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So schwer ist’s mit dem Leichtgewicht

Technik|Digitales

So schwer ist’s mit dem Leichtgewicht
Flugzeuge aus Karbonfasern sind schwerer und wahrscheinlich wartungsintensiver, als die Ingenieure gehofft hatten. Ein „elektronisches Nervensystem“ soll dieses Manko beheben.

Zehn Kilometer über dem Erdboden tobt ein unerbittlicher Preiskampf. Um Kunden mit günstigen Flügen locken zu können, zählt für die Airlines jeder Cent gesparte Kosten. Daher gilt: Wer ein neues Flugzeug anbieten kann, das weniger Treibstoff- oder Wartungskosten verschlingt, dessen Auftragsbücher füllen sich. Kein Wunder, denn das Flugbenzin (Kerosin) ist neben dem Personal und der Anschaffung von Flugzeugen der größte Kostenfaktor der Fluggesellschaften. Auch die Instandhaltung belastet die Airlines: Sie schlägt mit fast einem Fünftel der gesamten Betriebskosten zu Buche. In diese Kerbe schlägt Boeing mit seinem „Dreamliner“. Das Flugzeug mit dem offiziellen Namen Boeing 787 wurde schon zum Renner, lange bevor es erstmals abhob. Der Hersteller aus Chicago verspricht, dass der Dreamliner 30 Prozent weniger Instandhaltungskosten verursacht und 20 Prozent weniger Treibstoff verbraucht als andere Flugzeuge vergleichbarer Größe. Der europäische Konkurrent Airbus zieht mit seinem A350 XWB nach: Der Langstreckenflieger soll im Vergleich zu heute gebräuchlichen Jets ein Viertel weniger Betriebskosten verursachen und auch rund ein Viertel an Kerosin sparen.

Wartungskosten ungewiss

Ihre Versprechen begründen die Hersteller unter anderem mit dem Einsatz eines als besonders leicht und wartungsarm geltenden Werkstoffs: Karbonfaser-verstärktem Kunststoff, kurz CFK. Zwar wird dieses Material schon seit den 1970er-Jahren im Flugzeugbau verwendet, etwa in den Seitenleitwerken. Dennoch betreten die Ingenieure von Boeing und Airbus nun technisches Neuland. Dreamliner und A350 XWB besitzen als erste Verkehrsflugzeuge einen Rumpf aus CFK. Während in den 1970er-Jahren der Anteil dieses Materials in Verkehrsflugzeugen noch höchstens bescheidene fünf Gewichtsprozent betrug, macht es beim Dreamliner mehr als die Hälfte des gesamten Gewichts aus.

Doch schon bevor Dreamliner und A350 XWB in den Liniendienst abheben, ziehen Experten die vollmundigen Versprechen der Hersteller in Zweifel. Ob Verkehrsflugzeuge aus Kohlenstofffasern tatsächlich weniger Wartung und Reparatur benötigen, müsse sich erst noch zeigen, sagt Christian Sauer, bei Lufthansa Technik für die Instandhaltung von Strukturkomponenten zuständig. Jetzt schon Aussagen über die Wartungskosten zu machen, sei „Glaskugellesen“. Auch der Werkstoffwissenschaftler Hans van der Zanden, der 2009 ein Buch über CFK im Flugzeugbau verfasst hat, ist skeptisch. Er prophezeit: „Bei der Boeing 787 werden Wartung, Inspektion und Reparaturen sehr viel mehr kosten als bei einem Flugzeug aus Aluminium.“

Ein weiterer Kritikpunkt: Die Gewichtsersparnis durch den Leichtbauwerkstoff bleibe weit hinter den Erwartungen zurück. Vor einigen Jahren hätten Fachleute durch CFK noch um 20 bis 30 Prozent leichtere Verkehrsflugzeuge erwartet, sagt Horst Baier, Inhaber des Lehrstuhls für Leichtbau der Technischen Universität München. „Zwar halten sich die Hersteller aus Wettbewerbsgründen mit Aussagen bedeckt, wie viel bisher tatsächlich erreicht wurde. Doch inoffiziell hört man, dass es je nach Art der Komponenten zwischen 0 und 20 Prozent sind“, berichtet Baier. Unter dem Strich dürfte die Ersparnis also deutlich geringer ausfallen als erhofft. Tatsächlich ist der Dreamliner laut einem Bericht im Fachmagazin Air Transport World sogar rund 8 Prozent schwerer als geplant.

