Das Erscheinen von Goethes Roman „Die Leiden des jungen Werther“ 1774 soll eine Welle von Selbstmorden ausgelöst haben. Darin erschießt sich der junge Werther, weil seine angebetete Lotte für ihn unerreichbar ist. Gesicherte Erkenntnisse über die Ereignisse rund um den historischen Fall gibt es nicht, da Suizide im 18. Jahrhundert noch nicht verlässlich epidemiologisch erfasst wurden. Gut belegt sind dagegen moderne Fälle des „Werther-Effekts“: 1974 wies der Soziologe David Phillips nach, dass Berichte in der New York Times über den Suizid Prominenter die Selbstmordrate deutlich steigen ließen. Und: Je prominenter das Vorbild, umso höher die Nachahmerquote. Nach dem Tod Marilyn Monroes etwa gab es in den USA rund 200 Selbsttötungen (12 Prozent) mehr als üblich – wobei die genauen Umstände ihres Todes nie geklärt wurden. Auch eine Metastudie der australischen Forscher Jane Pirkis und R. Warwick Blood von 2001 belegt die Vorbildfunktion von Selbsttötungen Prominenter.
Bisher weniger untersucht ist der Papageno-Effekt. In Wolfgang Amadeus Mozarts Oper „Die Zauberflöte“ (1791) trägt sich der Vogelfänger Papageno mit Selbstmordgedanken, als er den Verlust seiner Geliebten Papagena befürchtet. Doch es gelingt ihm, die kritische Situation mit Hilfe von außen zu meistern. Übertragen auf die mediale Berichterstattung heißt das: Es kommt weniger auf das konkrete Ereignis an als vielmehr auf den Umgang damit. Berichte über Menschen, die eine schwere Krise überwunden haben, sowie Hinweise auf Hilfsangebote können präventiv wirken. Belege dafür lieferte 2010 die Forschergruppe um Thomas Niederkrotenthaler vom Zentrum für Public Health an der Medizinischen Universität Wien.