Anzeige
1 Monat GRATIS testen, danach für nur 9,90€/Monat!
Startseite »

Robotergesicht spiegelt Mimik

Technik

Robotergesicht spiegelt Mimik

Wenn man sie anlächelt, erwidert „EVA“ den freundlichen Ausdruck: Forscher haben ein Robotergesicht entwickelt, das durch künstliche Intelligenz und raffinierte Feinmotorik die Mimik von nahen Personen erfassen und überzeugend nachahmen kann. Das Konzept ist ein weiterer Schritt zum Ziel, „technische Wesen“ menschlicher erscheinen zu lassen, um den Umgang mit ihnen angenehmer zu gestalten.

Freude, Freundlichkeit, Neugier…: In den komplexen Gesichtsausdrücken des Menschen spiegeln sich viele Emotionen und Botschaften wider – die Mimik ist ein wichtiger Bestandteil unserer nonverbalen Kommunikation. Fehlt sie, kommen uns Gesichter abweisend und wenig vertrauenerweckend vor. Genau das trifft bisher weitgehend auf die Gesichter von Robotern zu – ihre meist statischen Gesichts-Nachbildungen lassen sie kaum persönlich erscheinen. Vor dem Hintergrund, dass diese Techno-Wesen zunehmend zu Ansprechpartnern von Menschen in verschiedenen Bereichen werden sollen, besteht somit Optimierungsbedarf, sagen die Wissenschaftler des Creative Machines Labs an der Columbia University in New York. Ihren Erfolg auf diesem Gebiet haben sie nun auf der IEEE 2021 ICRA International Conference on Robotics and Automation im chinesischen Xi’an vorgestellt.

„Die Idee für EVA entstand vor ein paar Jahren, als meine Studenten und ich feststellten, dass wir das unangenehme Gefühl hatten, dass uns die Roboter im Labor anstarrten“, berichtet der Leiter der Arbeitsgruppe Hod Lipson. Außerdem fiel ihm das Bedürfnis nach mehr menschlichen Merkmalen von Robotersystemen bei Beobachtungen in Lebensmittelgeschäften auf, wo das Personal etwa Nachfüllrobotern Namensschilder verpasste oder ihnen Mützen aufsetzte. „Die Menschen schienen ihre technischen Kollegen auf diese Weise vermenschlichen zu wollen. Das brachte uns auf die Idee, einen Roboter zu bauen, der ein super-expressives und reaktionsschnelles menschliches Gesicht hat“, sagt Lipson.

Feinmotorik und künstliche Intelligenz

Wie er und seine Kollegen berichten, stellte es sich allerdings als eine ausgesprochen knifflige Aufgabe heraus, ein überzeugendes Robotergesicht herzustellen, das dem menschlichen Vorbild nahekommt. Die erste Hürde bestand darin, eine physische Maschinerie mit extrem leistungsfähiger Feinmotorik zu entwickeln. Denn unsere Mimik basiert auf einem komplexen Zusammenspiel von mehr als 42 winzigen Muskeln, die an verschiedenen Punkten an der Haut und den Knochen des menschlichen Gesichts ansetzen. „Eine besondere Herausforderung war es dabei zudem, ein System zu entwerfen, das in einen menschengroßen Kopf passt und gleichzeitig so leistungsfähig ist, dass es eine breite Palette von Gesichtsausdrücken erzeugen kann“, sagt Co-Autor Zanwar Faraj.

Anzeige

Durch den Einsatz von Bauteilen aus dem 3D-Drucker und raffinierter Systeme aus Zugkabeln und winzigen Motoren gelang es den Entwicklern aber schließlich, der von einer Kunststoffmembran überzogenen Gesichtsimitation Ausdrücke zu verleihen, die zunehmend denen der menschlichen Mimik ähnelten. „Eines Tages ertappte ich mich dabei, wie ich reflexartig zurücklächelte, als mir EVA einen entsprechenden Ausdruck vermittelte“, sagt Lipson. Das Robotergesicht kann mittlerweile die sechs grundlegenden Emotionen Wut, Ekel, Angst, Freude, Traurigkeit und Überraschung sowie eine Reihe nuancierterer Emotionen erstaunlich gut vermitteln, berichten die Forscher.