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Dicke Wände drücken auf die Waage

Die mögliche Gewichtsersparnis sei nicht zuletzt Materialverstärkungen zum Opfer gefallen, die nötig sind, um die Bruchsicherheit zu garantieren, sagt Dieter Hentschel, Leiter des Geschäftsfelds Luft- und Raumfahrt beim Fraunhofer-Institut für zerstörungsfreie Prüfmethoden (IZFP) in Dresden. Vor diesem Hintergrund verwundert es, dass die Hersteller den seit Jahrzehnten bewährten Luftfahrt-Werkstoff Aluminium in einem solchen Ausmaß durch CFK ersetzen wie bei Dreamliner und A350 XWB. Sie begründen es mit wesentlichen Vorteilen der Karbonfasern: Das Verbundmaterial korrodiert nicht und zeigt kaum Ermüdung. Das ist ein großer Pluspunkt, denn Flugzeuge sind extremen Bedingungen ausgesetzt. So schwankt die Temperatur zwischen Startbahn und Reiseflughöhe oft um mehr als 100 Grad Celsius. UV-Strahlung und extreme Feuchteunterschiede setzen dem Material zusätzlich zu. Aluminium ist anfällig dafür, und seine Korrosion sowie durch Ermüdung entstehende Risse sorgen für hohe Instandhaltungskosten. Dietmar Strohmeyer, bei Lufthansa Technik für die ingenieurwissenschaftliche Betreuung bei Flugzeugüberholungen zuständig, schätzt den durch Korrosion verursachten Anteil am gesamten Wartungsaufwand bei den großen, alle sechs Jahre stattfindenden Überholungen auf ein Fünftel.

keinerlei Erfahrung

Allerdings: Ob CFK besser abschneidet, steht in den Sternen. „ Es gibt keinerlei Erfahrung mit einem so umfassenden Einsatz von CFK im strapaziösen Liniendienst“, sagt Strohmeyer. Zwar gibt es Klein- und Militärflugzeuge aus diesem Werkstoff. Doch die verbrächten bei Weitem nicht so viel Zeit in der Luft wie Dreamliner und A350 XWB das tun sollen, argumentiert Strohmeyer. Darüber hinaus stimme es zwar, dass ein Kohlenstofffaser-verstärkter Werkstoff nicht durch die mechanische Belastung bei harten Landungen oder starken Windböen ermüde. „Aber auch er unterliegt einem Alterungsprozess, etwa durch Hagel, Blitz- und Vogelschlag.“

Zu diesen Ungewissheiten gesellt sich das größte Manko des Materials. Mancher Fahrradfahrer, der seinen alten Drahtesel durch einen neuen aus Kohlenstofffasern ersetzt hat, kennt den Effekt: Zwar wirkt der Fahrradrahmen aus CFK nach einem Stoß an der Bordsteinkante oder einem Stein makellos wie zuvor. Trotzdem muss er ersetzt werden. Was man als Laie nicht erkennt, hat seinen Grund im inneren Aufbau von CFK: Anders als ein Metall, das eine homogene Masse bildet, hat dieser Werkstoff einen Schichtaufbau. Parallel verlaufende Karbonfasern bilden teppichähnliche Matten. Extrem feste chemische Bindungen zwischen Kohlenstoff-Atomen machen die Karbonfasern äußerst reißfest. Rund 20 Kohlenstofffaser-Matten sind in einem Bauteil übereinander geschichtet. Der Raum zwischen Fasern und Matten ist gefüllt mit Epoxidharz, einem besonders festen Kunststoff.

Der Kunststoff, im Fachjargon Matrix genannt, gibt dem Bauteil seine Form. Weil die Matrix die auf das Bauteil wirkenden Kräfte zu den Fasern leitet, bekommt das CFK-Komposit als Ganzes eine sehr hohe Festigkeit. Das Karbon-Material ist etwa doppelt so fest wie eine Aluminium-Legierung – und das bei deutlich geringerem Gewicht. Trifft ein Schlag das Bauteil, bleibt äußerlich oft keine Spur zurück, denn CFK lässt sich nur schwer verformen – im Gegensatz zu einem Aluminium-Bauteil, in dem sich durch Stöße Beulen bilden. Doch das heißt nicht, dass das Karbonfaser-Bauteil unbeschädigt ist. Schon durch leichte Stöße können sogenannte Delaminationen entstehen, bei denen sich einzelne Schichten im Innern des Materials voneinander lösen.

