Was passiert, wenn Erkältungs- auf Grippeviren stoßen? Offenbar konkurrieren die beiden Erregertypen miteinander, geht aus einer Studie hervor. Demnach sinkt vor allem die Wahrscheinlichkeit, dass sich Grippepatienten zusätzlich mit einem Erkältungsvirus infizieren. Der Effekt könnte bei einem bekannten saisonalen Muster eine Rolle spielen, sagen die Forscher: Die Häufigkeit von Erkältungserkrankungen geht zurück, wenn sich die Grippe ausbreitet. Weitere Einblicke darin, wie sich unterschiedliche Viren gegenseitig beeinflussen, könnten der öffentlichen Gesundheitsplanung zugutekommen, so die Wissenschaftler.
Triefnase, Husten und vor allem bei der Grippe kommen weitere unangenehme Begleiterscheinungen hinzu – Atemwegserkrankungen, gehören zu den Plagen, die uns immer wieder einmal im Leben heimsuchen. Verantwortlich können unterschiedliche Arten von Viren sein: Die beiden Hauptgruppen sind dabei die Grippe verursachenden Influenzaviren und die Rhinoviren, die für die sogenannten Erkältungen verantwortlich sind. Es gilt bereits als gut erforscht, dass diese Erregern zusätzliche Infekte mit bakteriellen Plagegeistern begünstigen können. Zu welchen Interaktionen es zwischen den unterschiedlichen viralen Erregern kommen kann, ist hingegen kaum erforscht. Hemmen sich die Viren gegenseitig oder begünstigen sie die zusätzliche Infektion mit einem anderen viralen Erreger einer Atemwegserkrankung? Diesem Forschungsthema haben sich die Wissenschaftler um Sema Nickbakhsh von der University of Glasgow gewidmet.
Beeinflussen sich die Plagegeister?
Im Rahmen der Studie haben die Wissenschaftler bei 44.230 Fällen akuter Atemwegserkrankungen über einen Zeitraum von neun Jahren hinweg untersucht, welche Erreger bei den Patienten vorhanden waren. Die Tests umfassten dabei elf unterschiedliche Vertreter aus den beiden Gruppen der Grippe- und Erkältungsviren. Das Ziel der Forscher war es, mögliche Muster der Wechselwirkung der Viren untereinander sowohl auf der Bevölkerungsebene als auch auf individueller Ebene nachweisen zu können.
Bei 35 Prozent der getesteten Atemwegserkrankungen stießen die Wissenschaftler auf virale Erreger. Bei acht Prozent dieser Fälle stellten sie wiederum mehr als einen Virustyp fest. Wie sie berichten, zeichneten sich in den Kombinationen dieser Mehrfach-Infektionen Muster ab. Die auffälligste Wechselwirkung stellten sie dabei nicht zwischen den Vertretern der jeweils gleichen Gruppe fest, sondern zwischen den Influenza- und den Rhinoviren. Aus den Computermodellierungen der Daten ging hervor, dass hemmende Wechselwirkungen sowohl auf der Ebene der Einzelpersonen als auch auf Bevölkerungsebene vorliegen. Konkret: Patienten mit einer Grippe waren demnach auffällig selten zusätzlich mit einem Erkältungsvirus infiziert.
Forschungsbedarf zeichnet sich ab
Die Forscher betonen, dass sie bisher nicht genau sagen können, was genau hinter dem festgestellten Zusammenhang steckt. Ihnen zufolge passen die Ergebnisse allerdings zu bisherigen Hinweisen darauf, dass es tatsächlich zu hemmenden Effekten zwischen den Viren aus unterschiedlichen Gruppen im Körper kommen kann. Die Studie wirft damit auch Licht auf bestimmte Muster bei den unterschiedlichen Infektionen: Die verschiedenen Viren treten verstärkt zu unterschiedlichen Zeiten im Jahr auf und befallen verschiedene Teile der Atemwege wie Nase oder Lunge. „Ebenso wie Löwen und Hyänen in der Savanne um Nahrungsressourcen konkurrieren, glauben wir, dass Atemwegsviren um Ressourcen in den Atemwegen konkurrieren“, sagt Nickbakhsh. „Es ist allerdings auch möglich, dass es die Immunantwort des Körpers einem Virus erschwert, dieselbe Person zusätzlich zu infizieren“.
Die Wissenschaftler führen nun weitere Experimente durch, um aufzudecken, auf welche Weise die Atemwegsviren miteinander interagieren. „Viren wurden bisher in der Regel isoliert voneinander untersucht – wir haben nun aufgezeigt, dass es auch sinnvoll ist, die Erreger bei gemeinsamem Auftreten zu untersuchen – als handle es sich um ein Ökosystem“, sagt Co-Autor Pablo Murcia von der University of Glasgow. „Wenn wir verstehen, wie Viren interagieren, können wir möglicherweise bessere Methoden entwickeln, um sie abzuwehren“, so der Wissenschaftler.
Quelle: University of Glasgow, Fachartikel: PNAS, doi: 10.1073/pnas.1911083116