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Quo vadis, Fliegerei?

Technik|Digitales

Quo vadis, Fliegerei?
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Der Luftverkehr ist alles andere als klimafreundlich. Doch wie lässt sich das ändern? (Foto: aapsky / Fotolia)
Während die erd- und seegebundene Mobilität immer mehr in Richtung alternativer Antriebe blicken kann, bleiben in der Luft leider noch viele Fragen beantwortet. Wie die Fliegerei ohne Öl aussehen soll, dafür gibt es viele Ansätze. Doch ohne Einschränkungen wird es definitiv nicht gehen.

203.000 Liter. 1015 blecherne 200-Liter-Fässer. Das ist die Menge an Kerosin, die in den Tanks eines Jumbo-Jets steckt, wenn er sich schwerfällig von der Startbahn erhebt um mit 900km/h seine über 300 Passagiere zu einem fast 10.000 Kilometer entfernten Ziel zu transportieren. Am Boden können Elektroautos fahren, auf den Weltmeeren Schiffe mit Erdgasantrieb die bisherigen schwimmenden Dreckschleudern ablösen. Doch auch wenn umfangreich an zukünftigen Luftfahrtantrieben geforscht wird, gibt es doch einige „Nüsse”, die nur schwere zu knacken sind. Wohin die Flugreise führen könnte, erklärt der folgende Artikel.

Problem planbare Sicherheit

Die heutige Fliegerei hat durch ihren globalen Charakter einige besondere Problemstellungen, welche eine Umstellung auf alternative Antriebe schwer machen. Allen voran sei die Sicherheit genannt. Nur Kerosin bzw. all seine in der Luftfahrt verwendeten Derivate, ferner Bio-Kraftstoffe, haben einen festen, planbaren Energiegehalt. Das bedeutet, mit Kraftstoffmenge X und dem bekannten Verbrauch der Triebwerke kommt man in jedem Fall Y Kilometer weit. Selbst wenn der Wind stark weht oder andere Umweltphänomene hinzukommen. Der große Knackpunkt einer elektrisierten Fliegerei. Zu viele Variable können die Kapazität eines Akkus beeinflussen, um eine luftfahrttauglich sichere Reichweitenprognose abzugeben – bei einem E-Auto mit leerem Akku fährt man an den Straßenrand. Beim Flugzeug ist das unmöglich.

Problem Gewicht

Buchstäblich schwerwiegender ist ein anderes Problem: Es existiert schlicht (noch) kein ähnlich einfach massenhaft herzustellender und zu lagernder, vergleichsweise sicherer und mit einem so hohen Brennwert versehener Treibstoff wie Flugbenzin. Wasserstoff ist zwar leichter, aber wesentlich heikler im Handling. Gleiches gilt für Erdgas. Und schaut man sich die Werte für verschiedene Akkutypen an, fällt sehr schnell auf, dass es schon vom reinen Gewicht her nicht funktioniert, einfach den Energieträger zu wechseln, ohne an anderer Stelle Nachteile zu erlangen – abgesehen von der benötigten „Betankungsdauer”.

Problem Destillation

Selbst in einer weitestgehend umgestellten Verkehrswelt, in der nur noch sehr wenig Benzin und Diesel verbraucht wird, wäre es schlicht nicht möglich, ganz auf Kerosin zu verzichten. Denn: Innerhalb der Fraktionen der atmosphärischen Destillation liegt der Verdampfungs-Temperaturpunkt von Kerosin oberhalb dem von Benzin. Das bedeutet, solange auch nur ein Tropfen leichte und schwere Mitteldestillate raffiniert werden müssen (und das werden sie noch für eine sehr lange Zeit, weil darunter viele andere Produkte der Petrochemie abseits der Kraftstoffherstellung fallen), fällt automatisch auch jedes darunterliegende Destillat, also auch Kerosin an, das höchstens durch teure Konversionsanlagen umgewandelt werden kann.

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Problem Schub

In der Militärluftfahrt seit Ende der 1940er und der Zivilluftfahrt seit Ende der 1950er wurde der Propeller weitestgehend durch Strahltriebwerke abgelöst. Und um diese Problemstellung zu verstehen, muss man wissen, wie ein solches Triebwerk funktioniert. Natürlich ließe sich die Turbine auch durch andere brennbare Medien antreiben. Doch um den notwendigen Schub zu erzeugen, der durch die Ausdehnung von heißen Gasen entsteht, ist eben zwingend eine enorme Hitzequelle vonnöten. Einmal mehr ein Problem des Energiegehalts. Die einzige denkbare (und zumindest als Prototyp erprobte) Alternative wäre Kernspaltung. Sowohl USA wie Sowjetunion experimentieren in den frühen 60ern mit reaktorbetriebenen Strahltriebwerken – natürlich verbunden mit entsprechenden, untragbaren Risiken.

Praktikable Alternativen

All die genannten Problemstellungen erfordern nicht nur enorme Forschungsanstrengungen, sondern werden auch dazu führen, dass es künftig nicht mehr nur einen Luftfahrtantrieb gibt, sondern gleich mehrere.