Der Bruch kommt unvermittelt

Diese Ablösungsrisse können wachsen, wenn große Belastungen auftreten – am Flugzeug etwa durch Hammerschläge bei einer Reparatur, die Kollision mit einem Vogel, einen beim Starten gegen die Unterseite des Rumpfs geschleuderten Stein oder beim Anstoßen eines Ladefahrzeugs. Hat die Delamination eine gewisse Größe erreicht, kommt es zu einem plötzlichen, von außen durch nichts angekündigten Bruch. Bei Aluminium ist das anders: Ein Versagen kündigt sich durch kleine Risse an. Aus jahrzehntelanger Erfahrung wissen die Ingenieure, wie schnell solche kleinen Risse an den belasteten Stellen eines Flugzeuges wachsen, bis es zum Bruch kommt. Das Verhalten von CFK nach einem Schlag kennen die Werkstoff-Wissenschaftler jedoch kaum.

Daher gehen die Hersteller auf Nummer sicher. Obwohl sich CFK nur schwer verformt, hinterlassen Stöße ab einer bestimmten Stärke an seiner Oberfläche ein Beulchen, das gerade noch mit bloßem Auge erkennbar ist. Damit die Delamination, die ein heftiger Schlag verursacht, kein Sicherheitsproblem darstellt, werden CFK-Bauteile so ausgelegt, dass sie trotz der Beschädigung noch fest genug sind, um 150 Prozent einer Belastung auszuhalten, wie sie statistisch gesehen nur einmal in einem Flugzeugleben auftritt – etwa bei einer harten Landung oder einer besonders schweren Windböe. Das heißt, sie werden dicker gebaut. Wegen dieser Überdimensionierung geht die Spannung, die sich im Material beim Flug aufbaut, nicht über eine definierte Grenze hinaus. Ein durch einen Stoß entstandener Schaden vergrößert sich deshalb nicht und stellt bis zur nächsten größeren Wartung, bei der das Innere des Bauteils mit Ultraschall oder Röntgenstrahlen untersucht wird, keine Gefahr dar.

Allerdings: Ein dickeres Bauteil bedeutet mehr Gewicht. Manche Experten meinen, dass die „Sicherheitsdicke“ das Leichtbaupotenzial von CFK schmälert. Schätzungen können sie jedoch nicht abgeben. Das ist auch schwierig, weil verschiedene Bauteile des Flugzeugs verschiedenen Belastungen ausgesetzt sind und die Wahrscheinlichkeit für einen Treffer unterschiedlich groß ist. Die Komponenten werden daher unterschiedlich ausgelegt. So ist die Unterseite des Rumpfs bei Starts und Landungen starker Zugspannung und gleichzeitig hochgeschleuderten Steinen ausgesetzt. Die beim Dreamliner erstmals vollständig aus CFK gefertigten Flügelkästen – sie verbinden die Flügel mit dem Rumpf – werden zwar stark von den aerodynamischen Kräften am Flügel belastet, aber da sie von Karbonfasern ummantelt sind, bekommen sie keine Treffer ab.

Die Suche nach der Mini-Beule

„Eine Delamination, die mit einem gerade noch sichtbaren Schaden einhergeht, setzt die Festigkeit des Verbundwerkstoffs um 50 Prozent herab“, schrieb Robert L. Sierakowski, Wissenschaftler an der Ohio State University in Columbus (USA), schon 2000. Dieser Verlust muss durch zusätzliche Dicke wettgemacht werden. Die Schlagempfindlichkeit ist die Achillesferse der CFK. Sie verlangt nicht nur ein höheres Gewicht, sondern wirkt sich auch auf die Wartung aus. Das Inspektionspersonal muss nach winzigen Beulchen von weniger als einem Millimeter Tiefe suchen. „Das ist schon sportlich“, sagt Christian Sauer. Das Inspizieren mit bloßem Auge habe seine Grenzen. Portable Diagnoseapparate wären dazu besser geeignet.

Auch Dietmar Strohmeyer hält es für sinnvoll, Diagnosetechnik einzusetzen, die verborgene Schäden aufspürt. „Wenn zum Beispiel ein stumpfer Körper mit großer Wucht auf die Außenhaut des Flugzeuges trifft, etwa die Karosserie eines Ladefahrzeugs, kann die Flugzeughülle großflächig eingedrückt werden“, erklärt er. Dann besteht die Gefahr, dass sich die Außenhaut von der inneren Flugzeugstruktur, den Versteifungen der „Spanten“ und „Stringer“, ablöst. Das Problem ist, dass die großflächige Beule wieder zurückspringt, wodurch der Schaden von außen unsichtbar wird. „ Trotzdem kann er erheblich sein und muss entdeckt werden, weil sonst die Sicherheit des Flugzeugs und der Passagiere in Gefahr ist“, warnt Strohmeyer.

