications, doi: 10.1038/s41467-018-07575-2

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