Klassisches Kerosin/Jet-Treibstoff bzw. Mixturen wird überall dort weiterhin benötigt werden, wo es um höchste Leistungen bei halbwegs geringem Gewicht geht. Vornehmlich die militärische Luftfahrt. Zwar werden auch dort die Triebwerke immer effizienter, das zeigt die neueste Generation des Pratt-&-Whitney-Triebwerks, das in der F35 zum Einsatz kommt und dieser vergleichsweise kleinen Maschine zu rund 2000 Kilometern Reichweite verhilft. Doch es bleibt das Problem, dass vor allem Überschallflug mittelfristig nur durch die Energiedichte eines verbrennenden Kraftstoffs sichergestellt werden kann. Und auch wenn es nach dem Absturz der Concorde so aussah, dass die zivile Überschallfliegerei keine Zukunft habe, hat sich das Bild mittlerweile gewandelt: So möchte Boom Technology schon 2023 wieder Passagiere schneller als der Schall befördern. Und der Markt dafür ist definitiv vorhanden.

Biokraftstoffe bzw. Mixturen sollen Mitte der 2020er zehn Prozent allen in Deutschlands verwendeten Flugtreibstoffs ausmachen. Letzten Endes handelt es sich dabei um Pflanzenöle, beispielsweise Raps oder Palmöl. Vor allem die zivile Passagierluftfahrt setzt große Stücke in diese Kraftstoffe, die Lufthansa erprobte bereits 2011 eine 50-prozentige-Mixtur mit guten Ergebnissen. Der Nachteil dieser Kraftstoffe ist jedoch, dass die nötigen Pflanzen in Konkurrenz zu Nahrungspflanzen angebaut werden und somit bestenfalls einen Zwischenschritt darstellen.

Brennstoffzellen stehen in der Luftfahrt noch am Anfang der Forschungen, zeigen aber bereits vielversprechende Ansätze. Wasserstoff wird dabei mit Luftsauerstoff in elektrische Energie und Wasser umgewandelt. Das einzige echte Problem erwächst daraus, dass sich auf diese Weise nur klassische Propeller antreiben lassen, nicht jedoch Strahltriebwerke. Interessant ist der Antrieb daher vor allem für die Hobby-Fliegerei sowie den kommerziellen Kurzstreckenbetrieb, bei dem auch heute teilweise noch auf (allerdings Turboprop-betriebene) Propellerflugzeuge gesetzt wird.

Solar wird Jahr für Jahr effizienter. Die imposante Weltumrundung der Solar Impulse 2 zeigt, dass es absolut möglich ist, ein Flugzeug auf diese Weise zu betreiben. Allerdings bleibt das Problem, dass Solarantriebe nicht die in der Massen-Luftfahrt nötige dauerhafte Versorgungssicherheit besitzen – und vor allem dauerte die Weltumrundung 550 Flugstunden. Doch es muss ja nicht in Form klassischer Flugzeuge passieren. Im Gegenteil, der Solarantrieb könnte mittelfristig eine Renaissance der Luftschiffe herbeiführen. In der Luft gehalten durch Helium, würden sie den Strom wie ehedem zum Antrieb von Propellern benötigen. Und PV-Fläche wäre dank der enormen Hüllen-Abmessungen genügend vorhanden. Tatsächlich denken so manche Visionäre bereits in Richtung „Luftschiff-Kreuzfahrt”, bei dem die Langsamkeit des Seins mit enormem Luxus gepaart wird. Also ganz so wie in der ersten Blütezeit der Luftschiffe.

Zusammenfassung: Aufsplitten ist unumgänglich

Es gibt viele Ungewissheiten beim Blick in die Luftfahrt-Zukunft. Doch zusammenfassend lässt sich mit einiger Sicherheit folgendes voraussagen:

1. Schnelles Fliegen als spottbilliges Massen-Reisen wie bislang wird es in Zukunft nicht mehr geben. Zwar wird Fliegen günstig bleiben, aber durch die notwendige Umstellung der Energieträger nicht mehr so schnell sein. Die Erde bietet schlicht nicht genug Anbaufläche, um die derzeit allein im Linienbetrieb jährlich verbrauchten mehreren Millionen Liter Kerosin zu ersetzen, die dafür nötig wären.

2. Die Elektrifizierung der Luftfahrt ist möglich, aber zumindest mittelfristig nur durch die Brennstoffzelle und ferner Photovoltaik. Sämtliche Akkumulatoren sind noch zu schwer, um ein rentables Verhältnis von Flugzeuggröße und Zuladung zu erreichen.

3. Der militärische Luftfahrtbereich wird am längsten Erdöl-abhängig bleiben. Durch die Verwendung von Raketentreibstoffen, die nicht auf Öl basieren, könnte es aber eventuell dazu kommen, dass der erdnahe Weltraum als zusätzlicher „Luftraum” erweitert wird, weil durch den Flug in diesem Beinahe-Vakuum die Notwendigkeit des Dauer-Antriebs wegfällt.

4. Der Gütertransport in der Luft wird sich verlangsamen. Insbesondere im Bereich der Luftschiffe könnten zwar enorme Frachtgewichte erreicht werden, die heute selbst mit Schwerlastflugzeugen undenkbar sind, aber eben ob des elektrischen Antriebs mit einer dramatisch verringerten Geschwindigkeit.

Die Luftfahrt steht in einer Welt, die sich aktiv vom Erdöl entfernen möchte, vor der größten Herausforderung seit ihrem Entstehen. Sie wird sich behaupten, aber viele liebgewonnene Tatsachen werden dabei auf der Strecke bleiben. In wenigen Jahrzehnten wird der klassische, jetbetriebene Airliner einer aussterbenden Gattung angehören. Und je nachdem, wie weit das Flugziel entfernt ist, wird man sich entscheiden müssen, ob man schnell und sehr teuer oder langsam und günstig dort ankommen will.

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