Innere Schäden wie Delaminationen oder Ablösungen lassen sich etwa mit portablen Ultraschall-Prüfgeräten aufspüren. Doch damit dauert die Inspektion lange, denn die Geräte können keine große Fläche prüfen und müssen die Flugzeughülle Zeile für Zeile abscannen. Man kann sich den Aufwand ähnlich vorstellen wie das Ausmalen einer großen Fläche mit einem dünnen Buntstift. Deutlich schneller könnte es mit einer Technik gehen, die fast wie Science-Fiction anmutet: Flugzeuge sollen eine Art künstliches Nervensystem bekommen, das bei einem Schlag gewissermaßen aufschreit oder, in einer weiteren Ausbaustufe, sogar die Gefährlichkeit des Schadens selbst abschätzt. Sensoren übernehmen dabei die Rolle der Nervenzellen, Funkverbindungen die der Nervenbahnen und ein Computer, der die Sensordaten verarbeitet, agiert als Gehirn. Ein solches künstliches Nervensystem würde regelmäßige Wartungsintervalle überflüssig machen. Denn es könnte sich ständig in das Flugzeug hineinfühlen – das Flugzeug hätte die Prüftechnik sozusagen mit im Gepäck. Mit Diagnosemethoden wie Ultraschall genauer hinsehen und Schäden reparieren müsste man nur, wenn das System Alarm schlägt.

Wohin mit den Sensoren?

Doch bis zum Flugzeug mit Nervensystem ist es noch ein weiter Weg. Heute wissen die Entwickler noch nicht einmal, welche Art von Sensoren sie an welchen Stellen im Flugzeug verwenden sollen. Eine Möglichkeit sind Piezosensoren. Sie können Schallwellen messen, die bei einem Schlag durch das CFK-Material laufen. Fraunhofer-Forscher Dieter Hentschel zeigt ein kreditkartenförmiges Kunststoffplättchen, den Prototypen eines Spezial-Piezosensors. „Darin stecken sogenannte Piezofasern“, erklärt er. Das sind Keramikfäden, die eine elektrische Spannung erzeugen, wenn sie gedehnt werden. Die Fraunhofer-Forscher um Hentschel haben drei solche Sensoren auf einen Testkörper aus Karbonfasern geklebt und dann an verschiedenen Stellen auf das Material geschlagen. Resultat: Die Schallwelle trifft zu unterschiedlichen Zeiten und unterschiedlich stark gedämpft auf die drei Sensoren, je nachdem wie weit sie vom Schlagpunkt entfernt liegt. Die Piezofasern werden von den Wellen unterschiedlich stark gedehnt und erzeugen daher verschieden große elektrische Signale. Ein Computer kann daraus den Auftreffpunkt und die Stärke des Schlags bestimmen.

In Zukunft sollen Piezosensoren schon bei der Herstellung der CFK-Teile in die Schichtstruktur eingebaut werden. Sie könnten CFK-Bauteile auch aktiv untersuchen. Denn die Messfühler funktionieren nicht nur als Sensoren, sondern auch als Aktoren, die eine elektrische Spannung in eine mechanische Dehnung verwandeln. „Einer der Sensoren sendet eine Welle durch das Material, und die anderen fangen sie auf“, erklärt Hentschel. Schäden wie Delaminationen oder Brüche von Kohlenstofffasern verändern die Ausbreitung der Wellen. Eine Software könnte die Abweichungen registrieren und interpretieren. Ein Computer würde gegebenenfalls einen Wartungs- oder Reparaturbedarf melden.

Auch in die CFK-Bauteile eingebettete Glasfasern, durch die – gleichsam als Nervenimpulse – Lichtsignale flitzen, könnten als Nervensystem fürs Flugzeug dienen. Das Funktionsprinzip: An bestimmten Punkten in der Faser wird Licht unterschiedlicher Wellenlänge reflektiert, je nachdem wie stark die Faser gedehnt wird. Tritt durch einen Schlag eine Dehnung auf, merkt das die Glasfaser. Eine Alternative stellen Kohlenstoff-Nanoröhrchen dar. Sie könnten der Flugzeughaut ein künstliches Gefühl verleihen, wie Wissenschaftler des Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge vor Kurzem demonstriert haben. Die Forscher bauten die elektrisch leitfähigen Nanoröhrchen so in ein Verbundmaterial ein, dass diese ein durchgängiges Netzwerk bildeten. Dann schickten sie Strom durch das Material. War es beschädigt, so erhöhte sich an der betroffenen Stelle im Netz der Nanoröhrchen der elektrische Widerstand und die Röhrchen erwärmten sich. Der Schaden war für eine Wärmebildkamera sichtbar.