Nachdem sie mit EVAs Mechanik zufrieden waren, widmeten sie sich ihrem zweiten Ziel: der Programmierung der künstlichen Intelligenz, die EVAs Gesichtsbewegungen steuert. Das Robotergesicht sollte in der Lage sein, die Mimik von menschlichen Gesichtern in der Nähe zu lesen und dann zu spiegeln. Das „Gehirn“ von EVA wurde dazu mit sogenannten neuronalen Deep-Learning-Netzwerken ausgerüstet. Wie die Forscher erklären, musste dieses System zwei Fähigkeiten gewährleisten: Erstens sollte EVA lernen können, das eigene komplexe System der mechanischen Muskeln zu nutzen, um einen bestimmten Gesichtsausdruck zu erzeugen. Zweitens war die Fähigkeit nötig, Gesichtsausdrücke von Menschen automatisch erfassen zu können, um sie zu spiegeln.

EVA lernt, Mimik zu spiegeln

Um dem System beizubringen, wie das eigene Gesicht aussieht und reagiert, filmten die Wissenschaftler EVA stundenlang, wie sie eine Reihe von zufälligen Gesichtsausdrücken erzeugte. Anschließend lernte das interne neuronale Netzwerke des Systems ähnlich wie ein Mensch, der sich selbst im Spiegel beobachtet, die Muskelbewegungen mit den Bilddaten des eigenen Gesichts zu verbinden. So entwickelte EVA ein Gefühl dafür, wie ihr eigenes Gesicht funktioniert. Anschließend konnte sie durch die künstliche Intelligenz lernen, das Selbstbild mit Aufnahmen menschlicher Gesichter abzugleichen, die von einer Videokamera aufgenommen wurden. So entwickelte Eva schließlich die Fähigkeit, menschliche Mimik zu erfassen und darauf zu reagieren, indem sie den jeweiligen Gesichtsausdruck des Menschen nachahmt.

Einigen wird dies wohl noch gespenstischer erscheinen als ein starrer Gesichtsausdruck – doch möglicherweise ist das nur eine Frage der Gewöhnung. „Unsere Gehirne scheinen gut auf Roboter zu reagieren, die eine Art erkennbare physische Präsenz haben“, sagt Lipson. Die Forscher weisen auch darauf hin, dass es sich bei EVA bisher um ein experimentelles System handelt und dass die Leistung noch weit von der komplexen Art und Weise entfernt ist, wie Menschen mithilfe von Gesichtsausdrücken miteinander kommunizieren. Sie sind aber davon überzeugt, dass sich solche Technologien eines Tages als nützlich erweisen können, um ein angenehmes Interaktionsgefühl mit Robotersystemen zu fördern. „Roboter sind auf immer mehr Arten mit unserem Leben verwoben, daher wird es immer wichtiger, Vertrauen zwischen Mensch und Maschine aufzubauen“, meint Co-Autor Boyuan Chen.

Quelle: Columbia’s Schoolof Engineering and Applied Science, Präsentation auf der IEEE 2021 ICRA International Conference on Robotics and Automation

Anzeige

Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

  • Wie kann die Wissenschaft helfen, die Herausforderungen unserer Zeit zu meistern?
  • Was werden die nächsten großen Innovationen?
  • Was gibt es auf der Erde und im Universum noch zu entdecken?

Hören Sie hier die aktuelle Episode:

Aktueller Buchtipp

Sonderpublikation in Zusammenarbeit  mit der Baden-Württemberg Stiftung
Jetzt ist morgen
Wie Forscher aus dem Südwesten die digitale Zukunft gestalten

Wissenschaftslexikon

So|zi|al|hil|fe  〈f. 19; unz.〉 Gesamtheit aller staatlichen Hilfen für Menschen in (materieller) Notlage

Mu|ta|gen  〈n. 11〉 chem. od. physikal. Agens, das Mutationen auslöst

Ver|kehrs|in|farkt  〈m. 1; umg.〉 Zusammenbruch, Stillstand des Autoverkehrs aufgrund eines zu hohen Fahrzeugaufkommens ● den Städten droht in absehbarer Zukunft der ~

» im Lexikon stöbern
Anzeige
Anzeige
Anzeige