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Filigrane Gebilde, die kilometerweit durch die Luft schweben können… Was den berühmten Samen des Löwenzahns diese erstaunlichen Flugfähigkeiten ermöglicht, haben Forscher nun aufgedeckt. Die feinen Haarstrukturen der raffinierten Konstruktion erzeugen demnach über der fallschirmartigen Struktur einen Wirbelring. Er verschafft den den Pusteblumen-Schirmchen Auftrieb und stabilisiert sie im Luftstrom, zeigen die Experimente. Es handelt sich dabei um ein bisher unbekanntes aerodynamisches Konzept der Natur, in dem Potenzial für die Entwicklung von technischen Systemen steckt, sagen die Forscher.
Eine sanfte Brise reicht aus, um sie davonschweben zu lassen: Es wirkt fast, als ob die Pusteblumen-Schirmchen sich der Schwerkraft widersetzen können. Welche physikalischen Effekte hinter diesem erstaunlich effektiven Natur-Patent stecken, war bisher unklar. In diesem Zusammenhang wirkt vor allem die Struktur der filigranen Gebilde zunächst überraschend. Die Samen sehen auf den ersten Blick aus wie kleine Fallschirme – doch im Gegensatz zu ihrem technischen Pendant besitzen sie keine geschlossene Membran. Stattdessen bilden feine Haare das aerodnamische Element. Im Vergleich zu einer geschlossenen Membran lässt dieser sogenannte Pappus 90 Prozent der Fläche unbedeckt, wodurch Luft durch die Konstruktion strömt.
Ein Wirbel kommt buchstäblich zum Tragen
Doch wie kann dabei ein Auftriebseffekt entstehen? Dem paradox erscheinenden Konzept haben die Forscher um Cathal Cummins von der University of Edinburgh nun eine detaillierte Untersuchung gewidmet. Im Rahmen ihrere Studie haben sie durch Lasersysteme, Visualisierungen des Luftstroms und durch verschiedene Experimente analysiert, welche aerodynamischen Effekte entstehen, wenn die Luft durch den Pusteblumen-Schirm strömt.
Wie sie berichten, ist das Geheimnis hinter dem Auftrieb ein aerodynamisches Phänomen, das durch die Wirkung der Härchen ensteht. Der Luftstrom wird demnach durch den Pappus so beeinflusst, dass sich über dem Schirm ein blasenförmiger Luftring ausbildet, in dem das Medium kontinuierlich in der Mitte nach unten und am Rand nach oben fließt. Wie die Wissenschaftler erklären, entsteht dadurch ein Unterdruck-Effekt, der den Samen gleichsam nach oben zieht und ihn gleichzeitig in der Luft stabil hält. Dass die feinen Strukturen für die Entstehung des Luftwirbels verantwortlich sind, konnten die Forscher auch durch Tests mit künstlichen Nachbildungen bestätigen.
Natur-Patent mit Potenzial
Wie Cummins und seine Kollegen erklären, handelt es sich um ein bisher unbekanntes und erstaunlich leistungsfähiges Konzept. Der Flugmechanismus ist ihren Einschätzungen zufolge deutlich effizienter als das, was mit konventionellen Fallschirmdesigns möglich wäre. Ihnen zufolge ist das System in der Natur möglicherweise weit verbreitet, denn auch die Samen anderer Pflanzen und sogar manche Insektenflügel besitzen bekanntermaßen filigrane Härchenstrukturen. Sogar einige Wasserlebewesen nutzen vielleicht diesen Effekt, denn vermutlich kommt er auch im Wasser zum Tragen, sagen die Wissenschaftler.
Zudem liegt das technische Potenzial des Systems zur passiven Erzeugung von Auftrieb auf der Hand: Den Forschern zufolge könnte das Löwenzahn-Konzept beispielsweise die Entwicklung von kleinen Drohnen anregen, die wenig Energie zum Fliegen benötigen. “Wir haben eine natürliche Lösung für Flugsysteme aufgezeigt, die Material- und Energiekosten minimieren könnte und sich somit für die Entwicklung nachhaltiger Technologien anbietet”, resümiert Cummins.
Quelle: University of Edinburgh, Nature, doi: 10.1038/s41586-018-0604-2