Nerven statt Wartung

In erster Linie soll ein solches Nervensystem fürs Flugzeug also den Wartungsaufwand reduzieren. Laut Werkstoff-Wissenschaftler van der Zanden lassen sich so bis zu 20 Prozent Kosten einsparen. Allerdings müssen die Entwickler noch dafür sorgen, dass die Sensoren kein Sicherheitsrisiko darstellen. Denn die Fühler sind ein Fremdkörper im Schichtaufbau des CFK-Bauteils. Sie können den geradlinigen Verlauf der Karbonfasern stören, und der Sensor kann sich von den umgebenden CFK-Schichten lösen. Doch für Martin Lehmann, Forscher am Fraunhofer-Institut für Betriebsfestigkeit in Darmstadt, sind das lösbare Probleme. Er glaubt, dass die Selbstüberwachungssysteme schon in wenigen Jahren bei Verkehrsflugzeugen zum Einsatz kommen werden.

Boeing arbeitet bereits an einem autonomen Selbstkontrollsystem für den Dreamliner. Die Ersparnisse bei der Wartung würden jedoch mit einer Art Gewichtsstrafe bezahlt, denn das Nervenkostüm fürs Flugzeug bringt natürlich zusätzlich etwas auf die Waage. Doch vor allem will man nicht noch mehr Kabel im Flugzeug. „Die Daten sollten möglichst per Funk übertragen werden“ , sagt Dieter Hentschel. „Die Sensoren sollten sich zudem selbst mit Energie versorgen.“ Die lasse sich aus Vibrationen des Materials oder dem Temperaturunterschied zwischen dem warmen Flugzeuginneren und der eisigen Außenluft gewinnen – mit thermoelektrischen Generatoren, die Temperaturdifferenzen in elektrische Spannung verwandeln.

Der Darmstädter Fraunhofer-Experte Martin Lehmann ist sogar überzeugt, dass ein Selbstüberwachungssystem das Leichtbaupotenzial von CFK erhöht. „Wenn sich selbst kleine Schäden sofort entdecken lassen, muss nicht so viel Reserve an Festigkeit in den Bauteilen vorgehalten werden“, erklärt er. Das hieße, die Wände belasteter Bauteile ließen sich dünner und damit leichter bauen. Doch andere Forscher sind skeptisch. Hans van der Zanden glaubt, dass das elektronische Nervensystem das Flugzeug erheblich schwerer machen wird. Leichtbau ist mehr eine Frage des konstruktiven Gesamtkonzepts als des Werkstoffs, sagt der Münchner Leichtbau- Experte Horst Baier. Der Werkstoff sei nur einer von vielen Parametern, die man optimieren müsse, um eine möglichst leichte und anforderungsgerechte Konstruktion zu erreichen.

Ob sich durch Kohlenstofffasern im Flugzeugbau Gewicht sparen lässt, hängt vor allem davon ab, auf welchen Wegen die Kräfte durch eine Konstruktion fließen. Das illustriert der Leichtbau-Experte Wolfgang Dudenhausen vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt an einem eindrucksvollen Beispiel: Der Pariser Eiffelturm ist aufgrund seiner optimalen Konstruktion so extrem leicht, dass man ihn aus CFK nicht hätte leichter bauen können. ■

Die Nähe zum Rhein-Main-Flughafen hat beim Darmstädter Technikjournalisten Christian MeieR das Interesse für Luftfahrtthemen geweckt.

von Christian Meier

Karbon ist im Kommen

Schon in den 1970er-Jahren setzte Airbus Karbonfaser-Verbundwerkstoffe (CFK) bei der Flugzeugherstellung ein, etwa im A300. Der Anteil des Leichtbau-Materials war aber noch gering. Spätere Generationen von Airbus-Jets enthielten deutlich mehr davon. Der A350, der 2013 auf den Markt kommen soll, besteht zu über der Hälfte seines Gewichts aus CFK.

Kompakt

· Die ersten Jets mit einem Rumpf aus Karbon-Verbundmaterial sind in der Luft.

· Stöße können zu versteckten Rissen in der Flugzeughülle führen, die das Material plötzlich brechen lassen.

· Dagegen müssen die Ingenieure die Flugzeuge aufwendig sichern.

Mehr zum Thema

Lesen

S. Reid, G. Zhou (Editors) Impact Behaviour of fibre-reinforced composite materials and structures CRS Press, Boca Raton (USA), 2000

Internet

Informationen von Airbus zum A350 XWB: www.airbus.com/aircraftfamilies/ passengeraircraft/a350xwbfamily

Informationen von Boeing zum Dreamliner: www.boeing.com/commercial/787family

Homepage der Lufthansa Technik: www.lufthansa-technik.com

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